Carsten Rasche
Als Reaktion frustrierter Softwareentwickler auf ein nicht funktionierendes, zu aufwendiges Projektmanagement-Vorgehen sind in den 90er-Jahren Scrum und andere agile Methoden entstanden. Alle verwendeten Elemente in Scrum sind weder neu noch sonderlich kompliziert. Im Gegenteil: Sie folgen ganz stark dem, was wir gemeinhin als gesunden Menschenverstand bezeichnen. Wir planen und entwickeln in einem kleinen Team einen Teil des Produkts innerhalb einer kurzen Zeitspanne – idealerweise von maximal zwei Wochen – und holen uns am Ende eines solchen Zyklus ad hoc Feedback von den künftigen Anwendern ein. Dieses nehmen wir in die nächste Runde bzw. in den nächsten Sprint auf und lassen das Produkt wachsen. Spezielle Rollenbezeichnungen oder Namen für Meetings sind ein nettes Beiwerk, die uns dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. Nicht mehr und nicht weniger.
Dass Scrum nicht mehr nur in der Software-Entwicklung, sondern in vielen anderen Branchen großen Nutzen stiftet, ist mittlerweile bekannt. Doch wie passt Scrum in das Bildungssystem, das oft noch mit veralteten Strukturen und starren Lehrplänen zu kämpfen hat? Die größte Herausforderung, die ich beim Start beobachte, ist auf den zweiten Blick profan: So sind die Begrifflichkeiten den Lehrkräften oft nicht geläufig und es fällt ihnen schwer, sich einen Überblick über die unzähligen, zum Teil komplizierten, englischen Ausdrücke zu machen. Sobald sie dann mit dem eigentlichen Prozess starten, fällt jedoch schnell auf: Scrum ist logisch und wesentlich weniger komplex als anfangs gedacht.
Mit diesem Kapitel gebe ich Lehrkräften eine praktische Schritt-für-Schritt-Anleitung an die Hand, um eine Unter-richtseinheit oder ein Lernprojekt mit Scrum durchzuführen. Die Erfahrungen beruhen auf Projekten, die ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von borisgloger consulting im Rahmen der Initiative Scrum4Schools begleitet habe. borisgloger consulting versteht sich als Sparringspartner der Schulen und Lehrkräfte und unterstützt als Initiator und Mentor vor und während der Scrum4Schools-Projekte.
Der Einfachheit halber beschränkt sich diese Anleitung auf das notwendige Grundwissen für das Einführen von Scrum in der Schule. Elemente wie das Schätzen der Größe von Lernschritten (User Stories) oder ein Lernfortschrittsmesser (Burn-Down-Chart) erhöhen die Komplexität und sind für den Start nicht von Belang. Wir empfehlen, diese erst dann einzuführen, wenn die Schülerinnen und Schüler mit der Methode vertraut sind. An einigen Stellen beschreibe ich weitere Möglichkeiten zur Vorgehensweise, die über die Basis hinausgehen. Diese Maßnahmen und Elemente sind für fortgeschrittene Klassen gedacht, die schon Erfahrung mit der Methode haben. Genau das zeichnet eine agile Vorgehens-weise aus: Anfangen und dann schrittweise verbessern.
Ein Hinweis: Nach der Rückmeldung unzähliger Lehrpersonen verwenden wir bei Scrum4Schools – bis auf den eigentlichen Namen – ausschließlich deutsche Begrifflichkeiten. In diesem Artikel schreibe ich bei der erstmaligen Verwendung den englischsprachigen Namen zur Orientierung dazu.
Schritt 1: Lernprodukt & Lernziele
Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits beschrieben, kommt Scrum ursprünglich aus der Produktentwicklung. Im Lernkontext ist der erste Schritt, ein geeignetes Lernprodukt zu finden. Denn im Laufe einer Unterrichtseinheit mit Scrum eignen sich Schülerinnen und Schüler in kleinen Lern-/Scrum-Teams eigenständig und selbstorganisiert Wissen zu einem oder mehreren Inhalt/en über die gemeinsame Erstellung eines Lernproduktes an.
Ein Lernprodukt kann hierbei ganz unterschiedlich beschaffen sein: So kommt, wie im Praxisbeispiel Mit Scrum4Schools den Geschichtsunterricht gestalten vorgestellt, ein Zeitzeugenbüchlein im Geschichtsunterricht in Frage, ebenso ein durch die Kinder selbst angeleitetes Experiment im Physikunterricht oder eine selbst gestaltete Unterrichtsstunde zu einem spezifischen Thema im Englischunterricht.
Für das erstmalige Ausprobieren empfehle ich, ein überschaubares und abgestecktes Thema zu wählen, mit dem die Kinder oder Jugendlichen innerhalb von maximal drei bis vier Wochen ein Lernprodukt selbst erarbeiten. Nachdem sie mit dem Vorgehen vertraut sind, ist das Ausweiten der Methode auf die komplette Unterrichtsgestaltung in einem Schulhalbjahr denkbar.
Wir haben festgestellt, dass es hilft, zusätzlich die konkreten inhaltlichen Lernziele, die sich die Schülerinnen und Schüler im Zuge einer Unterrichtseinheit mit Scrum selbst erarbeiten, offen und transparent zu formulieren und diese auch zu kommunizieren. Idealerweise beinhalten die Lernziele eine kurze Beschreibung, welchen Nutzen die Auseinandersetzung mit dem Thema stiftet. Neben den inhaltlichen Lernzielen lernen die Kinder und Jugendlichen mit der Methode, wie man Gruppen und Teamarbeit strukturiert und zielbringend gestalten kann.
Die Rolle des Lehrenden – der Lerncoach
Im Lernprozess mit Scrum nimmt der oder die Lehrende eine neue Rolle ein. Da die unterschiedlichen Lernteams selbstorganisiert und eigenständig an ihren Lernprodukten arbeiten, kommt der Lehrende in die Situation, die einzelnen Lernteams und deren Mitglieder individuell und dem jeweiligen Bedarf entsprechend zu begleiten und zu unterstützen. Eine Grundvoraussetzung für Lehrkräfte ist deshalb die Bereitschaft, neben der Definition eines Lernproduktes und der Lernziele weitere Vorarbeiten zu leisten, die ich in Schritt 2 ausführe.
Weiter sollte ein Lerncoach festlegen, ob er oder sie spezielle Anforderungen während der Lernsequenzen vorgeben möchte: Welcher Zeitrahmen gilt? Sollen die Kinder und Jugendlichen Inhalte wie Texte zur Vorbereitung lesen? Und: Wie erfolgt eine mögliche Benotung am Ende des Projektes?
