Klaus Oehmann und Dr. Patrick Blumschein – Juni 2020
Ein Plädoyer für eine <echte> Lernkultur
Lernaufgaben sind der Schlüssel zum Lernkulturwandel in den Schulen.
Der neuseeländische Bildungsforscher J. Hattie (2014) stellte in einer weltweit beachteten Studie fest, dass bezogen auf institutionalisierte Lernprozesse in Bildungseinrichtungen, der Lehrkraft eine wichtige Rolle und Bedeutung zuteil kommt. <Auf die Lehrkraft kommt es an>, so lautet eine seiner Kernbotschaften. Dies ist auch gar nicht verwunderlich, denn lernen geschieht vom <Du zum Ich> (vgl. Buber 2008). Dieses Verständnis wird insbesondere in der <Meisterlehre> deutlich (vgl. Collins et al 1989). Das <Du> muss nicht immer die Lehrperson sein, wie beim Ansatz des <Lernen durch Lehren>. Lernen ist in unserem Verständnis, Teil eines sozialen Prozesses und daher braucht es auch im Hybridunterricht den Austausch mit anderen Menschen. Insofern kommt es eben nicht allein auf die Lehrkraft an, sondern auch auf die Mitlernenden. In einer Untersuchung von H. W. Marsh (1987) wird diese Wirkung mit dem Effekt <big-fish-little-pond> herausgestellt. Die Leistungen eines z. B. eher leistungsschwachen Schülers fallen in einem eher leistungsschwachen Umfeld besser auf, als wenn der Schüler mit zumeist Hochbegabten zusammen in der Klasse wäre. Das <Auffallen> hat eine positive Wirkung auf sein Selbstkonzept und somit stellen die Mitschüler*innen einen weiteren ganz wesentlichen Faktor für gelingende Lern- und Entwicklungsprozesse bei der Bearbeitung von Lernaufgaben dar.
Eine gute Lehrkraft alleine reicht also nicht aus – ähnlich, wie eine Schwalbe alleine noch keinen Frühling bringt. Seit vielen Jahren befassen wir uns damit, wie Lernen in schulischen Kontexten stattfindet und untersuchen, wie das funktioniert. Ein vielfach zu wenig bzw. nicht beachteter Faktor ist unseres Erachtens die Erstellung und Anwendung von Lernaufgaben im Schulunterricht. In Zeiten der durch Corona verursachten Pandemie kommt dies ganz deutlich zum Vorschein. So klagen Lernende und Eltern über das monotone und stupide Abarbeiten von Arbeitsblättern und bemängeln die fehlende Begleitung. Statt im Präsenzunterricht langweilen sich die Schüler*innen nun zu Hause und die Eltern bekommen jetzt direkt den ganzen Frust konkret mit. Dies zeigt uns, dass in der Ausbildung der Lehrpersonen die Aufgabendidaktik einen größeren Stellenwert erhalten sollte. Aus diesem Grund kommt es eben nicht nur auf die Lehrperson an, sondern auch ganz wesentlich auf die Lernaufgabe. Die aktuelle Aufgabenpraxis zeigt, dass ein 1:1-Übertrag auf den Hybridunterricht so nicht möglich ist. Das Einscannen von Aufgaben ist kein digitaler Fernunterricht und an der Art der Aufgabenstellung wird schnell deutlich, welche Haltung und welches Verständnis die Lehrperson über Lehren und Lernen besitzt.
Das Dilemma vor dem viele Referendar*innen stehen, besteht nun darin, dass die selbst erlebte Unterrichts- bzw. Aufgabenpraxis in den Schulen (einschließlich Hochschulen) eher von kleinschrittigen und geschlossenen Aufgabenformaten geprägt war. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Berufsanfänger*innen auf solche Formate zurückgreifen, denn diese geben ihnen erstmal Sicherheit. Diese ist jedoch trügerisch und betrügerisch, denn sie führt zu einer Täuschung der Lernenden und der Gesellschaft. Dies klingt hart, doch leider ist es so! Mit Blick auf neue Jobs in der Arbeitswelt, wie App Developer, Cloud Service Specialist oder Blogger, bereiten wir die junge Generation gewiss nicht mit einer unzeitgemäßen Aufgabenpraxis darauf vor. Die Art, wie wir leben veränderte sich in den letzten Jahren grundlegend. Von daher ist es notwendig, im unterrichtlichen Kontext dringend darauf zu reagieren und der Hybridunterricht ist eine Reaktion darauf. In ihrer Buchveröffentlichung <21st. Century Skills> legen B. Trilling und C. Fadel (2009) mit den <Seven C> offen, welche Kompetenzen es im 21. Jahrhundert braucht, um den digitalen Veränderungen in der Arbeitswelt zu begegnen.
(1) Critical Thinking and Doing (2) Creativity (3) Collaboration (4) Cross-Cultural Understanding (5) Communication (6) Computing (7) Career & Learning Self-reliance
Wir sehen hier Parallelen zum 4-K-Modell (vgl. Caduff; Pfiffner, Sterel 2018), welches das kritische Denken, Kollaboration, Kreativität und Kommunikation als grundlegende Kompetenzen betrachtet. Gerade diese Kompetenzen bedarf es, um sozusagen in der VUCA-Welt zu bestehen. Das Akronym VUCA steht für <volatility> (Volatilität), <uncertainty> (Unsicherheit), <complexity> (Komplexität) und <ambiguity> (Mehrdeutigkeit) und kennzeichnet die Merkmale einer modernen Gesellschaft, die einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit unterliegt.
