Andreas Timmer
In der heutigen Zeit ist es so, dass sich unser Wissen praktisch alle 14 Monate verdoppelt (Stand 2019, https://ivanblatter.com/podcast/triple-overload/). Es wird alles automatisiert, was sich automatisieren lässt, d.h. da wo auf Menschen verzichtet werden kann, wird das passieren [s.a. Thelen, Frank. 10xDNA: Das Mindset der Zukunft (German Edition) (S.177), Frank Thelen Media GmbH. Kindle-Version].
Für uns in der Schule heißt das, wir können einerseits nicht ständig auf dem neuesten Stand bleiben, was das Wissen angeht, wir können Grundlagen weiterhin vermitteln, aber für das Neuere kommen wir nicht schnell genug hinterher. Hinzu kommt, dass für das Aneignen von Wissen inzwischen mehr Möglichkeiten gibt als früher, z.B. durch Erklärvideos, Podcasts etc.
Deswegen ist es an uns den Schüler:innen Methoden oder Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie befähigen sich an diese sich schnell verändernde Welt anzupassen und zu reagieren.
Die agile Methode Scrum wird auch in Unternehmen eingesetzt und zudem lassen sich auch hervorragend die vier K‘s einbeziehen, Kollaboration, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken, d.h. zum einem muss man sich untereinander verständigen, es muss jedem klar sein, woran gearbeitet wird, wie der Stand der Dinge ist und da hilft halt das Scrum-Board. Gibt es Probleme muss sich damit konstruktiv kritisch auseinandergesetzt werden.
Da Scrum davon ausgeht, dass die Teams sich selbst organisieren, liegt die komplette Planung des Projektes in der Hand der Schüler:innen, d.h. wie sie das Ziel erreichen, liegt in ihren Händen und als Lehrer:in muss man gewillt sein die Kontrolle über den Weg zu verlieren. Dadurch werden dann auch Wege beschritten, an die man selbst nicht gedacht hat und bei der Zusammenarbeit mit anderen wird zusätzlich die Persönlichkeitsentwicklung gefördert. Neben dem „Kontrollverlust“ muss man auch „Fehler“ zulassen, damit die Schüler:innen aus ihnen lernen können um es beim nächsten Mal besser machen zu können. Mit anderen Worten es entsteht eine positive Fehlerkultur.
Dennoch muss hier der/die Lehrer:in darauf achten, dass die Abweichungen nicht zu groß werden, damit das Lernziel erreicht wird.
Da der/die Lehrer:in die Planungskontrolle abgibt, ändert sich seine Rolle und er wird zum Lerncoach, einem Lernbegleitern. In Scrum übernimmt er die Rolle des Product Owners.
Scrum ist für die Schule sehr gut geeignet, da es die Schüler:innen befähigt auf sich verändernde Situation zu reagieren, da Scrum ihnen auch eine Struktur mitgibt, mit der sie planen können.
Der/die Lehrer:in muss auch darauf achten, dass innerhalb des Teams nicht immer die gleichen Personen eine bestimmte Rolle einnehmen, sondern von Projekt zu Projekt ein Wechsel stattfindet. Auf diese Weise werden die Kompetenzen aller Lernenden verbessert und neue hinzugewonnen. Mit dem daraus erwachsenden Selbstbewusstsein und Wissen sind sie für ihr beruflichen und privates Leben gerüstet.
Voraussetzungen in der Schule
Ein anderer Aspekt ist, dass Scrum auch ohne digitale Tools funktioniert. An jeder Schule, in der eine entsprechende Infrastruktur mit WLAN etc. fehlt, funktioniert Scrum trotzdem. Es genügt eine Tafel, Stellwände und Flipchart-Papier oder DIN A0. Außerdem müssen die Schülerinnen und Schüler Zugang zu allen benötigten Informationen haben sowie Räume, in denen die einzelnen Teams arbeiten können.
Ist WLAN vorhanden, erweitert sich das Spektrum auf die Informationen im Internet und die Teams können auch ortsunabhängig zusammenarbeiten, d.h. sie sind nicht an den einen Klassenraum gebunden und selbst wenn eines der Teammitglieder Zuhause ist, kann dieses, mittels entsprechender Tools (MS Teams, Zoom, Jitsi, MS Onenote etc.), zeitgleich mitarbeiten. Auch das Scrum-Board lässt sich digital abbilden (Meistertask, Asana, Trello, MS Planner, Do-To-Apps).
Der/die Lehrer:in (Product Owner) hat dadurch ebenfalls die Möglichkeit sich jederzeit einen Überblick über die Fortschritte der Teams zu verschaffen und ggf. Hilfestellung zu geben. Für alle Schüler:innen entsteht auf diese Weise auch ein individuelles ePortfolio, welches zur Beurteilung heran-gezogen wird.
Im Grunde erfüllt Scrum die Anforderungen, die an das Lehren und Lernen im 21. Jahrhundert vom CCR gestellt werden: Wissen, Skills, Charakter und Meta-Lernen [vgl. Fadel et al., Die vier Dimensionen der Bildung – Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen (German Edition), ZLL21 – der Verlag, 2015].
Während unter Wissen das traditionelle Wissen, modernes Wissen und Querschnittsthemen gemeint sind, sind unter Skills die vier K’s gemeint und bei Charakter die Persönlichkeitsentwicklung. Das Meta-Lernen wird als das Lernen über das Lernen verstanden [vgl. Fadel et al., Die vier Dimensionen der Bildung – Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen (German Edition), ZLL21 – der Verlag, 2015].
Weitere Literatur:
Dräther, Koschek, Sahling, Scrum – kurz und gut, O´Reilly taschenbibliothek, 2. Auflage, 2019

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Scrum in die Schule”. Verfasst von 17 Expertinnen von innerhalb und außerhalb der Schule, gibt dir das Buch konkrete Informationen zum Einsatz der agilen Methode Scrum im Unterricht. Der Ablauf, die Regeln,
die Rollen und die Durchführung werden theoretisch
wie praktisch beschrieben und anschaulich erklärt.
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