Schritt 2: Erkundungsauftrag, Zeitplanung und mögliche Lernschritte formulieren
Eine Unterrichtssequenz mit Scrum funktioniert nicht mit der Einstellung, die so liebevoll „Türschwellenpädagogik“ genannt wird – die Vorbereitung der Stunde beim Übertreten der Türschwelle in das Klassenzimmer – zumindest nicht zum Start und in der ersten Stunde. Aber der anfängliche Aufwand wird in der Regel belohnt: Sobald die Lernteams selbst Schritt für Schritt an ihren Lernprodukten arbeiten, konzentrieren Sie sich als Lehrkraft ganz darauf, sie individuell dabei zu unterstützen.
Erkundungsauftrag
Um von Beginn an Transparenz – eines der wichtigsten Prinzipien bei Agilität – gegenüber den Schülerinnen und Schülern herzustellen, erstellt der Lerncoach vor dem Start einen Erkundungsauftrag. Der Erkundungsauftrag gibt den Lernteams während der Unterrichtssequenz Orientierung und beinhaltet die Ziele und alle Rahmenbedingungen – meistens auf einem oder mehreren A4-Blättern – auf einen Blick. Neben einer kurzen Beschreibung des Lernprodukts und der Lernziele legt die Lehrkraft fest, welche der Inhalte für die Lernenden fest vorgegeben sind und wo sie Spielraum lässt. Der große Vorteil an der Arbeit mit Scrum: Beides ist möglich. Einerseits also ein sehr strukturiertes Vorgehen, wie etwa bei der Erstellung des Zeitzeugenbüchleins, bei der der Lerncoach die einzelnen Schritte (Recherche, Interviewleitfaden, Interview mit Zeitzeugen, Erstellung des Büchleins) vorgibt. Andererseits ein sehr freies Vorgehen, bei dem z. B. die einzigen zwei Vorgaben in einem Projektlernkurs sein könnten, eine Aktion innerhalb oder außerhalb der Schulgemeinschaft zu planen und durchzuführen und diese auf einer Abschlussveranstaltung vorzustellen.
Lernschritte (User Stories)
Für die Strukturierung unterteilt Scrum die einzelnen Aufgaben, die zur Realisierung des Lernproduktes notwendig sind, in sogenannte Lernschritte. Ein Lernschritt ist ein kurzer Satz, der einen Teil des Lernziels repräsentiert. Er beinhaltet eine eindeutige Aufgabe, die aus dem Thema abgeleitet wird.
Die Lernschritte werden entweder durch die Lehrperson vorgegeben oder sie entstehen durch eine Verhandlung zwischen dem Lerncoach und den Lernteams. Über die Lernschritte steuert der/die Lehrende aktiv, wie viel Freiheit die Schülerinnen und Schüler bei der Erarbeitung des Lernziels haben. Viele vordefinierte Lernschritte geben Struktur in den Aufgaben, die zu erledigen sind. Weniger vordefinierte Lernschritte nehmen die Kinder und Jugendlichen in die Verantwortung, sich eigene Schritte im Lernteam zu überlegen und mit ihrem Lerncoach zu besprechen.
Alle Lernschritte werden in der Lernliste (Backlog) gesammelt und vom Lernteam der Reihenfolge nach priorisiert, in der sie später abgearbeitet werden (mehr dazu in Schritt 3).
Ein Lernschritt sollte innerhalb eines Sprints erledigt werden können. Ist er zu groß gefasst, wird er vom Team bei der Planung in kleinere Lernschritte „geschnitten“ (mehr dazu in Abschnitt 4).
Generell gilt: Ein Lernschritt enthält an sich keinerlei Information über das WIE, also die Vorgehensweise, um das gewünschte Teilziel zu erhalten. Diese Überlegungen dürfen die Lernteams anstellen und selbst erarbeiten. Wenn es zu einem Lernschritt Vorgaben geben soll, kann ein Lerncoach diese über die sogenannten Akzeptanzkriterien vorab festlegen.
Akzeptanzkriterien
Akzeptanzkriterien sind eine Art Checkliste für jeden Lernschritt. Sobald das Lernteam alle Punkte auf dieser Checkliste abhaken kann, ist der Lernschritt erledigt. Wie bereits erwähnt, kann ein Lerncoach bereits bei der Planung der Unterrichtssequenz über die Akzeptanzkriterien der einzelnen Lernschritte festlegen, ob er gewisse Anforderungen daran hat – beispielsweise, wie viele Quellen bei einer Internetrecherche mindestens untersucht werden müssen und wie diese zu dokumentieren sind.
Die weiteren Akzeptanzkriterien für einen Lernschritt werden von den einzelnen Lernteams in der Planung diskutiert und festgelegt.
Beispielhafte Lernschritte mit Akzeptanzkriterien
Um einen praktischen Einblick in Lernschritte und Akzeptanz-kriterien zu erhalten, zeige ich nachstehend zwei exemplarische Beispiele aus einem Scrum4Schools-Projekt im evangelischen Religionsunterricht einer neunten Klasse. Das Lernziel ergab sich als Ableitung aus dem Lehrplan und lautete: „Sich mit unterschiedlichen Deutungen von Arbeit und Leistung als Grundgegebenheiten des menschlichen Daseins auseinandersetzen“. In dem Zusammenhang sollten sich die Schülerinnen und Schüler mit Luthers Berufsethik im Vergleich zu Marx’ Modell der Entfremdung und Selbstverwirklichungauseinandersetzen. Nachstehend sind nur die vorgegebenen Akzeptanzkriterien durch die Lehrkraft dargestellt.
Lernschritt 1: Recherche über Luthers Berufsethik – Akzeptanzkriterien:
- mind. 3 verschiedene Quellen durchsuchen
- Ergebnisse stichworthaft notieren
- Die Inhalte einem anderen Gruppenmitglied erklären, sodass dieses es versteht
Lernschritt 2: Visuelle Darstellung von Luthers Berufsethik
Akzeptanzkriterium: mind. 6 Fotos von Playmobil- oder Legofiguren dokumentieren
Zeitplan
Neben der inhaltlichen Planung benötigt eine Unterrichtseinheit mit Scrum eine transparente Zeitplanung. Die unterschiedlichen Treffen können zu Beginn leicht verwirren. Der Zeitplan schafft hier einen Überblick und hilft den Schülerinnen und Schülern dabei, ihre Zeit während des Projektes bis zum fertigen Lernprodukt einzuschätzen.
Wir visualisieren die Zeitplanung in der Regel auf einem Flipchart, das wir zu jedem Termin im Klassenraum aufhängen (siehe Abbildung). Der Zeitplan enthält alle Termine, an denen die Lernteams mit Scrum arbeiten, und die Art des Treffens für den jeweiligen Tag. Zusätzlich heben wir Termine farblich hervor, an denen beispielsweise spezielle Veranstaltungen, wie eine Aktion oder der Abschluss stattfinden. Häufig notieren wir unterhalb des Zeitstrahls noch spezielle Hinweise zu einzelnen Stunden.

