Online-Seminare sind anders als Präsenzseminare. Anders, aber nicht schlechter! Deshalb solltest du bereits in der Vorbereitung mit einem gewissen Optimismus und mit Lust und Freude auf Neues an dieses Format herangehen! Lehrziele, Zielgruppe und Inhalte sollten bereits von Anfang an mit in die Konzeption einfließen, so dass deine Online-Veranstaltung nicht nur eine Videokonferenz ist.
Sehr hilfreich kann es sein, sich am ADDIE-Modell zu orientieren, das weiter oben vorgestellt wurde. Eine frühzeitige Planung hat sich bewährt!
Folgende Punkte sind dabei dringend zu beachten:
- Viele (auch kürzere) Pausen einplanen, da ein Online-Seminar von den Teilnehmer:innen in der Regel als deutlich anstrengender empfunden wird als ein Präsenzseminar.
- Die Live-Inputs so kurz wie möglich halten. In der Praxis sollten diese nicht länger als 20 bis 30 Minuten sein, da danach die Aufmerksamkeit deutlich abnimmt und die Teilnehmer:innen anfangen andere Sachen „nebenbei“ zu machen.
- Verschiedene Methoden können dabei helfen, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer:innen besser zu binden. Es ist immer gut, wenn sich die Formate „Kleingruppe“, „Plenum“ und „Input“ regelmäßig abwechseln. Längere Sprechzeiten einzelner Referent:innen sollten durch Interaktionen unterbrochen werden.
- Falls möglich eine (passwortgeschützte) Webseite mit allen Informationen anlegen: Login-Daten, Ablauf, Ansprechpartner:innen, alternative Kommunikationswege bei Technikausfall. Eine solche Seite hat den Vorteil, dass die Teilnehmer:innen eine zentrale Anlaufstelle haben und nicht ihr E-Mail-Postfach während der Veranstaltung durchsuchen müssen.

Praxistipp
Nicht jede:r hat eine eigene Webseite. Eine gute Möglichkeit dennoch eine Webseite nur für eine Veranstaltung anzubieten ist die Seite nurkurz.online. Über einen vorher festgelegten Zeitraum kann hier sehr einfach eine temporäre Webseite erstellt werden, und das ohne Vorkenntnisse!
2.1.1 Nicht ausschließlich digital!
Nirgends steht geschrieben, dass in einem Online-Seminar nicht auch nicht-digitale Methoden zum Einsatz kommen können. Je nach Setting und Zielgruppe kann das Einbinden analoger Materialien sogar sehr bereichernd sein:
- Wir alle sitzen in der Regel viel zu viel. Das Einplanen von kleineren Sport- und Lockerungsübungen in das Programm kann hier etwas entgegenwirken. Eine gute Idee ist auch, den Teilnehmer:innen eine Reflexionsaufgabe „mit auf den Weg zu geben“, z. B. auf einen Spaziergang während des Seminars.
- „Zeige uns deine Umgebung“. Bei reinen Online-Veranstaltungen sitzen die Teilnehmer:innen in der Regel alleine irgendwo auf der Welt vor ihrem Rechner. Warum diese Ressource „irgendwo auf der Welt“ nicht mit ins Seminar als Auflockerung an irgendeiner Stelle mit einbauen? Eine mögliche Aufgabe könnte sein: Gehe raus, mache ein Foto in deiner näheren Umgebung (am besten mit thematischen Bezug zum Thema des Seminars) und stelle dieses Foto den anderen Teilnehmer:innen vor.
- Vielen Teilnehmer:innen fällt es leichter, Ergebnisse von Gruppen- und Einzelarbeiten analog auf einem Blatt Papier mit einem Stift festzuhalten. Daher ruhig die Teilnehmer:innen motivieren so zu arbeiten, wie es für sie am besten ist. Ein Ergebnis auf einem Blatt Papier zu fotografieren und dann zu zeigen ist ja kein Problem!
- Falls es dein Budget hergibt, kann ein Paket, das den Teilnehmer:innen vor dem Seminar geschickt wird, für große Freude sorgen. Es kann ein nettes Anschreiben enthalten sein, eine kleine Stärkung in Form einer Knabberei oder auch eine kleine Vorbereitungsaufgabe.

