Christel Beck-Zangenberg – Juni 2020
Was meinst du selbst? Was ist deine Antwort darauf? Wie bleibst DU glücklich und gesund im Lehrberuf? Ich lade dich ein, ein paar Minuten innezuhalten und deine Ideen festzuhalten. Wenn du magst, mache dir ein paar Notizen.
Wie den meisten Menschen ist auch mir natürlich klar, dass uns niemand Gesundheit und Glück garantieren kann. Eine Binsenweisheit… Auch hat jeder Mensch eine eigene Vorstellung von Lebensglück. Gleichwohl gibt es aber auch in Zeiten hoher Arbeitsdichte und anspruchsvoller Lebenszusammenhänge Möglichkeiten gut für sich selbst zu sorgen, sich selbst bewusst zu leiten.
Klingt abgehoben… und was heißt das jetzt konkret?
Selbstleitung oder Selbstführung heißt nicht, dass mir nichts zustoßen kann, oder dass das Leben keine Brüche oder Krisen kennt. Vielmehr geht es darum, wie ich mit diesen Krisen und Brüchen umgehe und wie ich persönlich durch sie wachsen kann. Ich werde mir im Klaren über meine Emotionen und erfahre, was mich z.B. wütend werden lässt. Ich lerne, was mir gut oder nicht guttut. Ich agiere verantwortlich als erwachsene Person. Immer besser erkenne ich negative Glaubenssätze („Ich bin Opfer, ich bin schwach, etc.“) und gehe zunehmend konstruktiv mit ihnen um. Sie hemmen mich nicht mehr, sondern spornen mich vielmehr an, sie zu bewältigen oder ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Ich suche mir Unterstützung, falls nötig. So kann ich in Krisen und schwierigen Situationen nicht nur gut bei mir, sondern auch bei anderen bleiben und bewahre meine Handlungsfähigkeit. Ja, die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit erfordert Einsatz, ist „Arbeit“ und kennt Rückschläge. Ganz wichtig ist daher auch das Dranbleiben. Also nicht nachlassen, wenn es anstrengend wird!
Und was hab‘ ich davon?
Wer sich selbst gut leitet, bleibt gerade in turbulenten Zeiten gelassen und handlungsfähig. Das gilt grundsätzlich und auch für den Schulalltag in Zeiten von Covid-19. Tatsache ist: Die besondere Situation derzeit in der Schule, der hybride Unterricht und …………. (Platzhalter für alles, was dich stresst) fordern dir gerade viel ab. Vielleicht bist du überzeugt, dass du keine Zeit hast, dich mit dem Thema Selbstleitung zu beschäftigen.
Meine Antwort auf die Eingangsfrage „Glücklich und gesund im Lehrberuf: Geht das?!“ JA! Ich habe eine kleine Auswahl an Übungen und Impulsen zusammengestellt, die dich dabei unterstützen können. Fange mit der Übung an, die dich anspricht. Probiere sie aus, bleib‘ am Ball und erfahre im Laufe der Zeit immer mehr über dich!
ICH HALTE INNE!
Wir leben in einer komplexen Gesellschaft. Von einem Moment zum anderen kann alles anders sein. Mitte März 2020 war innerhalb von wenigen Tagen nichts mehr so, wie wir es gewohnt und für selbstverständlich genommen haben. Die Schulen waren plötzlich geschlossen, die Kinder blieben zu Hause. Jede(r) von uns hat eine eigene Erinnerung an diese Tage und Wochen. Wir waren zum Innehalten gezwungen.
Innehalten kann jede(r) von uns auch aus eigenem Antrieb. Wenn wir viel zu tun haben – beruflich und privat – sind regelmäßige Pausen wichtig.
• Nimm dir Zeit für dich und mache regelmäßig Pausen.
• Plane bewusst Pausen in deinen Tagesablauf ein.
Innehalten:
Setz dich bequem auf einen Stuhl. Wenn du magst, schließ deine Augen. Atme ruhig ein und aus.
ICH ATME!
Atem ist Leben! Gesteuert vom Atemzentrum atmen wir unser Leben lang automatisch ein und aus. Die Atmung ist eine autonome Grundfunktion unseres Körpers. Angst, Wut oder Stress nehmen Einfluss auf unsere Atmung. Wir werden kurzatmig, uns „geht die Puste aus“. Gleichwohl können wir Einfluss auf das Atemzentrum nehmen. Atemübungen lassen uns ruhig und gelassen werden, lassen uns wieder Atem holen und lehren uns, einen langen Atem zu behalten.