Sprintlänge festlegen
Neben der Transparenz ist die zeitliche Taktung (auf Englisch nennen wir es Timeboxing) eines der wichtigsten Prinzipien in Scrum. Ergebnisse werden in kurzen Iterationen beziehungs-weise Schleifen geliefert. So erhalten die Bearbeitenden schnell Feedback, ob der eingeschlagene Weg richtig ist oder nicht. Insbesondere beim Start mit Scrum gilt: Je kürzer die Schleifen sind, desto besser, da die Lernteams so das Vorgehen schneller verinnerlichen können. Häufig empfehlen wir Lehrkräften, die ersten Sprints auf eine Doppelstunde zu terminieren.
Ein Sprint startet immer mit der Planung (Planning), in dem die Lernteams miteinander aushandeln, was sie zum Ende eines Sprints erreicht haben möchten.

Die Grafik zeigt die vier Treffen während eines Sprints. Eine detaillierte Beschreibung der Treffen inklusive Agendavorschlag finden Sie in der Scrum4Schools -Checkliste.
Wenn zwischen Planung und Sprintende noch ein weiterer Termin stattfindet, treffen sich die Schülerinnen und Schüler zu Beginn der nächsten Stunde zu einer kurzen Teamsynchronisation (Daily Scrum). Hierbei informieren sich die Lernteammitglieder gegenseitig über den aktuellen Fortschritt. Der Sprint endet dann mit der Feedback-Runde (Review). Hier stellt jedes Lernteam der Reihe nach den anderen Lernteams und dem Lerncoach kurz und knapp vor, was es im Sprint erarbeitet hat. Die jeweils anderen Lernteams und der Lerncoach geben direkt nach der Vorstellung eines Lernteams Feedback, das wiederum in die Planung für den nächsten Sprint mit einfließt – vielleicht muss eine Sache noch tiefer ausgearbeitet werden oder eine Idee ist nicht aufgegangen und es muss etwas anderes ausprobiert werden. Der Sprint wird abge-schlossen mit der Rückschau (Retrospektive), in der die Lernteams kurz auswerten, was in der Zusammenarbeit bereits gut funktioniert und was das Team im nächsten Sprint verbessern kann.
Die folgende Tabelle zeigt übliche Wochenstundenkontingente mit der möglichen Aufteilung von Sprintlängen und Treffen
Bewertung & Benotung
Teil des Erkundungsauftrags ist außerdem eine kurze Passage, in der die Bewertungs- und Benotungskriterien transparent gemacht werden, sofern diese im jeweiligen Lernkontext vorgeschrieben sind. Da beim Lernen mit Scrum die Teamarbeit im Fokus steht, plädieren wir wo immer möglich, am Ende die Teamleistung zu bewerten und auch auf dieser Ebene eine Note zu vergeben. Wenn Einzelnoten vergeben werden müssen, hat sich als Erfolgsrezept bewährt, dass sich die Kinder oder Jugendlichen aus den jeweiligen Lernteam am letzten Termin der Unterrichtseinheit mit Scrum untereinander und gegenseitig selbst bewerten. Hierbei hilft auch eine strukturierte Selbsteinschätzung (siehe Box “Lernreise”). Der Notenvorschlag wird dann an den Lerncoach übergeben, der diese dann mit den eigenen Beobachtungen abgleicht. Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, dass dies sehr gut funktioniert und sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig fair bewertet haben. – In der Tendenz eher zu streng, sodass ein Lerncoach die Noten in der Regel eher nach oben korrigiert.
Der Erkundungsauftrag enthält eine klare Beschreibung, in welcher Form die Noten vergeben und nach welchen Kriterien das fertige Lernprodukt und mögliche Ergebnisse aus den Lernteilschritten bewertet werden.
Zeitkontingent | Vorschlag Sprintlänge und Meetings |
1x Doppelstunde + 1x Einzelstunde | 1-Wochen-Sprint: Planung zu Beginn der Doppelstunde, Teamsynchronisation bei derEinzelstunde, Feedback-Runde & Rückschau am Ende der Einzelstunde 2-Wochen-Sprint: Planung zu Beginn der ersten Doppelstunde, Teamsynchronisation bei der Einzelstunde in Woche 1+2 sowie in der Doppelstunde in der zweiten Woche, Feedback-Runde & Rückschau am Ende der Doppelstunde in der zweiten Woche. |
1x die Woche Projektzeit (3-5 Stunden) | 1-Tages-Sprint: Planung zu Beginn der Stunde, am Ende der Stunde Feedback-Runde und Rückschau. Die Rückschau kann auch auf den nächsten Termin vor die Teamsynchronisationbzw. die nächste Planung gelegt werden. |
Lernreise – Ein Vorschlag für die Reflexion
Gerade bei längeren Unterrichtseinheiten mit Scrum bietet es sich an, mit den Schülerinnen und Schülern die unterschiedlichen Schritte am Ende der Lerneinheit noch einmal Revue passieren zu lassen. Das Ganze kann man als Lernreise auf einem Blatt darstellen, das die Kinder oder Jugendlichen am Ende der Scrum4Schools-Einheit eigenständig als Reflexion ausfüllen. Die Lernreise beinhaltet hierbei die unterschiedlichen Schritte, die im Verlauf des Projektes durchschritten worden sind. Die dargestellte Lernreise stammt aus einem Projektlernkurs, in dem die einzelnen Lernteams die Aufgabe hatten, eine frei gewählte Aktion zur Verbesserung der Gemeinschaft innerhalb oder außerhalb der Schulgemeinschaft durchzuführen.

Auf der Rückseite des Lernblattes können verschiedene Reflexionsfragen integriert werden, die sich auf die erworbenen Fach- und Methodenkompetenzen beziehen. Ein Lerncoach liest sich die ausgefüllten Bögen durch und gibt im Idealfall ein individuelles, kurzes schriftliches Feedback.
Beispielhafte Aussagen:
Aktion durchführen
- Ich habe in meiner Gruppe eine Aktion durchgeführt.
- Ich habe mit unserer Aktion Personen innerhalb des Schulumfeldes erreicht.
- Ich habe mit unserer Aktion eine gesellschaftliche Veränderung über die Schule hinaus herbeigeführt.
Ich habe eine Präsentation gehalten und folgende inhaltliche Kriterien erfüllt
- Begrüßung und motivierender Einstieg vorhanden.
- Deutliche Gliederung und klarer Aufbau sind erkennbar.
- Die wichtigsten Erkenntnisse im Schlussteil zusammengefasst.
- Ich konnte Rückfragen beantworten.
