Zuerst erstellte ich eine Kann-Liste, eine To-Do-Liste und ein Lerntagebuch, wie oben beschrieben, für die SuS in Moodle™. Eine Klassen-Gruppe ist im Präsenzunterricht und zwei Gruppen sind in der Distanzphase.
Wenn mit den Kann-Listen gearbeitet wird, bearbeiten die SuS eigenständig in ihrem eigenen Lerntempo die Inhalte. Das bedeutet, dass zu jeder Präsenzphase nicht nur verschiedene SuS anwesend sind, sondern diese ggf. auch einen unterschiedlichen Lernstand haben. Aus diesem Grund startet jeder Präsenzunterricht mit einer gemeinsamen Lernprozessbestandsaufnahme.
Die Abbildung zeigt ein Beispiel mit der Übersicht zur Lernprozessbegleitung.

Der Unterricht beginnt mit einer Abfrage, wer welche Fragen zu inhaltlichen Themen, technischen Problemen oder auch dem Lernprozess als solchem hat. In diesem Beispiel wird die erste Frage zum „Kostenvergleich Handelsvertreter und Handlungsreisender“ von Schüler X gestellt (blau markiert). Die Lehrerin fragt nun, ob es weitere SuS gibt, die damit ebenfalls ein Verständnisproblem haben. Schüler Y und Schüler Z melden sich. Jetzt wird geschaut, in welcher Sozialform oder mit welcher Methode die Lehrerin den SuS helfen kann. Die SuS möchten sich gerne von der Lehrerin noch einmal die Berechnung erklären lassen. Dies geschieht in einer Art Kleingruppenvortrag, indem sich die Lehrerin mit den drei SuS zusammensetzt und dies noch einmal erklärt.
Bei der zweiten Frage (jetzt von Schüler A) geht es um den Unterschied zwischen dem direkten und dem indirekten Absatz. Die Lehrerin fragt auch hier, ob andere SuS ebenfalls daran arbeiten möchten. Es bleibt in diesem Fall aber bei Schüler A. Wieder schaut die Lehrkraft, wie dem Schüler geholfen werden kann. Es zeigt sich, dass Schüler B den Unterschied zwischen den beiden Absatzformen gut verstanden hat. Er wird es Schüler A erklären (Sozialform: Partnerarbeit). Sollten Abstandsregeln die Partnerarbeit einschränken, können die SuS z. B. versuchen, die Erklärung in Moodle™ im Messenger, im Chat oder im Forum zu lösen. Im Beispiel wurde mit den SuS das Forum vereinbart. Das bietet den zusätzlichen Vorteil, dass alle anderen SuS die Beiträge ebenfalls einsehen und ggf. zusätzlich Erläuterungen posten können.
Weitere Fragen gibt es nicht, so dass die Lehrerin nun entscheiden kann, welche SuS ihr im Einzelgespräch Zwischenergebnisse präsentieren. Dieses Mal wählt sie Schüler C.
Bevor die nächste Arbeitsphase beginnt, notieren alle SuS ihre Lernziele für diese Unterrichtseinheit kurz im Lerntagebuch.
Nachdem die Lehrerin mit X, Y und Z die Berechnung wiederholt hat, führt sie die Einzelgespräche und informiert sich bei der Zwischenpräsentation über den Lernfortschritt der SuS.
Zum Ende der Stunde gehen alle den aufgestellten Plan noch einmal durch. Die SuS haken ab, was sie erledigt haben. Im Beispiel fand die Einzelpräsentation des Schülers Y nicht mehr statt, sie wird auf die nächste Präsenzphase verlegt.
Diese Art der Lernprozessbegleitung ist gut geeignet für kleinere Lerngruppen. Bei sehr großen Klassen könnte es schwierig werden. Aber wenn in der Corona-Zeit beispielsweise die Klassen halbiert werden, kann mit kleinen Lerngruppen dieses Konzept sehr gut eingeübt werden. Wenn die SuS nach etwas Übung den Prozess verstanden haben, kann man sie zur nächsten Präsenzphase beauftragen, schon vorab die Fragen in der Übersicht zu notieren und ihre Lernziele ins Lerntagebuch einzutragen. Für diese Vorgehensweise bietet es sich an, die Datei „Lernprozessbegleitung“ als Aktivität PDF-Annotation in Moodle™ einzustellen. Damit können alle SuS in diesem Dokument ihre Eintragungen vornehmen. So sehen die SuS, wer bereits um Klärung welcher Frage bat, und können sich anschließen.
Auch bei dem integrierten Szenario ist die oben beschriebene Lernprozessbegleitung möglich. Der Unterricht beginnt gemeinsam für die Präsenz- und Distanzgruppen der Klasse. Die SuS in Distanz schalten sich per Videokonferenz zu. Somit können sich auch diese SuS von zuhause aus beim Einstieg in die Unterrichtsstunde beteiligen. Sie können z. B. eingebunden werden, wenn eine Frage im Forum geklärt werden soll. Die Videokonferenz kann die gesamte Stunde andauern. Alternativ verlassen die SuS sie nach dem Einstieg und kehren zu einer vereinbarten Uhrzeit zur Reflexion zurück. In der Zwischenzeit könnten diese SuS z. B. in eigenen kleinen Videokonferenzgruppen zusammenarbeiten.
Darüber hinaus eignet sich das Konzept auch für das Distanz Szenario. Zu Beginn des Unterrichts treffen sich alle in der Videokonferenz und erstellen einen Arbeitsplan. Danach können die SuS in Kleingruppen in eigene Konferenzräume entlassen werden, oder sie arbeiten jeder für sich selbstständig in Moodle™. Zu einer vereinbarten Zeit trifft man sich dann wieder im Plenum.
Bevor ich konkrete Beispiele für verschiedene Aufgabentypen geben werde, stelle ich weitere mögliche Modelle vor.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Hybrides Lernen mit Moodle” – ein Werk von Tanja Kräwinkel, das dir hilft, hybrides Lernen mit der Lernplattform Moodle zu gestalten. Dabei werden nicht nur die Grundlagen von Moodle erklärt, sondern auch viele Erklärfilme verlinkt, die Beispiele und Inspiration für den Unterricht bieten. Das Buch ist somit sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene geeignet, die Ideen für eine Verbindung von Präsenz- und Distanzunterricht mit Moodle suchen.
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