Tief durchatmen. Vor allem, wenn du bisher nur wenige Erfahrungen als Veranstalter:in von Online-Veranstaltungen hast, empfiehlt es sich etwas Zeit für den Anfang einzuplanen. Es kann dir auch Sicherheit geben, wenn du den Raum schon 15 Minuten vor dem eigentlich Beginn nur für dich öffnest, um dich noch einmal mit allen Funktionen vertraut zu machen.
Zu Beginn die Teilnehmer:innen einzeln begrüßen und dies gleich mit einem kleinen Technik-Check verbinden. Dies ist auch ein guter Zeitpunkt, um den Chat und auch die Stummschaltung einzuführen. Sollte die Verbindung bei einzelnen Teilnehmer:innen schlecht sein, testen lassen, ob ein anderer Standort in der Wohnung besser ist. Sollte die Verbindung so langsam sein, dass eine Sprachverbindung nicht möglich ist, dem oder der Teilnehmer:in noch einmal die Telefonnummer in den Chat schreiben, unter der du für weitere Absprachen zu erreichen bist.
Wie weiter vorne schon geschrieben: Es empfiehlt sich, mehrere Breakoutgruppen zu öffnen, in welchen die Teilnehmer:innen zu dritt oder zu viert miteinander ins Gespräch kommen können. Dadurch kommen sie in einem kleineren Kreis an und machen sich schon mal mit den anderen Teilnehmer:innen bekannt und mit der Technik vertraut.
2.6.1 Gemeinsam ankommen
Zu Beginn des Online-Seminars empfiehlt es sich, auf die Rahmenbedingungen hinzuweisen. Die Grundlagen hierfür können sein: Fehlerfreundlichkeit für alle, Geduld mit der Technik, Selbstverantwortung, Konzentration. Auf die Vorteile und Nachteile des Online-Seminars hinweisen. Gefühle willkommen heißen. Wir sind alle Lernende!
2.6.2 Moderation und verbale Kommunikation
Zu Beginn ist es gut, Hinweise zur Moderation, zur Kommunikation sowie zu Gesprächsregeln vorzuschlagen, bzw. gemeinsam mit der Gruppe zu entscheiden. Für den weiteren Verlauf ist es von Vorteil, wenn alle Teilnehmer:innen zumindest einmal gesprochen haben. Da dies bei einer großen Gruppengröße (20 Teilnehmer:innen und mehr) schwierig und zeitaufwendig sein kann, ist es sehr ratsam so früh wie möglich in der ersten Session einen Kleingruppenmoment. einzuplanen. Die große gefühlte Distanz wird dadurch zum Teil abgebaut.
2.6.3 Gesprächsregeln
Auch die Gesprächsregeln sollten gleich zu Beginn verbindlich für alle festgehalten werden. Es empfiehlt sich, diese noch strikter als in einem „normalen“ Seminar einzuhalten, da die einzelnen Teilnehmer:innen durch die Distanz unsichtbarer sind. Folgende Regeln haben sich in der Praxis gut bewährt:
- „Hand heben“ regeln: Einige Programme für Videokonferenzen haben es eingebaut, dass sich die Teilnehmer:innen zu Wort melden können. Ist diese Option im verwendeten Programm vorhanden, empfiehlt es sich, diese einzuführen und zu nutzen. Bietet die eingesetzte Software diese Option nicht, bitte einen Ersatz einführen und festlegen. Optionen sind beispielsweise, dass die Teilnehmer:innen ein Sternchen (oder ein anderes Symbol) in den Chat schreiben, ein echtes Handzeichen geben oder auch ihr Mikrofon einschalten, wenn sie etwas sagen wollen: Ich schalte mein Mikro an, wenn ich etwas sagen möchte, und schalte es aus, wenn ich fertig bin. Erfordert Disziplin, aber klappt.
- Sprechregeln: Die Regel „Pro Handzeichen eine Frage“ sollte dringend eingehalten werden. Stellt ein:e Teilnehmer:in gleich mehrere Fragen, wenn sie während der Diskussion an der Reihe ist, können sich die anderen schnell vernachlässigt fühlen. Deshalb die Regel: Öfter melden mit kurzen Redebeiträge!
- Chat: Der Chat kann sehr schnell sehr unübersichtlich werden, vor allem wenn abwechselnd mit der ganzen Gruppe oder mit Einzelpersonen geschrieben wird. Daher ist es besser, den Chat nur sehr sparsam einzusetzen und nicht für die Dokumentation von Inhalten.
- Reaktionen: Durch die Distanz sind Reaktionen aller Beteiligten oft schwer erkenn- und sichtbar. Es verbessert die Arbeitsatmosphäre sehr, wenn die Teilnehmer:innen von Anfang an ermutigt werden, sichtbare Reaktionen zu zeigen. Möglichkeiten sind hier eingebaute Funktionen der Software wie „Applaus“ oder „Daumen hoch“.
2.6.4 Ansichten: Die unterschiedlichen Einstellungen
Fast alle Videokonferenz bieten mittlerweile verschiedene Ansichten an. Es empfiehlt sich, diese gleich zu Beginn den Teilnehmer:innen kurz vorzustellen:
Sprecheransicht, Kachelansicht, Pins
Viele Videokonferenzsyteme (z. B. Zoom, Jitsi, Goto-Meeting u. a.) erlauben ein Umschalten zwischen Sprecher- und Galerieansicht. Bei der Sprecheransicht ist die Person groß eingeblendet, die gerade spricht, während die anderen Teilnehmer:innen in kleinen Fenstern sind. Bei der Galerieansicht werden alle Teilnehmer:innen in gleich großen Fenstern abgebildet (bei sehr großen Gruppen teils auf mehreren Seiten).