Werfen wir einen Blick in die Unterrichtspraxis, dann wird noch immer circa 75 % der Unterrichtszeit plenar genutzt. Die Lernenden können so aber nicht in dem Maße mit sinnvollen Lernaufgaben gefordert und gefördert werden, um die Herausforderungen heute und in Zukunft bewältigen zu können (vgl. Götz, Lohrmann, Ganser, Haag 2005). Die didaktisch-methodische Struktur, die dem Unterrichtsmodell der Wissensvermittlung zugrunde liegt, ist letztendlich nicht mehr zeitgemäß. Insofern stellt der Hybridunterricht eine große Chance dar, dies zu verändern und Aufgabenformate einzusetzen, die über die Reproduktion hinausgehen. Aufgaben sind nämlich mehr als ein Anhängsel des Unterrichts. Letztendlich sind sie der Motor des Lernens und damit das Herzstück einer jeden Unterrichtsplanung. Das hat zur Konsequenz, dass sich die komplette Unterrichtsstruktur nach den Lernaufgaben auszurichten hat. Dabei geht es darum, wie Sie als Lehrperson eine humane Lernumgebung schaffen, in der die Lernenden auch wirklich etwas lernen und nicht nur so tun, als ob sie etwas lernen. Die Corona-Pandemie zeigt uns doch ganz deutlich, dass kleinschrittige Aufgaben ohne Lebenszug nicht zu einem Kompetenzerwerb im Sinne der Seven C bzw. 4K beitragen, geschweige einen Beitrag zu <Bildung> leisten. Aus diesem Grund gilt es, sein Handeln als Lehrperson in regelmäßigen Abständen kritisch zu hinterfragen sowie die eingesetzten Aufgaben genauer unter die Lupe zu nehmen.
Hybrides Lernen und Lehren
Seit Corona ist alles anders – war es nicht schon immer anders?
In der letzten Zeit hat sich in der Diskussion um schulisches Lernen und das Lernen zu Hause mit sogenannten <Haus-Aufgaben> während des Corona-Shutdowns der Begriff des hybriden Lernens gefestigt. Gemeint ist damit, dass Lernen nicht nur in der Schule leibhaftig stattfindet, sondern neben den klassischen Hausaufgaben auch mit digitalen Medien außerhalb der Schule gearbeitet wird. Auch hier ist Einzelarbeit, das Arbeiten in Gruppen, zeitlich frei oder zu festen Terminen, in Videokonferenzen oder auf Lernplattformen, mit Smartphone oder Computer möglich. Insgesamt wird das Spektrum der lernräumlichen Möglichkeiten erheblich erweitert und vielseitiger. Bisher ist noch wenig erforscht, wie diese Vielfalt lernwirksam genutzt werden kann und Lehrer*innen sind noch zu wenig darauf vorbereitet. Dieser Hybridansatz ist im Grunde nicht neu, auch wenn die aktuelle Lage infolge von Corona einen deutlichen Anschub zur Popularität geleistet hat. In den 2000er Jahren wurde dieser Ansatz auch <Blended Learning> genannt (vgl. Reinmann et al. 2003). Die Fragen waren damals, auf welche Art und Weise kann ein gewisses Ziel bei gegebenen Bedingungen der Umgebung und der Beteiligten am besten realisiert werden? Wann schaue ich ein Lehrvideo an, wann bearbeite ich eine Aufgabe im Team oder alleine, wann muss ich physisch zum Lernen anwesend sein (in Schule, Universität, Betrieb) und wann arbeite ich selbst für mich. Genau diese Fragen muss ich beantworten, wenn ich eine <gute Lernumgebung> entwickeln möchte. Die Beantwortung der Fragen kann nur erfolgen, wenn das Ziel des Lernprozesses intensiv durchdacht wurde. Dazu gehört in allererster Linie eine sehr gute Kenntnis über die Lerngruppe (z. B. Vorwissen, Motivation, Lernstrategien etc.), um aufbauend von der Diagnose fundierte didaktische Entscheidungen treffen zu können. Beispielsweise werden Schüler*innen in offenen Lernumgebungen mit komplexen Problemen konfrontiert, weil das allem Anschein nach besonders erfolgversprechend ist und sie beim Problemlösen besonders viel lernen (vgl. Leutner, Klieme, Meyer, Wirth 2003; Hardy, Jonen, Möller, Stern 2006). Wir wissen jedoch, dass leistungsschwächere Schüler*innen nicht unbedingt von diesem Setting profitieren. Fehlt ihnen das notwendige Grund- bzw. Fachwissen, um das gestellte Problem verstehen zu können, dann können sie folglich auch gar nichts lernen (vgl. Bell 2007). Das ist in etwa so, wie wenn Sie einen Elefant über die Klippe stürzen und ihn auffordern zu fliegen: das kann nicht gut gehen und ist unverantwortlich zugleich. Didaktische Planung ist also nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick häufig scheint (vgl. Renkl 2013). Eine Lernumgebung kann durchaus so konzipiert werden, dass sie die individuellen Eigenschaften der Lernenden und die der Gruppe als Ganze lernförderlich aufgreift. Sie können Lernaufgaben digital über Lernmanagementsysteme, wie Moodle oder ILIAS bereitstellen und verwalten. Oder verschiedene Zugänge zu einem Lerninhalt bzw. Kompetenzfeld anbieten und automatische Hilfesysteme mit einem Avatar implementieren. Zudem können bspw. Videos, Podcasts und Quizze hilfreich sein, so dass sich jede/r Schüler*in den für sie/ihn besten Lernweg aussuchen kann oder geleitet wird – wie es erforderlich ist – und das kann auch alles selbstverantwortlich ohne eine Lehrkraft im Klassenzimmer geschehen. Der Handlungsraum für die Lehrkraft kann damit neu definiert werden und das Lehrkraftsein gewinnt eine neue Qualität. So verändert sich beim Konzept des <Flipped Classroom> die Lehrerrolle vom Wissensvermittler zum Diskutant (wb-web 2020). Ähnlich wie bei vernetzten Computerspielen, wo sich die Spieler*innen verteilt an ihren Computer gemeinsam in einer virtuellen Welt bewegen um gemeinsam eine Aufgabe zu bewältigen, so können sie dies auch im schulischen Lernen tun – warum nicht? Kollaboration funktioniert auch virtuell und bietet darüber neue Wege von Zusammenarbeit. Wir können festhalten, dass die Ideen um die Adaptivität von Lernsystemen schon Jahrzehnte alt sind, die technischen Möglichkeiten heute jedoch ein Handlungsfeld eröffnen, wie es zuvor nicht dagewesen ist.