Praxistipp
Eine spannende Webseite, um Fotos von Teilnehmer:innen zu sammeln, ist die Plattform strange.garden. Unter dieser Webadresse kann von den Veranstalter:innen ein Link angelegt werden, den die Teilnehmer:innen einfach aufrufen können. Dort findet sich ein QR-Code. Diesen scannen, es öffnet sich die Kamera des Handys und ein Bild kann hochgeladen werden, das dann für alle anderen sichtbar ist. Ideen aus der Praxis: „Zeige uns deine Kaffeetasse“, „Zeige uns deinen Blick aus dem Fenster“ oder auch „Zeige uns dein Lächeln“.
2.1.2 Zeitplan
Auch bei der Zeitplanung unterscheidet sich ein Online-Seminar von einem Präsenzseminar: dies liegt daran, dass ein Online-Format spezielle Anforderungen an die Leitung, aber auch an die Teilnehmer:innen stellt.
Für die Zeitplanung haben sich in der Praxis die folgenden Tipps bewährt:
- Zeitpuffer einplanen und dringend darauf achten, dass das Programm zur angegebenen Zeit auch wirklich zu Ende ist. Bei Online-Seminaren haben die Teilnehmer:innen noch häufiger direkt im Anschluss Nachfolgetermine: Da die Wegstrecke wegfällt wird von vielen der Abstand zwischen zwei Veranstaltungen knapper geplant.
- Die Online-Veranstaltung so konzipieren, dass sie aus verschiedenen Blöcken besteht, die durch Pausen und Puffer voneinander getrennt sind. Dadurch fällt es leichter, den Zeitplan einzuhalten. Lieber Referent:innen, die ihr Zeitfenster überziehen, unterbrechen als in Verzug zu geraten!
- Vorträge von Einzelpersonen nicht länger als 30 Minuten, da ansonsten akutes Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer:innen droht. Je nach Zielgruppe hat es sich in der Praxis auch bewährt Vorträge bereits im Vorfeld (z. B eine Woche vorher) als Aufzeichnung zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann, nach einer kurzen Zusammenfassung durch die Referent:innen direkt in die Diskussion eingestiegen werden.
- Regelmäßige Pausen, in welchen die Teilnehmer:innen motiviert werden, zumindest kurz vom Rechner wegzugehen.
- Am Anfang des Seminars den Raum für alle eine Stunde (bei großen Veranstaltungen) bis 30 Minuten (bei kleineren Formaten) vorher aufmachen, damit alle Teilnehmer:innen ihre Technik testen können. Nach einem kurzen Test können sie ruhig noch einmal weggeschickt werden. Am besten bereits in der Einladung kommunizieren, dass ein Technik-Check in der Stunde vorher ausdrücklich erwünscht ist. Sich Zeit nehmen für jede:n Einzelne:n und ein wenig Small-Talk verbessert bereits vor Beginn des Seminars die Atmosphäre! Bei Folgetagen oder bei Veranstaltungen mit bekannten Gruppen kann diese Phase natürlich auch entsprechend kürzer ausfallen.
- Empfehlung: In den Pausen das Meeting nicht verlassen, sondern nur die Kamera und das Mikro ausschalten.
- In der Praxis hat sich gezeigt: Je mehr Personen in den Onlineraum eintreten, desto stiller wird es. Diesem Schweigen kann sehr gut entgegengewirkt werden, in dem gleich zu Beginn, nach einer kurzen Begrüßung und nach einem kurzen Technik-Check, die ersten kleinen Breakouträume geöffnet werden. Dies hat mehrere Vorteile: die Teilnehmer:innen können sich in kleiner, privaterer Runde besser kennenlernen. Sie werden gleich mit den Breakouträumen vertraut, während das Team noch letzte Absprachen treffen kann.
- Alle Materialien, die während des Seminars präsentiert werden sollen oder die benötigt werden, gut vorbereiten und am besten in einem eigenen Ordner sammeln. Links können in einem Word-Dokument zusammengefasst werden.
- Sind Präsentationen von Referent:innen geplant empfiehlt es sich, dass diese vorher auch an das Team geschickt werden: Sollte am Tag des Seminars die Verbindung schlecht sein, kann auch eine andere Person die Präsentation zeigen, da die Bildschirmfreigabe doch recht viel Bandbreite benötigt, die dann für Audio und Video fehlt.