Seit Oktober 2020 bietet Zoom noch weitere Möglichkeiten der Anordnung – „Pins“ und „Fokussieren für alle“:
Um einen Pin zu setzen musst du einfach auf das Videobild ein:er Teilnehmer:in gehen und dort auf die 3 Punkte klicken => Pin. Auf diese Art kannst du festlegen, welche Teilnehmer:innen du an welcher Stelle sehen willst. Dies ist praktisch bei großen Gruppen: Du musst deine Team-Mitglieder nicht länger suchen, sondern kannst ihnen eine feste Stelle zuweisen und hast sie immer im Blick.
Fokussieren für alle: Diese Option sehen Host und Moderator:in. Hierzu ebenfalls einfach auf die 3 Punkte im Video der Teilnehmer:in klicken und Fokussieren für alle wählen. Dies sorgt dafür, dass ein:e Teilnehmer:in bei allen in groß in der Sprecheransicht gezeigt wird. Eine wunderbare Option, wenn ihr eine:n Referent:in habt, der/die einen Vortrag ohne eine Präsentation hält.
Nicht vergessen: Wenn wieder alle gezeigt werden sollen die Option wieder deaktivieren!
2.6.5 Schriftliche Kommunikation
Für die schriftliche Kommunikation sollte der Chat, wie oben bereits geschrieben, nur sehr sparsam genutzt werden. Als Alternative bietet sich hier ein Pad an, das von allen gemeinsam bearbeitet wird. Beispiele, welche Software hierfür verwendet werden kann, finden sich in Kapitel 2.11.
2.6.6 Programm
Zu Beginn ist es sinnvoll, das Programm des Online-Seminars noch einmal kurz durchzugehen und vorzustellen. Dabei unbedingt auch auf die Methoden in den verschiedenen Abschnitten des Seminars eingehen, damit die Teilnehmer:innen von Anfang an mit diesen vertraut sind oder ggfs. Rückfragen zur Technik stellen können.
2.6.7 Online-Energizer
Video-Konferenzen sind für alle Beteiligten oft sehr anstrengend und ermüdend. Auch der Einstieg kann auf Grund von Distanz, Fremdheit und ungewohnter Situation oft holprig sein. Um das Ankommen etwas zu vereinfachen, bietet sich bereits hier ein Online-Energizer an, die in einem eigenen Kapitel vorgestellt werden.
2.6.8 Aufzeichnungen und Screenshots
Ein wichtiger Punkt, der mit allen Teilnehmer:innen abgesprochen werden muss, und der unbedingt klar zu kommunizieren ist, sind Aufzeichnungen der Veranstaltung.
Eine Aufzeichnung hat den Vorteil, dass Inhalte auch später noch einmal angesehen werden können. Dagegen spricht die Beobachtung aus der Praxis, dass eine Aufzeichnung manche Teilnehmer:innen hemmt und sie weniger frei interagieren.
Diese beiden Punkte müssen gegeneinander abgewogen werden; die Entscheidung sollte klar und transparent kommuniziert werden. Hierzu gehört auch, wem eine evtl. Aufzeichnung wie zugänglich gemacht werden soll.
Ein weiterer Punkt ist der Umgang mit Screenshots der Veranstaltung. Hier am besten die Teilnehmer:innen darauf hinweisen, dass Screenshots höchstens privat verwendet werden dürfen, eine Weitergabe oder Veröffentlichung ist aus Datenschutzgründen, aus Gründen des Copyrights und aus Persönlichkeitsrechtsgründen häufig nicht zulässig!
Von einer Veröffentlichung von Screenshots in den sozialen Netzwerken ist dringend abzuraten, außer alle Beteiligten haben hierzu ihre Zustimmung gegeben (z. B. durch ein gemeinsames Winken in die Kamera, am besten jedoch vorher schriftlich festgehalten).

Praxistipp
Eine schöne Alternative kann es sein, so genannte Feedback-Kärtchen zu verwenden. Bunte Kärtchen, die kreativ gestaltet werden können und dann in die Kamera gehalten werden. Dies kann auch eine kreative Vorbereitungsaufgabe für die Teilnehmer:innen sein! Solche Kärtchen finden sich auch weiter hinten in diesem Handbuch!
2.6.9 Biopausen
Betonen, dass es OK ist, kurz aufzustehen, Tee zu holen oder zur Toilette zu gehen, genauso wie es bei Präsenzseminaren der Fall ist. Einfach Kamera kurz ausschalten, damit den Moderator:innnen eine kurze Abwesenheit signalisiert wird.
2.6.10 Internetquatsch
Ein Live-Blick aus einem zufälligen Fenster irgendwo auf der Welt, der Klang eines Waldes, das Schwimmverhalten eines Eisberges: Im Internet finden sich zahlreiche unterhaltsame Seiten, deren Einsatz auch die Ankommphase eines Online-Seminars auflockern kann.
Eine gute und kuratierte Liste solcher Angebote findest du auf der Webseite www.internetquatsch.de. Einfach mal reinklicken und schauen, vielleicht findest du ja eine gute Idee für einen unterhaltsamen Einstieg in dein Seminar.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Das Handbuch für digitale Bildungsformate” – ein Werk von Christian Pfliegel.
Das Handbuch gibt allen Menschen, die bisher selbst wenig Erfahrung in der Durchführung von Online-Veranstaltungen haben, Werkzeuge, Tipps und Tricks an die Hand für einen guten Einstieg in die digitale Bildung. Vom Einladungsschreiben, über die Technik, bis hin zur Planung und Konzeption auch großer Veranstaltungen.
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