Tipp: Lesen Sie nicht nur die zu erreichenden Kompetenzen und Inhalte des Lehrplans, sondern auch die didaktischen Anmerkungen dazu, denn diese werden zumeist nicht beachtet.
Die Lehrpläne sind recht offen formuliert und als Gestaltungsraum zu erfassen. Bei der Konzeption von Lernaufgaben für den Hybridunterricht empfehlen wir, dass die zum Einsatz kommenden Lernaufgaben einen authentischen Lernkontext bieten. Dies bedeutet auch, dass Sie Ihre Rolle als Lehrkraft als eine aktive Rolle auffassen und die Lernenden unterstützend begleiten. Mit Graus blicken wir auf Arbeitsaufgaben, bei denen Lehrkräfte ihre Schüler*innen in Einzelarbeit zu Hause alleine <versauern> lassen. Dies hat mit Hybridunterricht nichts zu tun und ist schlichtweg unprofessionell. Als Lehrkraft gilt es, mit den Lernenden in Beziehung zu treten. Das gehört zu einem guten Classroom-Management dazu, auch beim Hybridunterricht. Ziehen Sie sich also nicht in das sogenannte Lehrer*innen-Schneckenhaus zurück, sondern nutzen Sie digitale Möglichkeiten, um den Kontakt zu den Schüler*innen aktiv aufrecht zu halten. Insbesondere zu Beginn des Vorbereitungsdienstes stellt sich die Frage: Wie will ich als Lehrkraft sein? Sein oder möglicherweise eben Nichtsein? Eines sollten Sie jedoch immer sein, ein Vorbild, was auch den Einsatz von Lernaufgaben betrifft. Um Sie darin zu unterstützen, empfehlen wir Ihnen die Nutzung des “Aufgabendidaktischen Kompasses” (Oehmann, Blumschein 2019), den wir nachfolgend kurz vorstellen.
Der Aufgabendidaktische Kompass
Probleme wo man hinsieht, welch eine Freude!

Der Aufgabendidaktische Kompass ist ein Planungs- und Analyseinstrument für die Erstellung bzw. Analyse von Lernaufgaben. Unseren Erfahrungen und Beobachtungen zufolge, benötigen (angehende) Lehrkräfte ein handhabbares Werkzeug, um adressatengerechte Lernaufgaben zu konzipieren. Wir sehen uns durch die Ausführungen von S. Werneke und K. Zierer bestätigt, die darauf hinweisen, dass Lehrkräfte bei der Unterrichtsplanung sich eher weniger an didaktischen Modellen bzw. Konzepten orientieren (vgl. 2017, 14). Dies ist letztendlich bei der Aufgabenkonzeption auch gar nicht verwunderlich, denn die Stellung von Aufgaben spielt in didaktischen Modellen und Konzepten zur Unterrichtsplanung so gut wie keine Rolle. Dies halten wir für kritisch, denn im Zentrum des Hybridunterrichts sollte die Lernaufgabe stehen und der Unterricht sich um diese anordnen. In der Empfehlung der Experten*innenkommission der Friedrich-Ebert-Stiftung wird explizit darauf hingewiesen, dass “gute Aufgaben” (2020, 27) generell für den Unterricht notwendig sind und auch in besonderem Maße für den Hybridunterricht. Doch was kennzeichnet gute Aufgaben? Basierend auf unseren Erfahrungen entwickelten wir den <Aufgabendidaktischen Kompass>. Dieser besteht aus fünf Merkmalen und gibt eine Orientierung, wie Lernaufgaben konzipiert sein sollten. Damit Lernaufgaben ihre Wirkung entfalten können, brauchen diese:
- ein Problem, das neugierig macht,
- eine Situation aus dem Leben,
- eine Handlung, die einen mehrschrittigen Ablauf beinhaltet,
- Kompetenzen, die mehrdimensional angelegt sind,
- Lernende, die berücksichtigt werden und sich aktiv einbringen können.
