Teilhabe und Selbstbestimmung durch Digitalisierung?
Stefan Schwarz
Im Schuljahr 2019/2020 wurden etwa 568.000 Schüler:innen mit unterschiedlichem Förderbedarf unterrichtet. Dabei besuchten 325.000 von ihnen eine Förderschule (ME01).
Die Gründe, dass ein/e Schüler:in einen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf (früher oft bezeichnet als Behinderung) aufweist, sind unter anderem Probleme beim Lernen oder in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung haben, eine starke Hör- oder Sehbeeinträchtigung, ein körperliches Handicap oder auch die Diagnose Autismus vorliegt.
Die Digitalisierung bietet dabei eine Vielzahl an Möglichkeiten, die jedoch immer individuell an den jeweiligen Schüler anzupassen sind. Das Ziel dabei ist immer eine möglichst hohe individuelle Selbstbestimmung und Teilhabe in gesellschaftlicher Integration zu ermöglichen. In der von der Aktion Mensch in Auftrag gegebenen Studie Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung” (ME02) wird eingeschätzt, dass die Chance durch Digitalisierung den Risiken und Hindernissen aus mehreren Gründen überwiegen. So können beispielsweise Menschen mit Seh- oder Mobilitätsbeeinträchtigungen Spracherkennungssoftware als Unterstützung einsetzen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Teilhabe in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen durch den Einsatz digitaler Plattformen. Es ist heute möglich, dass unterschiedliche Formen des Freiwilligen-Managements bzw. des Ehrenamts in digitaler Form realisiert werden können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Vernetzung und Teilnahme an unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Diskursen, um sich unter anderem untereinander zu vernetzen und für die eigenen Interessen und Bedürfnisse einzustehen.
Einen wichtigen Beitrag dazu leisten, kann das sogenannte barrierefreie Internet. Darunter versteht man die Nutzung des Internets bzw. von Webangeboten unabhängig von der Art der Beeinträchtigung. Mittlerweile gibt es bereits eine Vielzahl solcher Angebote, die auch hilfreich sind für Menschen ohne Beeinträchtigungen. Beispiele dafür sind, dass Vorliegen von Webinhalten wie Texte und (Erklär-)Videos auch in einfacher Sprache, Videos mit Untertiteln und die Möglichkeit sich Webinhalte vorlesen zu lassen. Auch die Bildvergrößerung von Webinhalten sowie das Ansteuern nur mit Tastatur und Maus sind weitere Beispiele.
Die Förderung der Medienkompetenz in der Schule und außerhalb sollte bei allen Schüler:innen mit und ohne Beeinträchtigung eingeräumt werden. Jedoch sind dabei die individuellen motorischen, kognitiven und sozial-emotionalen Voraussetzungen der Schüler:innen zu berücksichtigen. So ist beispielsweise für eine/n Schüler:in im Rollstuhl unter Umständen die Nutzung einer Sprachsteuerung oder Augensteuerung zu erlernen. Für Schüler mit Beeinträchtigungen im Bereich der sozial-emotionalen Entwicklung kann es zudem eine große Herausforderung sein, ihren Medienkonsum und ihr Mediennutzungsverhalten angemessen zu regulieren und zu reflektieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Medienbildung wichtig ist für ALLE Schüler:innen und als gemeinsame Aufgabe von Schule, Elternhaus und außerschulischen Einrichtungen gesehen werden sollte. Die Mediennutzung ermöglicht für Schüler:innen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen mehr Teilhabe und Selbstbestimmung. Dabei sind jedoch auch die Risiken und Herausforderungen kritisch zu betrachten. Die schulische Bildung ist ein wichtiger Grundpfeiler, um die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen im Zeitalter der Digitalisierung umsetzen zu können.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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