Blogeintrag von Philippe Wampfler – Mai 2020
Nach einer Phase des reinen Fernunterrichts sind Schulen nun in eine Übergangsphase eingetreten. Während in der Schweiz zumindest an obligatorischen Schulen in vielen Kantonen ein Vollbetrieb aufgenommen worden ist, sind die Gymnasien und viele Schulen in Deutschland noch nicht oder nur teilweise geöffnet worden. Das hängt auch damit zusammen, dass sich in der Schweiz die Hypothese durchgesetzt hat, wonach jüngere Kinder kaum gefährdet sind – ältere jedoch Covid-19 ähnlich wie Erwachsene verbreiten. Absehbar ist mittlerweile, dass viele Schulen auch nach den Sommerferien Mischungen aus Präsenz- und Fernunterricht anbieten werden. Nimmt man die Distanzvorgaben ernst, dann müssen große Klassen dafür gedrittelt werden: In einem regulären Schulzimmer können sich rund 10 Personen aufhalten, wenn sich die Schüler*innen nicht zu nahe kommen sollen. Das bedeutet, dass aus einer Klasse drei Lerngruppen entstehen, die sich jeweils in drei Zeitslots abwechseln müssen. (An einigen Schulen können das auch zwei Hälften mit zwei Slots sein.)
Wie findet nun Unterricht unter den Voraussetzungen statt, dass jeweils nur eine Gruppe ein Modul im Präsenzunterricht absolvieren kann?

Variante 1: Identische Präsenzmodule
Nehmen wir an, im Präsenzunterricht soll eine Aktivität ablaufen, die nur im Schulzimmer stattfinden kann (ein Planspiel, eine Diskussionsrunde, ein Experiment vorführen etc.). Dann bietet es sich an, dieses Modul allen drei Lerngruppen in identischer Form anzubieten. Die Konsequenz daraus ist, dass die anderen beiden Module jeweils:
- im Fernunterricht betreut werden
- lernlogisch vom Präsenzmodul gelöst werden
- stark selbstorientiert absolviert werden können.
Hat eine Lehrerin oder ein Lehrer etwas weniger zu tun, weil der Präsenzunterricht nur einmal vorbereitet werden muss, so braucht auch die Vorbereitung des Fernunterrichts viel Aufwand, sodass für die Betreuung der beiden Gruppen im Fernunterricht kaum Zeit bleibt. Hier zeigt sich, dass die Belastung der Lehrkräfte ein entscheidender Punkt in der Planung sein dürfte.
Variante 2: Identische Module pro Zeitslot
Die zweite Grundidee besteht darin, eine Lerneinheit in drei Teile zu gliedern, die aufeinander aufbauen (z.B. drei Kapitel eines Romans zu diskutieren, ein Sachthema in drei Stufen zu vertiefen, Vokabular in drei Phasen zu lernen und den Wortschatz zu erweitern).
Das führt zu einem Aufbau, bei dem ein Modul sowohl im Präsenzunterricht als auch im Fernunterricht absolviert werden kann. Im Präsenzunterricht kann mündlicher Austausch eine größere Rolle spielen, im Fernunterricht hingegen sollten wohl schriftliche Übungen mehr Gewicht haben. Für die Lehrperson bedeutet das, dass sie die drei Module quasi doppelt vorbereiten muss, eine Entlastung entfällt hier.

Variante 3: Bezüge zwischen Fern- und Distanzunterricht
Aus Variante 2 kann man auch die Möglichkeit ableiten, dass der Fernunterricht und der Präsenzunterricht dialogisch in einem Austausch stehen. Also etwa so:
Im Fernunterricht erarbeiten die beiden Lerngruppen ein Lernprodukt, etwa ein Padlet, in dem Fragen formuliert, Thesen festgehalten oder Rechercheergebnisse gesammelt werden. Der Präsenzunterricht diskutiert dann dieses Lernprodukte und arbeitet damit weiter.
Evtl. ergeben sich für den Fernunterricht daraus weitere Aufgaben.
Eine besondere Variante davon ist die digital unterstützte Fishbowl: Dabei nehmen auch die beiden Lerngruppen, die nicht im Schulhaus sind, am Präsenzunterricht teil, indem sie mit mehreren Kameras in einer Videokonferenz mitbekommen, was im Schulzimmer läuft. Sie haben dabei aber andere Aufgaben: Sie stellen vielleicht Fragen oder beobachten Dinge und halten sie in einem Protokoll fest.

Diese Varianten benötigen eine sehr komplexe Vorbereitung und Durchführung durch die Lehrkraft.
Variante 4: Flipped Classroom
Flipped Classroom besteht aus zwei Ideen:
Instruktion/Theorie/Stoff erarbeiten die Schüler*innen individuell, asynchron und nicht im Präsenzunterricht.
Der Präsenzunterricht wird für Übungen, Diskussionen, Reflexion verwendet.
Das ist auch in diesem Hybrid-Setting möglich, bedingt aber (pinke Kreise), dass auch die nicht anwesenden Lerngruppen Gelegenheit für eine Präsenzphase (etwa in einer Videokonferenz) erhalten.

Textquelle:
Philippe Wampfler (Text aus Blog-Eintrag (LU01) entnommen unter Lizenz CC-BY 4.0), leicht abgewandelt.
Grafiken: Philippe Wampfler und CC-BY 4.0
Lernaufgaben gilt es an die Lernenden anzupassen und nicht umgekehrt, die Lernenden an die Lernaufgaben.
Klaus Oehmann und Patrick Blumschein

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybridunterricht 101” – ein Gemeinschaftswerk von 33 Autor:innen, das zeigt, wie Hybridunterricht in modernen Unterrichtskonzepten umgesetzt werden kann. Es geht dabei nicht nur um die Digitalisierung sondern auch um soziale Aspekte, die für hybrides Lernen wichtig sind.
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