Das Problem stellte den Orientierungspunkt für die Gestaltung einer Lernaufgabe dar. Idealerweise stammt es aus dem Alltag der Schüler*innen und motiviert diese, sich auf die Suche nach der Lösung bzw. den Lösungen zu begeben. Dies kann jedoch nur dann stattfinden, wenn es den Lernenden gelingt, einen persönlichen Bezug zum präsentierten Problem herzustellen (vgl. Jannack 2017). Die Frage: Was mache ich da und warum mache ich das, muss von den Schüler*innen positiv beantwortet werden. Finden Lernende darauf keine Antwort, dann findet auch kein Lernen statt, das nachhaltige Wirkung zeigt. Ohne Orientierung an Problemen kommt es zu einem Bulimie-Lernen, das bedeutet: die von der Lehrkraft vermittelten Inhalte werden aufgenommen und oberflächlich reproduziert, ohne diese wirklich zu verstehen. So wird träges Wissen geschaffen. Die Quote des Vergessens ist dabei sehr hoch und in der Tat, solch ein Lernen ist wirklich zum Vergessen. Dies wiederum führt dazu, dass sich die Schule letztlich ihrer Daseinsberechtigung beraubt. Hinzu kommt, dass der Druck auf die Bildungseinrichtung Schule wächst, denn Unternehmen bieten in der Zwischenzeit ganz hervorragende E-Learning-Angebote an. Infolge einer veränderten Aufgabendidaktik, die herausfordernde Problemstellungen und spannende Fragestellungen in den Mittelpunkt stellt, kann es gelingen, dass Schüler*innen wieder <Bock aufs Lernen> in Schule und Unterricht verspüren.
Das zweite Merkmal ist die Situation. Viele Lernende erleben die Schulzeit als ein in sich geschlossener Kosmos. Dieser weist fast keine Bezüge zum Alltag der Lernenden auf. Dies halten wir für unnatürlich und von daher brauchen wir uns auch nicht wundern, wenn immer mehr junge Menschen dem Unterricht fernbleiben – nicht nur freitags. Die Bewegung <Fridays-for-future> zeigt ganz deutlich, dass der Schulunterricht nicht die Situation außerhalb seines Kosmos aufnimmt und bearbeitet. Wenn die Schule weiterhin die Berechtigung als Bildungseinrichtung zugeschrieben werden soll, dann kann diese nicht weiterhin die Welt um sich herum ignorieren. Ansonsten werden die Lernenden das System Schule abschaffen. Wenn nicht jetzt, dann spätestens, wenn sie in die Position als Entscheidungsträger*innen kommen. Nichts ist auf Dauer angelegt, auch nicht ein Schulsystem, das auf Selektion und Druck ausgelegt ist. Hier und da werden ab und an kleine Korrekturen vorgenommen, jedoch bedarf es eines grundlegenden öffentlichen Diskurses in der Gesellschaft über das bestehende Schulsystem. Sobald Lernende für sich erkennen, dass Schule und Unterricht zu Lern-Lust statt Lern-Frust führt, erst dann sind wir auf einem guten Weg und gute Lernaufgaben sind dabei ein entscheidender Faktor. Werfen wir einen Blick auf die Aufgabenpraxis in den Schulen, dann sehen wir schon einige sehr gelungene Umsetzungsbeispiele.
Tipp: Lassen Sie Ihre Schüler*innen nicht zu Kosmonauten werden, die tagein tagaus mit einem Grummeln im Bauch sprichwörtlich zum Kosmos Schule fliegen müssen.
Sicherlich fragen Sie sich jetzt: ja wie soll das konkret gehen, wie mache ich das? Ich unterrichte doch mein Fach! Ja und nein, Ihnen als Pädagoge bzw. Pädagogin sollte es in erster Linie um das Lernen mit und von Menschen gehen – und die Inhalte sind dabei Mittel zum Zweck. Dies bestätigt die Aussage der Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, S. Fleischmann, die kundtat, dass Lehrkräfte anhand von Phänomenen unterrichten mögen und keine Fächer (vgl. BLLV 2020). Für den Hybridunterricht bedeutet dies, dass idealerweise der Bezug zur real existierenden Situation hergestellt wird und die Situation sich so darstellt, dass darin ein Problem, ein Phänomen oder eine Fragestellung zeigt. Häufig hören wir von (angehenden) Lehrkräften, das geht doch gar nicht. Frage: Wer war zuerst, die Theorie oder die Praxis? Die Antwort ist klar: die Praxis. Noch gut erinnern wir uns an eine erfahrene Lehrkraft, die auf einer unserer Fortbildungen fragte: Wie ist die Situation, beim Thema Photosynthese in einer Lernaufgabe zu gestalten? Die Antwort war recht einfach. Werfen Sie bitte einen Blick aus dem Klassenzimmer. Sicherlich findet sich auf Ihrem Schulgelände ein Grünstreifen, der nicht mehr so grün ist. Diese Situation, die das Leben präsentiert, kann der Ausgangspunkt und damit die Problemstellung der Lernaufgabe im Fach Biologie sein. Jetzt kann es losgehen und die Schüler*innen werden zu Forscher*innen, die sich ganz konkret in diese reale Situation begeben. Hieraus lassen sich viele Forscher*innenfragen ableiten. Diese gilt es zu beantworten und zwar nicht nur unter Zuhilfenahme von theoretischen Wissensbeständen, sondern unter konkreter Praxisanwendung in der jeweiligen Situation vor Ort. Dies bedeutet für den Hybridunterricht, dass Beispiele aus dem Lebensumfeld der Lernenden stets die erste Wahl sein sollten.
