Wenn du mit OERs arbeitest oder andere von den Vorteilen überzeugen willst, wirst du sehr bald Argumente gegen offene Materialien hören, oder zumindest Nachfragen.
Um besser argumentieren zu können hier eine Zusammenstellung häufiger Vorbehalte gegen OER, sowie Argumente dagegen, die dir eventuell helfen können.
Die folgende Sammlung der häufigsten Vorbehalte kann eine ganz gute Grundlage für die Diskussion sein.
Ich möchte meine Sachen nicht unter eine freie Lizenz stellen, da ich nicht will, dass die „falschen“ Personen mein Material einfach verwenden.
Gegenargument: Auch bei einer restriktiveren Lizenz kannst du nicht verhindern, dass dein Material einfach verwendet wird. Selbst bei Lehrer:innen und Referent:innen ist es immer noch weit verbreitet, Materialien aus dem Internet einfach zu verwenden ohne Rücksicht auf eventuelle Copyright-Verletzungen. Die Beobachtung ist hier, dass bei offenen Lizenzen sogar häufiger auf die richtige Verwendung geachtet wird, bzw. dass das Thema Lizenz hier überhaupt thematisiert wird.
Bei OER gibt es doch keine Qualitätssicherung?
Stimmt. Aber auch bei anderen Quellen solltest du die Qualität prüfen. Bei OER kannst du sie sogar noch verbessern, wenn dir die Qualität nicht zusagt (solange das Material nicht unter einer ND-Lizenz steht).
Ich habe Angst, etwas falsch zu machen bei der Lizenzierung!
Lizenzrecht ist komplex und es lauern wirklich einige Fallstricke bei der Lizenzierung. Es ist nicht zu leugnen, dass vor einer Veröffentlichung, aber auch vor einer Nutzung, etwas Energie darauf verwendet werden muss sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Sehr hilfreich kann dabei die Seite https://irights.info sein, eventuell ein Kurs zu OER auf www.oncampus.de oder auch direkt die Seite www.creativecommons.org. Das Tolle an der OERs ist zudem, dass es eine lebendige und hilfsbereite Community gibt, die immer gerne Fragen beantwortet und unterstützt!
Ich gebe doch mein geistiges Eigentum nicht einfach frei!
Dies ist ein sehr häufiger Vorbehalt gegen die Veröffentlichung von OER. Hier ist zu sagen, dass ja jede Veröffentlichung eine Freigabe geistigen Eigentums ist, die vor allem im digitalen Raum recht einfach kopiert werden kann. Bei dieser Frage ist die Perspektive entscheidend: Es geht ja nicht darum, jedes Material, das du erstellst unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen. Aber warum nicht einfach einzelne Teile freigeben? Das kann ja gleichzeitig eine gute Werbung für deine Arbeit und für deine Leistungen sein und beispielsweise Vernetzung mit anderen erleichtern.
In engem Zusammenhang mit diesem Vorbehalt steht auch der nächste:
Kannibalisiere ich damit nicht mein Einkommen/meine Umsätze? Mit OER kann man doch kein Geld verdienen? Was nichts kostet, taugt auch nichts!
Auch hier gilt: Alle Inhalte freizugeben ohne eine Anpassung des Gesamtgeschäftsplans wäre natürlich keine gute Idee. Auf der anderen Seite haben OER gutes Potential, deine Reichweite zu erhöhen und eine Vernetzung zu erleichtern, was dann zu einer Erhöhung der Umsätze führt. Häufig ist es so, dass eine reine Freigabe deiner Materialien noch lange nicht deine Kompetenz ersetzt, die ja weit über die reinen Materialien hinausgeht. Es gibt zahlreiche Beispiele für Menschen, die „Erfolg durch Teilen“ haben. Wenn OER der Grund sind, sich ausführlich mit OER und Lizenzen zu beschäftigen, hast du gleich eine Zusatzqualifikation erworben, die deine Kompetenz erhöht hat!
Auch ist zu bedenken, dass das „frei“ in „freie Materialien“ nicht von kostenlos kommt, sondern sich auf die Weiterverwendung bezieht. Solange die Materialien entsprechend lizenziert sind, spricht auch nichts gegen einen Verkauf deiner OER.
Zur Frage „Was nichts kostet, taugt auch nichts“: Deckt sich dies in Umkehrung mit deinen Erfahrungen? War es immer so, dass alles teure auch immer von bester Qualität war? Dann doch lieber kostenlos und nur vielleicht gut. Im Übrigen ist auch im Jahr 2021 das meiste im Netz immer noch frei verfügbar …
Spart das wirklich Arbeitszeit?
Nicht wirklich! Mittel- und langfristig kann es Zeit sparen, wenn Materialien rechtssicher und richtig lizenziert (wieder-)verwendet und angepasst werden können. Zunächst muss jedoch Zeit investiert werden, um richtig zu lizenzieren … im Grunde genauso lange wie bei nicht-offenen Materialien. Erfahrungsgemäß wird bei diesen jedoch häufig einfach nicht auf die Lizenzen geachtet. Dies spart Zeit, sollte dann jedoch nicht als Argument gegen OER verwendet werden.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Das Handbuch für digitale Bildungsformate” – ein Werk von Christian Pfliegel.
Das Handbuch gibt allen Menschen, die bisher selbst wenig Erfahrung in der Durchführung von Online-Veranstaltungen haben, Werkzeuge, Tipps und Tricks an die Hand für einen guten Einstieg in die digitale Bildung. Vom Einladungsschreiben, über die Technik, bis hin zur Planung und Konzeption auch großer Veranstaltungen.
Zum nächsten Kapitel…