Bestimmte Kommunikationskanäle sind bei einer reinen Online-Kommunikation reduziert (siehe hierzu auch das Theorie-Kapitel zu computervermittelter Kommunikation weiter hinten im Buch). Da beispielsweise Körpersprache sowie Mimik und Gestik nur reduziert beim Gegenüber ankommen ist auch die Gefahr von Missverständnissen ungleich höher als in Präsenz.
Vor allem bei Gruppen in denen sich die Teilnehmer:innen noch nicht kennen, müssen Sitzungen im Plenum daher gut moderiert werden. Diese Plenumsrunden sind für alle relativ anstrengend, weshalb sie regelmäßig von Kleingruppenphasen unterbrochen werden sollten. In der Regel gibt es in Online-Veranstaltungen weniger Feedback, welches zudem eher aktiv eingeholt werden muss.
2.7.1 Tipps für eine souveräne Online-Moderation
Die folgenden Tipps können dabei helfen, dass du online besser moderierst:
- Die Teilnehmer:innen häufig direkt ansprechen und regelmäßig nachfragen, ob sie etwas (nicht) verstanden haben.
- Handlungen des Veranstaltungsteams sollten klar und deutlich verbalisiert werden: Am besten Schritt für Schritt jeden Mausklick erklären, da dieser ja für die Teilnehmer:innen nicht sichtbar ist: „Ich teile jetzt den Bildschirm. Ich öffne jetzt das Pad. Ich teile jetzt die Kleingruppen ein, dies kann einen Moment dauern. Ihr bekommt eine Einladung als Pop-Up, die Kleingruppenarbeit wird 5 Minuten dauern, danach kommt ihr automatisch zurück, es läuft eine Uhr, die euch sagt, wieviel Zeit ihr noch habt“ usw. Stringenz und Selbstvertrauen zeigen.
- Auf die eigene Mimik und Gestik achten!
- Input, Moderation und Technik, wenn es irgendwie geht, trennen und auf verschiedene Personen aufteilen.
- Es ist empfehlenswert, lange Vorträge im Vorfeld aufzunehmen und hochzuladen, da dies mehrere Vorteile mit sich bringt: Die Verfügbarkeit ist auch bei technischen Schwierigkeiten garantiert. Die Teilnehmer:innen können sich einen längeren Vortrag in ihrem Tempo anschauen und ggfs. aufteilen. Die sowieso immer zu knappe Live-Online-Zeit wird für Interaktionen und Diskussionen genutzt.
- Stille ≠ Zustimmung: Jede Nachdenkpause bedeutet Stille und die Bedeutung ist im Online-Raum sowohl für die anderen Teilnehmer:innen als auch für die Moderation schwieriger einzuschätzen als im Präsenzseminar. Es empfiehlt sich, dies zu Beginn kurz zu thematisieren, sodass alle Beteiligten hierfür sensibilisiert werden. Für die Moderation bedeutet dies, dass in Online-Seminaren häufigeres Nachfragen oder eventuell Teilnehmer:innen direkt mit Namen ansprechen erfolgen sollte, um zu erfahren, was die anderen denken (ohne Zwang natürlich!).
2.7.2 Machtgefälle
Das Machtgefälle zwischen Veranstalter:innen und Teilnehmer:innen und auch zwischen den Teilnehmer:innen ist in Online-Seminaren anders als in Präsenzseminaren. Auch dies hat Auswirkungen auf die Moderation sowie auf die Kommunikation im digitalen Raum.
In einem Online-Seminar sind folgende Machtgefälle zu nennen:
- Einschränkungen wirken sich im Online-Raum anders aus: Mobiliätseinschränkungen sind im Online-Raum in der Regel weniger problematisch, Seh- oder Höreinschränkungen müssen in der Konzeption dringend mit eingeplant werden (siehe hierzu auch das Kapitel zur Barrierefreiheit).
- Sprache: Möglicherweise ist es schwieriger Sprache zu verstehen, vor allem, wenn es nicht die Muttersprache ist. Jede:r hat schon die Erfahrung gemacht, dass telefonieren in einer Fremdsprache ungleich schwerer ist. Manche Programme bieten eine Untertitelfunktion. Diese ist im Deutschen in der Regel aber unbrauchbar (Stand: März 2021). Manche Konferenzsysteme bieten die Möglichkeit einer zweiten Tonspur (nicht automatisiert), um Übersetzungen anzubieten.
- Die Art des Geräts (mobil vs. PC-Hardware) kann Einfluss darauf haben, wie die Teilnehmer:innen im Seminar agieren können.
- Die digitale Kompetenz der Teilnehmer:innen hat Einfluss auf die Interaktionsmöglichkeiten, vor allem auch auf die Geschwindigkeit. Lieber mehr Zeit geben für einzelne Aufgaben.
- Arbeitsplatz: ist dieser ruhig und ohne Störungen? Wie ist die Qualität der Internetverbindung. Ist die Stromversorgung stabil?
Bei anderen Aspekten ist das Machtgefällte in Online-Veranstaltungen sogar weniger ausgeprägt:
Der Körper spielt weniger eine Rolle: Nur die Köpfe sind zu sehen, dadurch wirken alle erstmal gleich groß. Verstärkt durch die Kachelansicht sind alle erstmal gleich berechtigt. Dies hat jedoch auch zur Folge, dass einzelne Teilnehmer:innen weniger auffallen, was Vor- und Nachteil zugleich sein kann.
Manche Teilnehmer:innen haben durch die Online-Situation weniger Hemmungen, das Wort zu ergreifen. Dies trifft vor allem auf Menschen zu, die Probleme haben vor Gruppen zu sprechen. Da die Gruppengröße bei Online-Veranstaltungen subtiler ist, fällt es machen (introvertierten) Menschen leichter, frei zu sprechen, bzw. überhaupt zu Wort zu kommen. Dies kann für die Inhalte ein enormer Zugewinn und eine echte Chance sein!
Wenn Kinder/Partner:in/Tiere/persönliche Dekoration im Hintergrund während einer Konferenz auftauchen können Menschen persönlicher und privater wirken, als wenn sie die Chef:in-Rolle im Büro innehaben.
Dadurch dringt aber auch der Bereich Arbeit tief in den Bereich Privatsphäre ein. Deshalb gut überlegen, wie viel persönliches durch indirekte Bilder nach außen kommuniziert werden soll!

Praxistipp
Der Umstand, dass eine Online-Veranstaltung eventuell tief ins Privatleben eindringt, kann der Grund sein, warum einzelne Teilnehmer:innen ihre Webcam nicht anschalten wollen. Auch hierfür sollte ein gewisses Verständnis aufgebracht werden.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Das Handbuch für digitale Bildungsformate” – ein Werk von Christian Pfliegel.
Das Handbuch gibt allen Menschen, die bisher selbst wenig Erfahrung in der Durchführung von Online-Veranstaltungen haben, Werkzeuge, Tipps und Tricks an die Hand für einen guten Einstieg in die digitale Bildung. Vom Einladungsschreiben, über die Technik, bis hin zur Planung und Konzeption auch großer Veranstaltungen.
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