Das dritte Merkmal ist die Kompetenz. In Gesprächen mit Personalverantwortlichen sagen diese uns häufig: <Die Zeugnisnoten sind ja schön und gut, doch die eigentlichen Kompetenzen, Ressourcen und Talente können wir daraus bei den Schulabgänger*innen nicht erkennen>.
Mit dem Hybridunterricht können Lehrkräfte durch Lernaufgaben einen wesentlichen Beitrag leisten, Lernende auf die Herausforderungen im Berufs- und Privatleben vorzubereiten. Anstatt Reproduktionsleistungen geht es um einen ganzheitlichen Kompetenzerwerb, unter Berücksichtigung der <Seven C> und <4K>. Dies bedeutet, dass der Kompetenzerwerb beim Hybridunterricht ganz gezielt anzulegen ist und nicht dem Zufall überlassen werden darf. Uns ist bisher nur ein Beruf bekannt, bei welchem Reproduktionsleistungen gefordert sind, nämlich bei Schauspielern. Da vermutlich nicht alle Ihrer Schüler*innen eine Schauspielkarriere anstreben, braucht es eben Lernaufgaben, die einen umfassenden Kompetenz- und Bildungserwerb ermöglichen. Dies heißt, dass auch eine Förderung der digitalen Kompetenzen bei den Lernenden in den Lernaufgaben vorzusehen ist. Dabei geht es nicht nur um die technische Nutzung von elektronischen Geräten, sondern um einen kritischen Umgang mit Informationen, die darüber gewonnen werden. Das Stichwort ist <fake news>, gerne auch als alternative Fakten bezeichnet. Die Informationen und deren Quellen, die aus einer einfachen Suchmaschinen-Recherche gefunden werden, sollten nicht als per se objektive Tatsachen gewertet werden. Vielmehr müssen die Schüler*innen lernen andere Quellen zu finden und zu bewerten und den bisherigen Ergebnissen gegenüberstellen. Das erfordert ein gutes Wissen und Verstehen darüber, wie und wer Informationen im Internet bereitstellt. Dazu ist wiederum oftmals die Unterstützung von fachkundigen Lehrpersonen notwendig. Insofern kann ein hybrider Unterricht ganz wesentlich diese anspruchsvollen Kompetenzen fördern und so zur reflektierten Teilhabe an der Gesellschaft beitragen. Dies sollten Lehrkräfte beherzigen, denn in der Demokratie braucht es den mündigen Bürger bzw. die mündige Bürgerin, der bzw. die Informationen filtern, sortieren, prüfen und sich schlussendlich eine eigene Meinung bilden kann.
Das vierte Merkmale ist die Handlung und hier halten wir es, wie J. W. von Goethe, dass der Erfolg drei Buchstabe hat: TUN. Also Reden ist Silber, Handeln ist Gold. Fast! Beim Aufbau von schwedischen Möbeln eines Herstellers mit vier Buchstaben beobachten wir häufig, über welche Problemlösungsstrategien und Handlungsmuster die Menschen verfügen. Interessant ist, dass ein Großteil sofort loslegt, ohne zuvor die Montageanleitung zu lesen. Das Resultat kennen sicherlich viele von Ihnen, irgendwelche Schrauben bleiben garantiert übrig. Übertragen wir das Handeln auf die Lernaufgabe, dann werden jetzt die Schüler*innen aktiv. Raus aus der Zuschauerrolle hin zu Gestaltern ihres eigenen Lernprozesses, bei dem das selbstgesteuerte Handeln ermöglicht wird. Insofern gilt es Lernaufgaben zu stellen, in welchen eine mehrstufige Handlungsabfolge integriert ist. Brauchbare Modelle dafür liefern der <PDCA-Zyklus> von W. E. Deming (1982) und das Modell der >Vollständigen Handlung>, das auf die Handlungsregulationstheorie von W. Volpert (1973) und W. Hacker (1974) zurückgeht. In den Sekundarstufen beschränkt sich das Handeln häufig auf das Denken und das konkrete Handeln bleibt außen vor. Letztendlich erscheint erst in der Handlung die Kompetenz und von daher sollten Denken und Handeln stets miteinander verwoben sein. E. L. Deci und R. M. Ryan (1993), zwei amerikanische Motivationsforscher, haben schon vor Jahrzehnten erkannt und durch Studien belegt, dass der Mensch drei grundlegende Bedürfnisse durch sein Handeln befriedigen will: 1. sich als kompetent handelndes Individuum erleben, 2. gerne selbst über den Prozess bestimmen und 3. sozial eingebunden sein. Lernen als Handlung, die Bedeutung für sich selbst und für andere, gewinnt damit nochmals an Wichtigkeit für unseren Fokus des didaktischen Handelns in hybriden Lernsettings. Insbesondere bei leistungsschwächeren Schüler*innen kann durch das Handeln ihre Motivation gefördert werden, denn sie erkennen im Handeln, dass sie etwas Können und erleben sich infolgedessen als kompetent. Dies kann der Anfang einer Wende sein, wenn Lernende den Erfolg förmlich spüren. In der Schule stellen wir fest, dass das Hantieren mit Gedanken eher im Vordergrund steht und die eigentliche Handlung meist ausgespart bleibt. Das ist wie Schwimmen lernen ohne Wasser. Unser Tipp fürs Referendariat und danach: Stellen Sie Lernaufgaben bei denen Ihre Schüler*innen sich selbst praktisch erproben können, denn jeder von ihnen kann handeln.