Zusammenfassung Erkundungsauftrag
Ein Erkundungsauftrag fasst alles Wichtige zusammen, was die Schülerinnen und Schüler beim Start über die Lernsequenz mit Scrum wissen müssen. Dies beinhaltet folgende Dinge:
- Kurze Beschreibung des Lernproduktes
- Transparente und motivierende Lernziele
- Vordefinierte Lernschritte mit Akzeptanzkriterien
- Zeitplan inklusive Sprintlänge und wann welche Treffen stattfinden
- Rahmenbedingungen zur Bewertung und Benotung
Schritt 3: Scrum-Einführungsstunde
Gerade wenn Schülerinnen und Schüler noch keinerlei Berührungspunkte mit Scrum hatten, sollte man sich zu Beginn Zeit nehmen – Lehrkräfte planen idealerweise mindestens eine Doppelstunde für die Einführung ein. Meistens strukturieren wir sie in kurzen, praxisbezogenen Blöcken. Am Ende der Einführung haben die Schülerinnen und Schüler:
- einen Überblick, wie das Lernen mit Scrum funktioniert,
- das Lernprodukt und die Anforderungen an die Lernsequenz kennengelernt,
- sich in Lernteams aufgeteilt,
- alles parat, um mit dem ersten Sprint zu starten.
Überblick Scrum
Wie umfangreich die Einführung in Scrum ausfällt, hängt stark vom jeweiligen Zeitrahmen ab. Die Minimalvariante sind ein paar einleitende Worte über den Ursprung der Methode in der Softwareentwicklung und ihren Nutzen: Sie hilft Teams dabei, sich selbst und ihre Arbeit zu strukturieren.
In der zweiten Variante ruft der Lerncoach zu einer Internetrecherche über Scrum auf, die etwa 20 Minuten in Anspruch nimmt. Diese Version ist insbesondere für Kinder und Jugendliche ab etwa 12-13 Jahren geeignet. Zahlreiche Erklärungen in Text, Bild und Videoform geben hier einen Einblick.
Zusätzlich oder als Alternative bietet eine praktische Simulation, wie etwa das Ball-Point-Game, die ideale Basis, um den Schülerinnen und Schülern die Grundprämissen von Scrum näherzubringen: Die Lieferung von Ergebnissen in kurzen Zyklen und die dazugehörigen Treffen (Planung, Teamsynchronisation, Feedback-Runde und Rückschau). Beim Ball-Point-Game entwickelt eine Gruppe unter der strengen Zeitvorgabe von 15 Minuten und mit speziellen Regeln ein System, um die Bälle innerhalb einer Gruppe zirkulieren zu lassen.
Alternativ und bei einem größeren Zeitkontingent (mindestens eine Stunde) kann man den Scrum-Prozess mithilfe einer Legosimulation kennenlernen, im Rahmen derer mehrere Teams entweder eine Stadt oder einen Flughafen bauen. Der Vorteil bei der etwas längeren Legosimulation: Hier wird nicht nur der Zyklus der Treffen deutlich, sondern auch die unterschiedlichen Rollen.
Vorstellung Lernziel(e), Lernprodukt & Rahmenbedingungen
Nach einem ersten Überblick über die neue Methodik stellt der oder die Lehrende die Lernziele und das Lernprodukt vor. Im Vergleich zum klassischen Unterricht sind Lernsequenzen mit Scrum so angelegt, dass Schülerinnen und Schüler einen größeren Freiheitsgrad beim Erreichen des jeweiligen Lernziels und im Gestalten des Lernproduktes haben. Ideal sind also Lernziele und Lernprodukte, die sowohl die Bedeutung des Behandelten für die Lernenden aufzeigen und gleichzeitig motivieren.
Zur Wiederholung: Die konkreten Inhalte und Freiheitsgrade sind in den Lernschritten und vorgegebenen Akzeptanzkriterien dargestellt. Es bietet sich an, die Lernschritte einmal gemeinsam mit der gesamten Klasse durchzugehen.
Ganz wichtig: Die Schülerinnen und Schüler müssen wissen, was von ihnen am Ende erwartet wird. Deshalb sollten Sie lieber ein paar Minuten länger für ein Gespräch über die Anforderungen an das Lernprodukt verwenden. Dieser Zeitpunkt eignet sich ebenfalls für die Vorstellung des Zeitplans und zur Besprechung der Benotungs- und Bewertungskriterien.
Bilden der Lernteams
Nachdem die Schülerinnen und Schüler inhaltlich wissen, womit sie sich in den nächsten Wochen auseinandersetzen, geht es an die Zusammenstellung der Lernteams. Im ursprünglichen Scrum in der Softwareentwicklung darf ein Team 7 +/- 2 Personen umfassen. Der Gedanke dahinter: Je mehr Teammitglieder, desto mehr Kommunikation ist notwendig, damit alle auf dem gleichen Informationsstand bleiben. Für den Lernkontext haben wir immer wieder festgestellt, dass kleinere Teams mit rund 4 +/-1 Personen wesentlich besser wirken. Das Hauptziel ist es, dass jedes einzelne Teammitglied möglichst viele Lernerfahrungen machen kann. Bei kleineren Teams ist in der Regel jede/r Einzelne mehr gefordert und muss sich stärker einbringen. Gleichzeitig gilt: Je größer die Lernteams, umso größer die Gefahr, dass einzelne Teammitglieder weniger bis nichts tun und die Arbeit von den anderen erledigen lassen.
Für die Lernteams gilt neben der kleinen Teamgröße die Grundvoraussetzung: In jedem Team müssen alle Fähig- und Fertigkeiten vorhanden sein, um das Lernprodukt am Ende zu erstellen. Das heißt im Schulkontext häufig, dass sowohl Leistungsstärkere und Leistungsschwächere in dem jeweiligen Fach in einem Lernteam sein sollten, um sich gegenseitig zu unterstützen. Daneben braucht es für manche Lernprodukte möglicherweise gestalterische Fähigkeiten. Bitten Sie als Lehrkraft die Kinder oder Jugendlichen darum, bei der Teamzusammenstellung darauf zu achten.
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, die Lernteams zu bilden:
Lernteams finden sich selbst
Nach der Vorstellung des Lernprodukts, der Rahmenbedingungen und der Vorgaben an die Lernteams (Größe 4 +/-1 Person & alle Fähigkeiten- und Fertigkeiten zur Erstellung des Lernproduktes sind vorhanden), bittet der/die Lehrende die Schülerinnen und Schüler, sich eigenständig aufzuteilen.
- Vorteil: Die Kinder oder Jugendlichen finden sich überwiegend in Gruppen und mit anderen Schülern und Schülerinnen zusammen, mit denen sie gerne und wahrscheinlich auch häufiger im Gruppenkontext zusammenarbeiten. Das erleichtert die Motivation, zusammenzuarbeiten und damit den initialen Start.
- Nachteil: Der Prozess braucht Zeit und wenn bestimmte Schülerinnen und Schüler häufig miteinander zusammenarbeiten, hat sich möglicherweise bereits eine gewisse Aufgabenteilung ergeben, die den Einzelnen daran hindern kann, auch andere Aufgaben zu übernehmen. Gleichzeitig entstehen häufig Teams aus „Übriggebliebenen“, mit denen weniger Schülerinnen und Schüler zusammenarbeiten wollen.