Praxistipp
Dauert das Programm des Online-Seminars länger als 5 Stunden (inklusive Pausen), dann die Inhalte lieber auf 2 Tage verteilen!
2.1.3 Rollenverteilung
In Online-Formaten ist es noch wichtiger als in Präsenzseminaren vorher festzulegen, wer welche Rolle übernehmen soll. Daher am besten überlegen und schriftlich festhalten, wer im virtuellen Raum wann welche Rolle (Host, Moderator:in) benötigt, z. B. um per Bildschirmfreigabe eine Präsentation zeigen zu können oder um Kleingruppen bilden zu können. In längeren Online-Veranstaltungen ist es auch für die Teilnehmer:innen weniger anstrengend, wenn sie verschiedene Stimmen hören im Lauf des Tages.
Unterschiedliche Rollen benötigen unterschiedliche Rechte. Neben dem Host sollte immer eine Person zur Sicherheit zum Co-Host ernannt werden: Bricht beim Host die Internetverbindung ab, wäre auch für alle Teilnehmer:innen der Raum geschlossen. Gibt es einen Co-Host und der Host verliert die Verbindung, bleibt der Raum geöffnet.
Zu vergebende Rollen
Normalerweise bietet es die folgenden Rollen in einem Online-Seminar zu vergeben:
- Referent:in: Diese:r gibt den Input und führt durch die Einheit. Es ist besser, wenn diese Person nicht der Host ist, da z. B. das Einlassen in den Raum sehr ablenkend wirken kann.
- Moderator:in: Diese Person sorgt nicht für die Inhalte, sondern ist zuständig für die Kommunikation mit den Teilnehmer:innen und erfüllt dabei folgende Aufgaben: Chat beobachten; Handzeichen von Teilnehmer:innen registrieren; Sprech-Reihenfolge bei Fragen und Diskussionen festlegen; Vorbereitung von Breakouträumen; Bereitstellung von Aufgaben, Links usw. Die Rolle des Hosts liegt am besten bei der Moderation.
- Protokollant:in: Schreibt das Protokoll und dokumentiert das Seminar.
- Technischer Support: Vor allem bei Gruppen, die wenig Übung mit Videokonferenzen haben, sehr empfehlenswert; ist Ansprechpartner:in per Mail, Chat oder Telefon bei technischen Schwierigkeiten und hilft im Hintergrund.

Praxistipp
Vor allem bei größeren Gruppen (>20) ist es auf jeden Fall empfehlenswert, die verschiedenen Rollen mit verschiedenen Personen zu besetzen. Dabei hat es sich bewährt, zu Beginn den Teilnehmer:innen die Personen und ihre jeweilige Rolle vorzustellen: Eine:r sorgt für den Input, eine:r ist der/die Moderator:in und eine:r der technische Support!
ZIM-Methode
Nicht nur für die Rollenplanung ist die ZIM-Methode sehr empfehlenswert:
- Zeit und Ziele: Wie viel Zeit brauche ich für die einzelnen Inhalte? Was soll mit jedem Element des Seminars erreicht werden?
- Inhalte: Was sind die Inhalte/Themen, die bearbeitet werden sollen?
- Methoden: Wie soll der jeweilige Inhalt umgesetzt werden? Wer ist für welchen Teil verantwortlich?

Praxistipp
Benutze die sog. virtuellen Desktops, die alle modernen Betriebssysteme bieten. Auf einem Desktop ist das Online-Seminar offen, auf einem anderen liegen die benötigten Dokumente. Durch einen Wechsel zwischen den Desktops kann so schnell zwischen den Oberflächen gewechselt werden (vorher üben!). Zudem ist es sehr empfehlenswert, Online-Seminare in irgendeiner Form schriftlich (gemeinsam) zu dokumentieren. Möglichkeiten hierzu werden im Kapitel 2.11 beschrieben.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Das Handbuch für digitale Bildungsformate” – ein Werk von Christian Pfliegel.
Das Handbuch gibt allen Menschen, die bisher selbst wenig Erfahrung in der Durchführung von Online-Veranstaltungen haben, Werkzeuge, Tipps und Tricks an die Hand für einen guten Einstieg in die digitale Bildung. Vom Einladungsschreiben, über die Technik, bis hin zur Planung und Konzeption auch großer Veranstaltungen.
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