Entspannung (10-15 Minuten):
Übe das tiefe Atmen in den Bauchraum im Sitzen oder Liegen. Deine Hände liegen auf dem Bauch. Atme gleichmäßig ein und aus. Du spürst, wie sich dein Bauch hebt und senkt.
Abbau von Stress (10-15 Minuten):
Vollständig einatmen und dabei in Gedanken bis 1-2-3-4 zählen, die Luft halten 1-2-3-4, Ausatmen 1-2-3-4.
ICH SPRECHE MIT MIR SELBST!
Klingt komisch? Du musst ja nicht laut sprechen ;-)) Immerhin bist Du nicht die einzige Person, die wichtige Gespräche mit und zu sich selbst geführt hat: Denker wie Marcus Aurelius und Augustinus zum Beispiel haben dies schon vor Hunderten von Jahren getan. Im Gespräch mit dir kannst du nach dir selbst lauschen und positiv auf dich und dein Denken, Fühlen und Handeln einwirken:
Beispiel Positive Glaubenssätze leise sagen oder denken:
„Ich kann es!“ „Ich bin gut auf die Prüfung vorbereitet!“
RAUS AUS DEM GEDANKENKARUSSELL!
Manchmal handeln wir wie im Autopilot oder unsere Gedanken kreisen in Dauerschleife immer um ein und dasselbe Problem. Mit dieser Übung unterbrichst du den Kreislauf und fokussierst im Hier und Jetzt.
STOP:
S –> Stop -> Halte inne.
T – > Take a breath -> Nimm einen tiefen Atemzug.
O –> Observe -> Beobachte dich. Was denkst du? Was spürst du? Nimm alles wahr. Bewerte nichts.
P –> Proceed -> Mache weiter. Entscheide, ob du so weitermachen willst, wie VOR der Übung oder ob du einen anderen Weg nimmst.
ICH BEACHTE DIE SIGNALE MEINES KÖRPERS!
Wie fühlst du dich? Beobachte und spüre. So findest du z.B. heraus, zu welcher Tageszeit du am fittesten bist. Nimm die Signale deines Körpers wahr und beachte sie! Vielleicht spürst du Kopfschmerzen oder Verspannungen im Rücken, wenn du lange am Computer sitzt oder stellst fest, dass du dir nach 23 Uhr nur noch wenig merken kannst…
• Ausreichend schlafen.
• Gesund und ausgewogen essen.
• Bildschirmpausen einrichten.
• Bewegung und Sport in den Alltag integrieren.
• ………………………………………………………. -> Du allein weißt am besten, was dir guttut!
ICH REFLEKTIERE!
Selbstreflexion ist die Beobachtung und oft auch Bewertung unseres Tuns, unserer Gefühle und Gedanken. Möglich ist eine mündliche oder schriftliche Reflexion. Der Vorteil des Schreibens liegt auf der Hand. Du kannst immer wieder darauf zugreifen und deine Entwicklung – zum Beispiel als Lehrerin oder Lehrer – begleiten.
Reflektiere dein Lernen und Erleben und schreibe deine Gedanken dazu auf!
Im Englischen heißt das z.B. „reflective diary“ oder „reflective journal“. Es hilft dir, deine Gedanken zu strukturieren und zu analysieren.
Variante: Free Writing oder Six-Minute-Write: Timer stellen, hinsetzen und schreiben. Ohne Pause.
… UND JETZT BIST DU DRAN!
Jetzt heißt es dranbleiben, reflektieren und trainieren. Freilich macht die Entwicklung unserer Persönlichkeit Arbeit und mitunter wenig Spaß … Lehrerinnen und Lehrer, die sich selbst souverän reflektieren und leiten, können die Kinder und Jugendlichen in ihren Klassen und Kursen – ob im Präsenzunterricht oder online – in die Kunst der Selbstleitung einführen und sie dabei unterstützen, Autonomie zu entwickeln. Bewusste Selbstleitung kann Dauerbelastung und Überforderung verhindern. So stärken wir unsere Resilienz und die der jungen Generation!

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybridunterricht 101” – ein Gemeinschaftswerk von 33 Autor:innen, das zeigt, wie Hybridunterricht in modernen Unterrichtskonzepten umgesetzt werden kann. Es geht dabei nicht nur um die Digitalisierung sondern auch um soziale Aspekte, die für hybrides Lernen wichtig sind.
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