Lerncoach stellt die Teams zusammen
Als Lehrende bzw. Lehrender kennt man häufig die Stärken und Schwächen seiner Schülerinnen und Schüler. Auf der Grundlage kann eine gute Einschätzung für diverse Lernteams getroffen werden.
- Vorteil: Schnelle Aufteilung der Lernenden in heterogene Lernteams
- Nachteil: Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation der Lernenden wird nicht mit einbezogen und mögliche Motivationsprobleme, wenn Schüler bzw. Schülerinnen nicht mit Freunden zusammen ein Team bilden dürfen
Lerncoach stellt die Lernteams aus frei gebildeten Zweiergruppen zusammen
Eine Alternative zu den beiden vorgestellten Varianten bietet eine dritte Version: Die Lernenden organisieren sich anfänglich in Zweiergruppen – möglicherweise auch schon mit einer ersten inhaltlichen Fragestellung. Anschließend stellt der Lerncoach die Lernteams aus den vorhandenen Zweierteams zusammen. Falls aufgrund der Gruppenanzahl einzelne Lernende übrig bleiben, bildet man vereinzelt drei Grüppchen, um auch Lernteams mit fünf Personen zu erhalten.
- Vorteil: Lernende können zumindest mit einer Person zusammenarbeiten, mit der sie gerne zusammen-arbeiten. Der Lerncoach behält aber final die Kontrolle über die Zusammenstellung und kann so auf die ausreichende Heterogenität der Teams achten.
- Nachteil: Der Prozess beinhaltet einen zusätzlichen Zwischenschritt, der Zeit in Anspruch nimmt.
Häufig bitten wir die Lernteams, sich einen eigenen Namen zu überlegen, um untereinander eine Verbundenheit zu erzeugen und damit der Lehrende die Übersicht behält.
Ein Zwischenschritt beim Projektlernen: Problemstellung & Vision
Beim Projektlernen wird der Rahmen häufig etwas weiter gesteckt und die Anforderungen sind etwas weniger starr, als im Regelunterricht, der noch stärker dezidierten Punkten im Lehrplan folgen muss. Als Aufgabenstellung oder Lernprodukt sollen die Lernteams sich beispielsweise damit auseinandersetzen, was sie konkret tun können, um mehr Nachhaltigkeit in der Schule zu verankern oder im Fach Ethik/Gesellschaft eine Aktion zu planen und durchzuführen, die gegen Ausgrenzung und für mehr Gemeinschaft innerhalb oder außerhalb des Schulkontextes sorgt.
In aller Regel gehört es hier mit zur Aufgabenstellung, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Projektthemen finden, an denen sie arbeiten wollen. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler nach einer oder mehreren Einführungsstunden in Einzelarbeit Problemstellungen schriftlich ausformulieren, die sie im Zuge der Projektarbeit lösen möchten. Anschließend sammelt und clustert die Klasse gemeinsam die so gewonnenen Problemstellungen. So gibt es häufig Problemstellungen, die inhaltlich zusammenhängen. Diese Personen bilden dann ein gemeinsames Lernteam. Schülerinnen und Schüler, die gerne an anderen Problemstellungen mitarbeiten wollen, dürfen sich den Teams anschließen, die bis dato noch weniger als fünf Personen umfassen.
Im Team zusammengefunden, geht es im ersten Schritt darum, gemeinsam ein konkretes Bild zu entwickeln, was nach der durchgeführten Aktion anders sein soll: Jedes Lernteam entwickelt eine eigene Vision, die einen idealen Zielzustand beschreibt. Ein Beispiel aus einem Projektlernkurs zum Thema Nachhaltigkeit: Alle Schülerinnen und Schüler trennen ihren Müll korrekt in der Schule. Für die weitere Arbeit im Lernteam dient die Vision als Nordstern für die Gruppe, an der sie sich immer wieder orientieren können und sehen, ob sie mit den aktuellen Lernschritten ihrer Vision ein Stück näher kommen.
Initiale Lernliste (Backlog) zusammenstellen
Nach erfolgreichem Zusammenfinden der Lernteams, bitten wir die Gruppen, sich an jeweils einen Gruppentisch zu setzen, um sich einen Überblick zur Lernliste, den Lernschritten und Akzeptanzkriterien zu verschaffen. Die nachfolgende Aufgabe an die Lernteams lautet:
- Sichtet alle vorgegebenen Lernschritte, übertragt sie vom Erkundungsauftrag auf Post-its und ergänzt mögliche eigene Lernschritte, die für die Erstellung des Lernproduktes fehlen.
- Ordnet anschließend alle Lernschritte der Wichtigkeit nach in einer Reihenfolge für die Bearbeitung, sodass klar ersichtlich ist, mit welchem Lernschritt das Team starten wird.
Lerntafel im Lernteam erstellen
Die Erstellung der eigenen Lerntafel (Taskboard) ist in der Regel einer der Höhepunkte der Einführungsstunde. Die Lernteams nutzen die Lerntafel, um die eigene Arbeit an dem Lernprodukt zu organisieren. Mit einem Blick auf die Tafel des jeweiligen Lernteams sieht der Lerncoach sofort, woran das jeweilige Team aktuell arbeitet.
Für die Erstellung der Lerntafel benötigt man ein Flipchart-Blatt im Querformat, einige Marker und kleine Post-its. Die Inhalte und die Anordnung der verschiedenen Elemente auf der Lerntafel sind abhängig von den spezifischen Anforderungen der Lernsequenz. In der Regel zeichnen wir für die Einführungsstunde eine Lerntafel vor, die die Lernteams abzeichnen und individualisieren.

Beispielhafte Lerntafel für ein Lernteam. Lernteilschritte können, müssen aber nicht auf der Lerntafel abgebildet werden.
Auf der hier dargestellten Lerntafel stehen oben rechts die Namen der Lernteam-Mitglieder.
Oben links ist Platz, um entweder die Lernziele oder die Problemstellung und Vision für das Lernprodukt zu notieren (vergleiche Box “Problemstellung & Vision”).
In der priorisierten Lernliste werden die Lernschritte darunter der Priorität nach geordnet abgelegt. Die Akzeptanzkriterien stehen häufig auf der Rückseite der Karten. So kann das Lernteam schnell überprüfen, ob der Lernschritt bereits abgeschlossen werden kann.
Der größte Teil ist für eine Tabelle reserviert, auf der das Lernteam die Lern- und Lernteilschritte darstellt, an denen es aktuell arbeitet. In die Spalte auf der linken Seite werden alle Lernschritte (User Stories) gezogen, die ein Lernteam im kommenden Sprint fertigstellen möchte. Die Spalte daneben mit Lernteilschritten (Tasks) ist optional. Jeder Lernschritt kann noch einmal in kleine Unteraufgaben unterteilt werden, die zur Fertigstellung des Schrittes nötig sind. Dies bietet sich vor allem bei längeren Sprintzyklen und komplexeren Lernschritten an.