<Schwierig sind nicht die neuen Ideen, schwierig ist es nur, sich von den alten zu lösen>
Das fünfte Merkmal sind die Lernenden selbst. Der russische Psychologe L. Wygotski (1987) prägte in seinem Ansatz des sozialen Lernens den Begriff der <Zone der nächsten Entwicklung>. Dabei ist es wichtig, dass Lernende durch die Problemstellung in einen ihnen zunächst unbekannten Handlungsraum eintreten. D. h. sie müssen aus ihrer Komfortzone heraustreten und den Schritt wagen in die Zone einer teilweisen Ungewissheit. Dafür braucht es Halt, Unterstützung, Zuspruch und den Austausch mit anderen. Gleichzeitig motiviert dies, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Dies bedeutet eine Abkehr vom 7-G-Unterricht, bei dem alle gleichaltrigen Schüler*innen, zur gleichen Zeit, bei der gleichen Lehrkraft im gleichen Klassenzimmer mit den gleichen Lehrmitteln das gleiche Ziel im gleichen Lern- und Arbeitstempo erreichen hin zu einem 8-V-Unterricht, der der Vielfältigkeit des Individuums Rechnung trägt. Zuweilen sehen wir, dass es Schulen gibt, welche sich vom G-Unterricht verabschieden und sich in Richtung V-Unterricht entwickeln. Dies bedingt ein Wandel in der Schulorganisation sowie in der Haltung der Lehrkräfte und folgerichtig auch der Aufgabenpraxis. Es geht nicht um eine Individualisierung in Form von Vereinzelung, sondern darum, den Blick auf den einzelnen Lernenden zu richten und ihn bzw. sie in seinem/ihrem Lernprozess zu begleiten. Dies bedingt wiederum, dass den Schüler*innen die Möglichkeit gegeben wird, sich in den Unterricht und damit in die Lernaufgabe aktiv mit einzubringen.
Tipp: Geben Sie Ihren Schüler*innen in den Lernaufgaben die Möglichkeiten zur Partizipation. Die Lernenden wissen selbst am besten, was sie zum Lernen benötigen und fordern dies dann auch ein.
In der Auseinandersetzung mit der Reifegradtheorie von P. Hersey und K. H. Blanchard (1982) ist uns aufgefallen, dass diese sich sehr gut auf die Betreuung der Lernenden bei der Bearbeitung von Lernaufgaben übertragen lässt. Beispielsweise benötigen Schüler*innen mit einem hohen Kompetenzgrad keine kleinschrittigen und durchstrukturierten Lernaufgaben sowie eine engmaschige Betreuung von Seiten der Lehrkraft. Im Gegensatz dazu sind Lehrkräfte gefordert, gerade die in ihrem Kompetenzgrad noch nicht so sehr ausgeprägten Lernenden, in den Lernaufgaben eine klare Strukturierung vorzugeben und diese intensiv zu betreuen. Dies bedeutet für den Hybridunterricht, dass den Lernenden entsprechend ihres Kompetenzstands passgenaue Lernaufgaben zur Verfügung zu stellen sind, damit die sen nächsten Entwicklungsschritt vollziehen können und sie dabei individuell zu begleiten. <Lernen ist die Vorfreude auf sich selbst>, um als Individuum und gemeinsam mit anderen in der Welt bestehen zu können (P. Sloterdijk).
Lernaufgaben zu stellen, ist zu wenig – der Elefant kann nicht fliegen!
Aus soziobiologischer Sicht ist der Mensch ein soziales und emotionales Wesen. Die bedeutet, dass bei der Konstruktion von Lernaufgaben darauf zu achten ist, möglichst viele Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Lernenden untereinander und der Lehrperson vorzusehen. Dies trifft in besonderem Maße auf den hybriden Unterricht zu, denn bei Lern- und Arbeitsphasen die außerhalb des Präsenzunterrichts stattfinden, besteht die bereits erwähnte Gefahr einer Vereinsamung und Vereinzelung. Von daher ist, bei der Gestaltung der Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung darauf ein besonderes Augenmerk zu werfen, denn Distanz kann auch Nähe schaffen. Ein professionelles Verständnis des Lehr-Lern-Berufs heißt nicht, <aus den Augen aus dem Sinn>, sondern erfordert eine durchgängige Lernprozessbegleitung der Schüler*innen. Mit großer Verwunderung nahmen wir den Bericht einer Referendarin zur Kenntnis. Diese tat kund, dass an ihrer Schule während des Corona-Shutdowns kein digitaler Fernunterricht stattfinden konnte, weil dieser von Seiten der Schulleitung dem gesamten Kollegium verboten wurde. Als Gründe wurden eine fehlende Datensicherheit bei den Betreibern des Videokonferenztools angeführt und damit eine ausbleibende Rechtssicherheit sowie die Befürchtung von Klagen auf Elternseite. Nun gut, safety first. Mit Blick auf die Lernprozessbegleitung und Beziehungsgestaltung führt ein solcher Sicherheitsansatz zu einem abrupten Abbruch der Interaktionen zwischen den Lernenden und der Lehrkraft. In Schulen sollte es ausschließlich um die Menschen gehen und neben dem Denken in Schwarz und Weiss, gibt es eben auch eine <Grauzone>! Wie sagte der verstorbene Leiter des Instituts Beatenbergs, A. Müller: << Eine Genehmigung in der Schule einzuholen ist schwieriger, als eine nachträgliche Entschuldigung kundzutun>>. Wir wollen Ihnen Mut machen, denn Angst beginnt im Kopf und Mut eben auch – seien Sie mutig. Uns ist noch keine Lehrkraft bekannt, die wegen einer Videokonferenz aus dem Dienst entfernt wurde.
