Sonja Senftleben – Juni 2020
Aufgrund des eingeschränkten Präsenzunterrichts finden aktuell anstelle der klassischen Unterrichtsbesuche sogenannte “Fachgespräche” über Unterricht ohne Schüler*innen statt, in denen Referendar*innen ihren geplanten oder bereits durchgeführten Unterricht auf Grundlage eines Unterrichtsentwurfs vorstellen.
In meinem Seminar werden dabei zwei Möglichkeiten genutzt:
1. Fachgespräch mit Simulationsanteilen
2. Einblick in real gehaltene online-gestützte Lerneinheit in Form eines Fachgesprächs (Lernen auf Distanz)
Beide Formate erleben alle Beteiligten als gewinnbringend. Anders als der klassische Unterrichtsbesuch, fokussieren sie jedoch besonders die Planungs- und Präsentationskompetenz. Inzwischen durfte ich verschiedene, sehr unterschiedliche Fachgespräche erleben und fasse diese Erfahrungen hier als Hinweise für Referendar*innen zusammen.
10 Tipps fürs Fachgespräch
1. Trage frei vor!
- Von angehenden Lehrer*innen wird erwartet, dass sie frei vor einer Gruppe sprechen können. Daher solltest du auf ein ausformuliertes Skript verzichten. Besser eignen sich, wie auch im Unterricht, Karteikarten mit kurzen Stichpunkten.
- Deine Präsentation dient der Veranschaulichung und ist keine Krücke, die dir durch deinen Vortrag hilft. Also verzichte auf “begleitetes Lesen”.
2. Du präsentierst!
- Ob PowerPoint, Prezi oder eine andere digitale Präsentation – jede Variante lenkt die Blicke des Publikums auf die Projektionsfläche. Wer sich als Vortragende*r ebenfalls Richtung Monitor wendet, verliert den Kontakt zu seinem Publikum. Damit fehlt eine wichtige nonverbale Informationsquelle darüber, wie das Gesprochene wirkt. Diese Erfahrung machen Lehrer*innen auch im Unterricht, wenn sie der Lerngruppe den Rücken zuwenden. Also bitte: Blick ins Publikum! Halte Kontakt! Wer Blickkontakt mit den Zuhörerenden hält, wirkt überzeugend und selbstsicher. Zudem kennst du deine Präsentation bereits und hast sie zumeist auch auf dem Tablet oder Laptop direkt vor dir.
3. Antizipiere gründlich und realistisch!
- Reaktionen und Antworten der Lernenden abzuschätzen, ist bei der Planung jeder Unterrichtsstunde ein wesentlicher Erfolgsbaustein. Daher ist bei der Präsentation einer theoretischen Unterrichtsstunde die Vorstellung der antizipierten Schüler*innen Antworten unverzichtbar. Denk dabei an deine ganze Lerngruppe! Hast du nur Bilderbuchschüler*innen in der Klasse? Bestimmt nicht. Lerngruppen sind heterogen und so gibt es immer Lernende, die aus deiner Sicht unerwartet oder unpassend reagieren oder fehlerhafte Antworten formulieren. Erläutere also, wann und wie du auf so etwas adäquat reagieren könntest. Eine detaillierte, realistische Antizipation demonstriert deine Planungskompetenz. Besonders authentisch ist es, wenn du das Lern-/Sozialverhalten einzelner Schüler*innen und deine Reaktion exemplarisch simulierst.
4. Denk an Gelenkstellen!
- Einzelne Unterrichtsphasen schlüssig und flüssig miteinander zu verbinden, erfordert besonderes Geschick der Lehrkraft. Demonstriere deine Planungskompetenz, indem du ausformulierst wie du z. B. sprachlich von einer Phase in die folgende überleitest.
5. Mach dein Classroom-Management sichtbar!
- Beschreibe die vorbereitete Lernumgebung und dein Classroom-Management. Vielleicht hast du Fotos vom Klassenraum, auf denen die Sitzordnung oder die Gestaltung der Lernumgebung sichtbar ist. Bring Material mit, das du zum Classroom-Management einsetzt!
6. Präsentiere dein Handeln als Lehrkraft!
- Wenn du im Präsenzunterricht die Sozialform wechselst oder einfach nur Material verteilst, ist dein Lehrerhandeln offensichtlich. Bei der theoretischen Unterrichtsstunde müssen diese Informationen explizit dargestellt werden. Solche Unterrichtsphasen kannst du in deinem Vortrag berücksichtigen, indem du ausgewählte Handlungsmuster vorstellst. So vermittelst du eine nachvollziehbar “runde” Organisation des Unterrichtes. Überzeugend wirkt es, wenn du auch deine Entscheidungen zur Raumregie darstellst und begründest.
7. Zeig, was du einsetzt!
- Alles Material, das in der Stunde eingesetzt werden soll, muss auch im Fachgespräch vorgestellt werden. Die Anwesenden wollen sich schließlich einen Eindruck davon verschaffen, mit welchen Materialien die Schüler*innen arbeiten. Selbst wenn du kleine Gadgets, etwa für den Unterrichtseinstieg nutzt, ist es ein toller Effekt, wenn du diese vorzeigen kannst.
8. Nimm die Aufgaben unter die Lupe!
- Wenn die Interaktion mit Schüler*innen fehlt, rückt das, was da ist, ins Zentrum. Dazu gehört die Steuerung des Lernprozesses durch Aufgabenstellungen. Es lohnt sich, wenn du der Aufgabenformulierung, ob mündlich oder schriftlich, bei der Planung der Unterrichtsstunde besondere Aufmerksamkeit schenkst und deine Reflexionen im Vortrag erläuterst.
9. Fokussiere ausgewählte Aspekte!
- Für die Vorstellung einer online gehaltenen Lerneinheit steht dir nur eine kurze Zeit (ca. 20- 25 Minuten) zur Verfügung. Fokussiere dich bei der Präsentation also auf wenige Lernziele und stellen die Schritte dorthin umso genauer dar. Die Präsentation und das anschließende Fachgespräch sind gewinnbringender, umso präziser der Lernweg dargestellt wird. Wenn möglich, gib den Anwesenden doch die Möglichkeit einen Teil deines online gestützten Lernwegs selbst zu erleben. Begründe an diesem Beispiel z. B. die Gestaltung von Aufgabenstellung, Material und Methoden genau. Natürlich solltest du auch kurz skizzieren, wie der präsentierte Ausschnitt in die gesamte Lerneinheit eingebunden ist. Das entspricht etwa der Vorstellung der Reihenplanung im klassischen Unterrichtsentwurf.
10. Extra-Tipp: Verlasse den Unterricht!
- Im Fachgespräch lassen sich auch außerunterrichtliche Aspekt des Lehrerhandelns thematisieren. Das kann z. B. die Konzeption einer Lernerfolgskontrolle, die Korrektur, das Feedback oder die Gestaltung eines Beratungs-/Elterngesprächs sein. Sprich deine Ideen mit deiner/deinem Fachleiter*in ab!

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybridunterricht 101” – ein Gemeinschaftswerk von 33 Autor:innen, das zeigt, wie Hybridunterricht in modernen Unterrichtskonzepten umgesetzt werden kann. Es geht dabei nicht nur um die Digitalisierung sondern auch um soziale Aspekte, die für hybrides Lernen wichtig sind.
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