Um sich beim nächsten Treffen des Lernteams noch daran zu erinnern, wer an einer Aufgabe arbeiten wollte, notieren die Lernenden in der Regel ihren Namen auf den Lern- und Lernteilschritten.
In der Spalte In Arbeit hängen alle Lernschritte oder bei der Verwendung von Lernteilschritten alle Lernteilschritte, an denen das Lernteam aktuell arbeitet. Ziel ist es, dass alle Karten am Ende des Sprints in der Spalte Fertig hängen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das visuelle Management für Schülerinnen und Schüler auch schon ab einem sehr jungen Alter sehr eingängig ist. Wir hören häufig Aussagen wie: „Das ist ja wie eine To-Do-Liste, nur organisierter“.
Am einfachsten ist es, die Lerntafel analog auf einem Flipchart darzustellen. Nach der Unterrichtsstunde sammelt die oder der Lehrende die Flipcharts ein und bringt diese zur nächsten Stunde wieder mit, sofern sie nicht im Klassenraum verbleiben können. Für den Fall, dass die Lernteams nicht häufig real zusammenkommen und virtuell arbeiten (beispielsweise aufgrund von Remote- und Homeschooling), kann auch mit einer digitalen Lerntafel gearbeitet werden. Wir haben gute Erfahrungen mit padlet, Planner (Office 365) und Trello gemacht.
Wahl der Strukturhelden und Strukturheldinnen
Bevor der erste Sprint starten kann, muss jedes Lernteam noch eine Strukturheldin oder einen Strukturhelden (Scrum Master) aus seiner Mitte wählen. Seine bzw. ihre Aufgabe ist – wie der Name bereits sagt – für Struktur in den Treffen und für die Einhaltung der Zeiten zu sorgen. Er oder sie tut alles in seiner bzw. ihrer Kraft stehende, damit das Lernteam optimal arbeiten kann. Er oder sie sorgt dafür, dass die Lerntafel zu Unterrichtsbeginn mit ausreichend Post-its zur Verfügung steht. Falls Probleme oder Herausforderungen auftreten, die ein Strukturheld oder eine Strukturheldin nicht lösen kann, spricht er oder sie den Lerncoach an, um gemeinsam eine Lösung zu finden.
Da die Strukturierungstätigkeiten nicht die volle Zeit beanspruchen, arbeitet der bzw. die Strukturheld/in wie jedes andere Lernteam-Mitglied an den Lernschritten mit.
Es bietet sich an, dass die Strukturhelden bzw. Struktur-heldinnen ihre Rolle für mindestens drei Sprints ausüben, damit eine gewisse Regelmäßigkeit entsteht und sie eine Routine entwickeln können. Danach kann sich auch eine andere Person in der Rolle üben.
Zusammenfassung Scrum-Einführungsstunde
Schritt 3 beschreibt in aller Gänze, wie man Scrum initial in einer Klasse einführen kann. Wählen Sie hieraus die für Ihre Klasse passenden Maßnahmen aus. Idealerweise arbeiten die Lernteams zum Ende der Einführung bereits an dem ersten Lernschritt. Nachfolgend fasse ich noch einmal zusammen, welche Aspekte in der Einführungsstunde nicht fehlen dürfen:
- Überblick über Scrum inklusive der Rollen und Treffen
- Vorstellung der Lernziel(e), des Lernproduktes & der Rahmenbedingungen
- Bilden der Lernteams
- Erstellen einer initialen Lernliste und Lerntafel
- Auswahl der Strukturhelden und -heldinnen
Schritt 4: Start des Sprints
Wie bereits in Schritt 3 erwähnt, empfiehlt es sich, dass die Schülerinnen und Schüler in der Einführungsstunde nicht nur Scrum kennenlernen und die Lernteams bilden, sondern zumindest mit einem ersten kleineren Lernschritt beginnen. So können sie die Theorie über Scrum sofort in die Praxis umsetzen und mit der Planung beginnen.
Ablauf Planung
Ziel der Planung ist es, gemeinsam herauszufinden und zu definieren, was ein Lernteam im nächsten Sprint machen und fertigstellen möchte. Hierzu gehen die Teammitglieder gemeinsam die vorhandenen Lernschritte durch, die in der Lernliste ganz oben stehen. Sie sichten die Akzeptanzkriterien und fügen möglicherweise noch weitere hinzu.
Falls der Lerncoach einen Großteil der Lernschritte für einen Sprint vordefiniert hat, können sie auch im ersten Schritt gemeinsam mit allen Lernteams die Lernschritte gemeinsam besprechen. Danach treffen sich die Schülerinnen und Schüler in den Lernteams, und diskutieren gemeinsam, wie sie die jeweiligen Lernschritte umsetzen. Sofern die Teams mit Lernteilschritten arbeiten, werden diese gemeinsam im Team erstellt und auf Post-its geschrieben. Die Planung endet mit der gemeinsamen Selbstverpflichtung, dass die jeweiligen Lernteam-Mitglieder alles daran setzen werde, die ausgewählten Lernschritte fertigzustellen.
Die Größe einzelner Lernschritte bewerten
Für den Fall, dass ein Lernschritt für die Fertigstellung in einem Sprint zu groß ist, wird er vom Lernteam in zwei oder mehrere Teile aufgeteilt bzw. „zerschnitten“. Ein Teil wird in diesem Sprint fertiggestellt, der zweite im folgenden Sprint bearbeitet. Dementsprechend werden die Lernschritte beispielsweise mit Teil 1 und Teil 2 gekennzeichnet. Die Akzeptanzkriterien machen deutlich, welche Inhalte der jeweilige Teil der Lernschritte beinhaltet.
Die Dauer der Planung ist abhängig von der Sprintlänge. Je länger ein Sprint andauert, umso ausführlicher müssen die Schülerinnen und Schüler planen, was sie in einem Sprint erreichen wollen. Für einen einwöchigen Sprint mit einer Doppel- und einer Einzelstunde versuchen wir, dass die Planung nicht länger als 15 Minuten dauert. Die initiale Planung, in denen sich die Lernteams einen Überblick über alle Lernschritte verschaffen, darf allerdings etwas umfassender ausfallen.
Ein Hinweis: Wir neigen dazu, uns zu überschätzen. Der Lerncoach ermutigt deshalb die Teams, sich in der Planung nicht zu viel vorzunehmen und lieber erst einmal eine Sache abzuschließen, bevor mit der nächsten gestartet wird. Falls ein Team im Sprint bereits alle Lernschritte abgeschlossen hat, kann es den nächsten Lernschritt aus der Lernliste ziehen.
Um einen zusätzlichen Faktor in die Planung einzuführen, kann die Größe der einzelnen Lernschritte im Lernteam geschätzt werden. Die Frage an das Lernteam ist dabei: Benötigen wir für die Fertigstellung des Lernschrittes länger oder können wir den Lernschritt eher schneller abschließen?