Die Beziehungsebene ist die Basis, auf der ein erfolgreiches Lernen stattfinden kann und Lehrkräfte sind für die Schüler*innen ein Modell von dem sich vieles abgeschaut wird. Der Psychologe C. R. Rogers (1999) benennt drei bzw. vier Verhaltensmerkmale, die für die Beziehungsgestaltung in pädagogischen Settings angezeigt sind. Diese gelten unseres Erachtens auch uneingeschränkt für den hybriden Unterricht:
(1) Empathie: dies bedeutet, dass sich Lehrkräfte in den subjektiven Bezugsrahmen der Lernenden einfühlen und verhindert, dass sie als gefühlskalt und überlegen auftreten. Gerade bei der Bearbeitung von Lernaufgaben bedarf es von Seiten der Lehrkraft, sich eben in den Lernenden einzufühlen und einzudenken. Nur wenn es Lehrkräften sozusagen gelingt, aus den <Augen des Lernenden> zu blicken, dann werden sie die bestehenden Herausforderungen bei der Aufgabenbearbeitung erfassen und verstehen.
(2) Akzeptanz & Wertschätzung: Anerkennung und Achtung gegenüber den Schüler*innen sind grundlegende Voraussetzungen zur Entwicklung der Persönlichkeit sowie einem stabilem Selbstkonzept. Dies erfordert von Seiten der Lehrkraft eine tiefe und echte Anteilnahme, die frei ist von persönlichen Beurteilungen. Dies heißt nicht, dass die Lehrperson mit der Meinung des Lernenden konform sein muss, sondern meint die Achtung des Andersdenkens und Handelndens, stets unter Wahrung der Grundrechte.
(3) Kongruenz: Eine weitere hinreichende Bedingung für eine konstruktive Beziehungsgestaltung zwischen Lehrenden und Lernenden ist die Echtheit oder Selbstkongruenz. Dies meint, dass Lehrkräfte sie selbst sind und sprichwörtlich <keine Rolle vorspielen>. Hierbei sollten der Ausdruck (Gestik, Mimik und Körpersprache) mit den Äußerungen übereinstimmen. Eine Unbeherrschtheit darf jedoch nicht mit Echtheit verwechselt werden, denn Echtheit bedeutet: keine Fassade um sich herum aufbauen, denn dies hat nämlich mit einer professionellen Beziehungsgestaltung rein gar nichts zu tun.
Für die Bearbeitung von Lernaufgaben in hybriden Lehr-Lernsettings bedeutet dies, dass die Lernenden nicht sich selbst überlassen werden, sondern dass der Kontakt zu ihnen und damit die Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung unbedingt aufrecht zu erhalten ist. Dazu gehört auch ein regelmäßiges <Feedback> und dies eben nicht nur in den Präsenzphasen im Klassenzimmer. Aus dem Bereich des Lerncoachings ist bekannt, dass Schüler*innen über sich hinauswachsen, denn Feedback erzeugt Selbstwirksamkeit. Dies erfordert von den Lehrkräften in regelmäßigen Abständen eine persönliche Rückmeldung in Form von <Feed-back> (Wie ging es voran?), <Feed-up> (Was ist das Ziel?) oder <Feed-forward> (Was ist das Nächste?) an die Lernenden (vgl. Hattie 2014). Im Hybridunterricht erweisen sich gerade digitale Rückmeldungen als hilfreich und empfehlenswert, sei es als QR-Code oder Audiodatei. Bitte gehen Sie jedoch verantwortungsvoll und sensibel damit um. Eine Rückmeldung sollte ein Geschenk sein und keine Diffamierung oder Beschämung. Mit dem Einsatz von digitalen Lernplattformen, wie mahara u. a. werden Möglichkeiten eröffnet, wie Lehrkräften ganz gezielt Rückmeldungen ohne summative Bewertung den Lernenden geben können. Die Devise heißt hier <power to the learner> und führt dazu, dass Schüler*innen ihren eigenen Lernprozess gestalten und eine Lernkultur gelebt wird, in der Fehler erlaubt sind, denn das Scheitern gehört beim Lernen mit dazu.
Aus den gemachten Erfahrungen mit hybriden Lehr-Lern-Settings können wir bestätigen, dass eine Lernkultur, die von Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung sowie Kongruenz geprägt ist, ganz eindeutig positive Auswirkungen auf Lernen mit- und voneinander zeigt. Zu einer professionellen Beziehungsgestaltung gehört es unweigerlich den Lernenden eine Rückmeldung zum Stand ihrer Aufgabenbearbeitung sowie zu ihrem Lern- und Arbeitsprozess zu geben – und dies ressourcen- und nicht defizitorientiert. Schlussendlich wirkt sich eine professionelle Beziehungsgestaltung unweigerlich auch auf das <soziale Klima> in der Lerngruppe aus. Vor diesem Hintergrund betrachten wir zum einen den Einsatz von humanoiden Robotern in Lehr-Lernsettings recht kritisch und zum anderen die Nutzung von interaktiven und multimedialen Lernbausteine sowie digitaler Sprachassistenz in hybriden Lernarrangements. In der Tat können diese digitalen Angebote individuelle Lernprozesse unterstützen und auch eine spezifische Rückmeldung geben, allerdings nur soweit, wie der programmierte Algorithmus dies vorsieht. Und genau hier ist auch die Grenze von interaktiven und multimedialen Lernbausteinen erreicht, da die menschliche der künstlichen Interaktion in Sachen Beziehungsgestaltung deutlich überlegen und damit letztendlich wirksamer ist: es kommt eben mit auf die Rückmeldung der Lehrkraft an.