In der Regel reicht für die Schätzung die einfache Größe, ob das Lernteam den jeweiligen Lernschritt innerhalb von einem Sprint umsetzen kann. Wenn dies nicht der Fall ist, muss das Lernteam den jeweiligen Lernschritt zerteilen. Um im Blick zu behalten, ob das Team in den noch zur Verfügung stehenden Stunden alle Lernschritte abschließen kann, können die noch nicht abgeschlossenen Lernschritte einmal über den Zeitplan gelegt werden.
Für noch mehr Genauigkeit eignet sich das Heranziehen spezieller Methoden, nach der die Teams die Größe entweder mit Poker-Karten oder mit einer Zahlenleiste gemeinsam bewerten.
Diese Methoden benötigen aber in der Regel viel Zeit und wir wenden sie erst bei Lernteams an, die mit den Grundaspekten von Scrum bereits vertraut sind.
Schritt 5: Begleitung während des Sprints
Aus der Erfahrung heraus, braucht es zwei bis drei Sprints, bis sich das Scrum-Vorgehen bei den Lernteams etabliert hat. Deshalb bietet es sich zum Start einer jeweiligen Stunde an, die Schülerinnen und Schüler noch einmal kurz abzuholen:
„In der vergangenen Stunde habt ihr in der Planung in den Lernteams gemeinsam festgelegt, welche Lernschritte ihr bis zum Ende dieser Stunde fertigstellen wolltet. Zum Anfang dieser Stunde setzt ihr euch in euren Lernteams zu einer kurzen Teamsynchronisation zusammen und aktualisiert eure Lerntafel. Alle Dinge, die bereits fertig sind, werden in die entsprechende Spalte gezogen und ihr besprecht kurz gemeinsam, wie ihr euch aufteilt, um die restlichen Aufgaben bis zum Ende der Stunde fertig zu bekommen. Denkt bitte daran: 15 Minuten vor Ende der Stunde kommen wir alle zusammen und stellen uns gegenseitig die bis dahin fertigen Ergebnisse vor.“
Teamsynchronisation
Wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, ist die Teamsynchronisation zur Koordination gedacht. Die Strukturhelden bzw. -heldinnen organisieren die Lerntafel und achten auf die Zeit. Dann geht das Team die Lerntafel strukturiert durch. Dabei helfen die folgenden drei Leitfragen:
- Was haben wir bereits geschafft?
- Was nehmen wir uns für heute vor?
- Wo gibt es Probleme?
Die Teamsynchronisation sollte nicht länger als fünf Minuten in Anspruch nehmen und findet nur statt, wenn zwischen Planung und Feedback-Runde mehrere Stunden liegen.
Falls ein Lernteam bereits alle Lernschritte, die es sich für einen Sprint vorgenommen hat, abgeschlossen hat, startet es mit den nächsten Lernschritten aus der Lernliste.
Die Rolle des Lerncoaches während des Sprints
Während des Sprints hat man als Lerncoach eine Aufgabe: Die einzelnen Lernteams bestmöglich und individuell bei den Lernschritten zu unterstützen. Die Erfahrung zeigt:
- Es gibt immer circa ein Drittel der Teams, das die Aufgabenstellung schnell versteht und gut voran-kommt. Bei diesen Teams geht der Lerncoach in der Stunde kurz vorbei und gibt ggf. noch ein paar Hinweise, die die Schülerinnen und Schüler heraus-fordern, noch etwas tiefer in einzelne Aspekte einzusteigen.
- Ein weiteres Drittel der Teams benötigt gerade zu Beginn bei der eigenen Organisation etwas Starthilfe. Diesen Teams sollte der Lerncoach etwas Zeit widmen, damit die Kinder und Jugendlichen gut ins Arbeiten kommen.
- Das letzte Drittel der Teams braucht meistens etwas mehr Aufmerksamkeit. Häufig sind es Teams, die aufgrund von Abwesenheiten einzelner Schülerinnen und Schüler nicht richtig starten konnten und/oder das Team besteht aus Schülerinnen und Schülern, die anfänglich weniger motiviert für das Thema der Lerneinheit sind. Hier hilft es, als Lerncoach noch stärker Ideen und teilweise konkrete Vorschläge einzubringen, was das Team als Nächstes tun könnte. Achten Sie aber darauf, dass Sie nach spätestens zehn Minuten zum nächsten Lernteam weitergehen.
Mit dem Fortschrittsmesser (Burn-Down-Chart) den Überblick behalten
Um schnell einen Überblick zu bekommen, woran ein Lernteam aktuell arbeitet, reicht ein Blick auf die Lerntafel. Für die Übersicht der Stunden in den unterschiedlichen Lernteams legen die Lehrenden häufig eine Excel-Liste an. Sie machen sich pro Stunde oder Sprint ein paar Notizen zu jedem Team und notieren für die kommenden Stunde, wobei sie das jeweilige Team unterstützen möchten.
Vor allem bei längeren Sprints, in denen sich ein Team mehrere Lernschritte vorgenommen hat und viele Lernteilschritte geplant hat, kann es helfen, den Fortschrittsmesser zu verwenden. Auf dem Fortschrittsmesser tragen die Lernteams nach der Planung ein, wie viele Lernschritte sie sich bis zum Ende des Sprints vorgenommen haben. Bei der Teamsynchronisation aktualisieren sie dann jeweils den Fortschritt. Ziel ist es, dass eine treppenartige Linie entsteht und innerhalb des Sprints kontinuierlich Lernteilschritte abgeschlossen werden.
Da wir mit Schülerinnen und Schüler häufig mit sehr kurzen Sprints beginnen, in denen sie sich ein oder zwei Lernschritte vornehmen, verwenden wir den Fortschrittsmesser sehr selten pro Sprint. Bei Lernsequenzen, in denen viele Lernschritte vorgegeben sind, kann man ihn allerdings sehr gut für die gesamte Lernsequenz verwenden und die Anzahl aller Lernschritte eintragen, die bis zum Ende erledigt werden müssen.

Beispielhafter Fortschrittsmesser für eine Lerneinheit mit 5 Sprints.
Schritt 6: Abschluss des Sprints
Scrum lebt von kurzen Zyklen, an deren Ende Feedback eingeholt wird. Daher ist es vollkommen in Ordnung, wenn der Lerncoach in einer Stunde nicht jedem Lernteam individuell geholfen hat.
Feedback-Runde
In der Feedback-Runde stellt jedes Lernteam kurz in der gesamten Gruppe die fertigen Ergebnisse für die jeweiligen Lernschritte vor. Die anderen Lernteams und der Lerncoach geben anschließend Feedback. Für die Vorstellung sollte kein Extraaufwand wie etwa das Erstellen einer Präsentation betrieben werden. Es reicht ein Blick in das Arbeitsdokument.