Fazit
Jeden Morgen steht ein neugieriges Kind auf – und ein*e Lehrer*in?
Wie geht es weiter mit dem Hybridunterricht? Das hängt im wesentlich mit von Ihnen ab. Bisher befindet sich die Didaktik von Lernaufgaben in (hybriden) Lernsettings fast noch wie in einem Dornröschenschlaf. Das Lernen zu Hause in der Coronazeit zeigt dies ganz deutlich. Dies gilt es zu ändern! Daher ist bei der Gestaltung von (hybriden) Lernsettings eine Aufgabenkultur mit Hilfe des <Aufgabendidaktischen Kompasses> notwendig, in der Lernaufgaben den <Dreh- und Angelpunkt> darstellen. Wenn es in der Bildungseinrichtung Schule nicht gelingt, das sich die Lernenden konstruktiv mit ihren Ressourcen und Talenten einbringen und beteiligen können, dann wird diese über kurz oder lang von anderen außerschulischen E-Learning-Angeboten abgelöst. Was denken Sie, was wohl passieren würde, wenn die gesetzliche Schulpflicht wegfiele? Der Freitag stünde schon fest im Programm mit <Friday-for-future> und aus der Sozialisation von A. Stern (2013) können wir lernen, dass Kinder und Jugendliche auch ohne Schule glücklich sein können. Die Schüler*innen tun eben nicht das, was Sie wollen, sondern sie tun das, was sie wollen. Insofern bietet sich den Schulen nun eine Möglichkeit zur Neuausrichtung, um den digitalen, sozialen sowie letztendlich gesellschaftlichen Herausforderungen bestehen zu können.
Die in den Schulen etablierten Strukturen sind in Richtung Einzelkämpfertum ausgerichtet, was sich in der Entwicklung von Organisationen als hinderlich erweist. Nur wenn es gelingt, ein gemeinsames <big picture> zu erzeugen, das von den Kollegien auch gelebt wird, dann wird sich in den Schulen auch etwas bewegen und Hybridunterricht ein fester Bestandteil von Schule werden. Jede (angehende) Lehrkraft ist hier aufgefordert ihren Beitrag zur Schul- und Unterrichtsentwicklung zu leisten. Als hilfreich hat sich die Bildung von Learning-Communities (dt. Lerngemeinschaften) herausgestellt und das regelmäßige Hinterfragen der eigenen <Glaubenssätze>, d. h. für sich eine Antwort darauf zu finden, wofür unterrichte ich. Dazu gehört auch, die eigene Unterrichts- und Aufgabenpraxis auf den Prüfstand zu stellen. Es kann nicht sein, dass ähnlich wie bei einem Kleidungsstück die Maxime zählt: one size – fits all. Gerade die stellen wir bei der Aufgabenkonzeption in Frage. Wie sagte ein Referendar ironisch dazu: Passen wir die Lernenden an die Lernaufgabe an.

Das wäre der falsche Ansatz. Besser: Passen wir die Lernaufgabe, an die Lernenden an.

Mit Blick auf die Lehrkräfte ergänzen wir noch, unterstützen sie die Lernenden in (hybriden) Lernsettings, indem Sie ihnen
- Strukturen geben (Erwartungen kommunizieren, Ziele vereinbaren, Feedback geben),
- emotional beteiligen (Zeit nehmen, Wertschätzung ausdrücken, vom Einzelnen her denken),
- Autonomie unterstützen (kein Druck, weniger Kontrolle/mehr Vertrauen, Handlungsspielräume geben).
Derzeit befinden wir uns am Anfang einer neuen Epoche des Lehren und Lernens. Die digitalen Möglichkeiten, die sich dabei eröffnen sind faszinierend. Insofern gilt es diese als Chance zur Förderungen der Lernenden konstruktiv zu nutzen. Hierbei muss auch eine kritische Auseinandersetzung mit den digitalen Neuerungen stattfinden. Leider stellen wir oftmals fest, dass dabei ein Teil der Lehrkräfte in einer kritischen Enge verharrt und der Schritt zu einer konstruktiven Beteiligung und Mitgestaltung ausbleibt.
Tipp: Halten Sie es, wie O. A. Burrow (2020): <<Sei leidenschaftlich, sei visionär und mach es einfach>>.
Literatur
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Buber, M. (2008). Ich und Du. Stuttgart: Reclam.
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Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybridunterricht 101” – ein Gemeinschaftswerk von 33 Autor:innen, das zeigt, wie Hybridunterricht in modernen Unterrichtskonzepten umgesetzt werden kann. Es geht dabei nicht nur um die Digitalisierung sondern auch um soziale Aspekte, die für hybrides Lernen wichtig sind.
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