Im originalen Scrum dürfen nur fertige und funktionierende Produktinkremente vorgestellt werden. Alles andere ist unvollständig und wird dementsprechend erst am Ende des nächsten Zyklus oder bei Fertigstellung präsentiert. Bei den meisten Lernsequenzen mit Scrum verfahren wir insbesondere am Anfang nicht ganz so streng und die Schülerinnen und Schüler dürfen auch Zwischenstände vorstellen. Entscheiden Sie hier aber selbst, wie Sie es handhaben wollen – vielleicht motiviert es Ihre Schülerinnen und Schüler und steigert die Qualität.
Wichtig ist, dass sich jedes Lernteam das Feedback zu den präsentierten Ergebnissen notiert, damit sie es in der nächsten Planung berücksichtigen können. Es hilft hierfür, das Feed-back direkt auf Post-its zu notieren und es für die nächste Planung auf der Lerntafel neben dem jeweiligen Lernschritt zu parken.
Ein praktischer Tipp: In der Feedback-Runde bietet es sich an, auf analoge Hilfsmittel zurückzugreifen, da das Umstöpseln der Technik bei Präsentationen und PCs unnötige Zeit in Anspruch nimmt. Drucken Sie die fertigen Materialien stattdessen möglichst groß aus und hängen diese an eine Wand. Danach versammeln sich alle Lernteams in einem Halbkreis vor der Wand und jedes Lernteam erklärt kurz seine Ergebnisse. Falls Ausdrucke nicht möglich sind, besteht auch die Möglichkeit, Dateien in einem geteilten Ordner abzulegen und von einem zentralen PC aufzurufen.
Wir planen 2-3 Minuten Zeit pro Lernteam ein. Falls gewisse Meilensteine in einer Lernsequenz erreicht werden müssen, beispielsweise ein ausgearbeiteter Interviewfragebogen, ist durchaus auch einmal zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt eine längere Feedback-Runde denkbar. In dem Treffen stellen alle Lernteams ihre Ergebnisse ausführlich vor, bevor sie in die nächste Phase – in diesem Beispiel das Führen der Interviews – übergehen.
Rückschau
Der Wirksamkeit von Scrum liegen zwei zentrale Merkmale zugrunde: Ergebnisse werden in kurzen Iterationen erstellt, die sofort auf Feedback treffen. Zudem legen die Teams einen Fokus auf kontinuierliche Verbesserung. Letzteres wird durch die regelmäßig stattfindende Rückschau und die anschließende Reflexion sichergestellt. Hierzu trifft sich jedes Lernteam nach der Feedback-Runde erneut. Moderiert von dem Strukturhelden bzw. der Strukturheldin und ausgestattet mit zwei verschiedenfarbigen Post-its, besteht die Rückschau aus drei kurzen Phasen:
- Im ersten Schritt bittet der Strukturheld bzw. die Strukturheldin jedes Lernteammitglied, jeweils zwei bis drei konkrete Dinge auf einem Post-it zu notieren, die aktuell gut im Lernteam funktionieren. Hierzu haben die Teammitglieder 1-2 Minuten Zeit. Anschließend stellt jedes Teammitglied seine Punkte vor. Beispiels-weise „die Stimmung ist gut“, „wir reden viel miteinander – das hilft“ oder „Es ist großartig, dass uns Paul immer mit Nervennahrung/Studentenfutter versorgt“.
- Im Anschluss fragt der Strukturheld bzw. die Struktur-heldin danach, welche Dinge aktuell noch nicht gut funktionieren und bittet die Teammitglieder, diese auf die Post-its in der anderen Farbe zu notieren. Die Punkte werden ebenfalls kurz vorgestellt.
- Im letzten Schritt bittet der Strukturheld bzw. die Strukturheldin die Teammitglieder, den für sie störendsten Aspekt auszuwählen. Häufig erkennt man ihn daran, dass mehrere Teammitglieder denselben Punkt notiert haben. Die Teammitglieder nehmen sich abschließend 3-4-Minuten und diskutieren, was sie im kommenden Sprint konkret unternehmen können, um die Situation zu verbessern. Die konkreten Maßnahmen notieren sie ebenfalls auf Post-its und hängen sie in die Spalte “In Arbeit” auf der Lerntafel. Dann werden sie bei der nächsten Planung oder Teamsynchronisation gleich daran erinnert.
Sofern es die Zeitplanung erlaubt, kann der Lerncoach sich im Anschluss auch noch einmal mit allen Strukturhelden bzw. -heldinnen zusammensetzen und besprechen, ob es übergreifende Herausforderungen gibt, die er oder sie lösen muss. Falls dafür keine Zeit zur Verfügung steht, kann der Lerncoach die Strukturhelden bzw. -heldinnen in der darauffolgenden Stunde möglicherweise während der Teamarbeitsphase kurz zusammenbringen.
In einigen Settings, gerade wenn die Arbeitsphase sehr lange dauert, haben wir festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler sich nach der Feedback-Runde nicht mehr recht auf die Rückschau konzentrieren können. Als Intervention starten wir die Rückschau immer zu Beginn der nächsten Stunde vor der Planung. Der große Vorteil dabei ist, dass Schülerinnen und Schüler konzentriert und fokussiert sind. Der Nachteil: Aspekte, die im vergangenen Sprint nicht gut funktioniert haben, waren bereits wieder vergessen.
Zusammenfassung
Das Beispiel des richtigen Zeitpunktes zeigt: Es gibt bei der Durchführung einer Lerneinheit mit Scrum kein Richtig und kein Falsch. Als Lehrender müssen Sie die Methodik auf Ihre Bedürfnisse nach bestem Wissen und Gewissen anpassen. Und auch, wenn Sie alles vorausgeplant haben, werden Sie möglicherweise durch die Lernenden das Feedback bekommen, dass diese einzelne Lernschritte nicht verstehen oder das, was Sie sich vorstellen, in den gegebenen Unterrichtsstunden einfach nicht funktioniert. Dann sind Sie gefragt, nach möglichen Lösungen zu suchen. Einzelne Lernschritte fallen ggf. weg oder Sie finden eine Möglichkeit, eines der Treffen anders zu organisieren, damit es in den knappen Zeitplan passt.
Falls Sie vor oder während der Anwendung von Scrum im Schulunterricht konkrete Fragen haben, sprechen Sie uns von borisgloger consulting gerne an. Wir unterstützen Lehrerinnen und Lehrer pro bono dabei, Scrum als Unterrichtsmethode zu nutzen.
Und zu guter Letzt wünschen wir Ihnen viel Erfolg und auch Spaß dabei, Ihren Unterricht und das Lernen selbst-organisierter zu gestalten. Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen Lehrenden – denn nur so können wir Lernen und unser Bildungssystem nachhaltig verändern.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Scrum in die Schule”. Verfasst von 17 Expertinnen von innerhalb und außerhalb der Schule, gibt dir das Buch konkrete Informationen zum Einsatz der agilen Methode Scrum im Unterricht. Der Ablauf, die Regeln,
die Rollen und die Durchführung werden theoretisch
wie praktisch beschrieben und anschaulich erklärt.
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