Für Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf Geistige Entwicklung sowie Hören und Kommunikation
Stephanie Löw
Kurzbeschreibung
Nicht nur in den Zeiten des Distanzunterrichts oder Wechselunterrichts kann die Einführung eines Lernmanagement-System (kurz LMS) sinnvoll sein. Auch im Präsenzunterricht bietet ein LMS viele Vorteile, vielleicht auch für Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf. Ein LMS ist eine Plattform, die Lehr-Lernprozesse unterstützt, innerhalb derer (differenzierte) Lernangebote bereitgestellt werden können und über die die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schüler:innen sicherstellt werden kann. Darüber hinaus können ebenso Lernprozesse organisiert und transparent gemacht werden. Eine Bewertung ist gleichwohl möglich. Es können analoge und digitale Angebote zusammengeführt werden.
Es gibt viele verschiedene Anbieter solcher Lernmanagement-Systeme. Die hier folgende Implementierung eines LMS mit Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf geistige Entwicklung und Hören und Kommunikation erfolgt am Beispiel von itslearning(IT01). Diese beispielhaften Ausführungen können aber auch auf andere LMS übertragen werden. Ein LMS ist komplex und bietet vielfältige Möglichkeiten. Gerade bei der Implementierung mit Schüler:innen mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf muss explizit geschaut werden, wie die Möglichkeiten des LMS sind, wie diese zu nutzen sind und wie vor allem eine gewisse Barrierefreiheit zu erreichen ist, bzw. wie ich die Oberfläche möglichst barrierearm gestalten kann. Sicherlich bietet sich, wenn keine LMS zur Verfügung steht, auch TaskCards(IT02, vgl. Kap. 5.1.2) als Alternative an, um den Schüler:innen Lerninhalte auf vielfältige Art und Weise bereitzustellen und die Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand zu fördern.
itslearning als Lernmanagement-System
istlearningals LMS bietet bereits on Board einige Möglichkeiten, die Oberfläche und die Gestaltung einzelner Kurse barrierearm zu gestalten und für möglichst viele Schüler:innen zugänglich zu machen. Durch Verlinkungen (im System Baumlinksgenannt) kann die Oberfläche intuitiv gestaltet werden. Der Mehrheit der Schüler:innen sind Touchoberflächen aus ihrer Umgebung bekannt. Sie wissen, dass verschiedene Schaltflächen mittels Auswählen durch Fingertipp eine Aktion hervorrufen. Dies kann man sich zu Nutze machen und auch innerhalb eines LMS versuchen umzusetzen.


Ebenso gibt es den Plastischen Reader, der Aufgabenstellungen oder auch Text in einem Worddokument vorlesen kann.

Implementierung des Lermanagementsystems (LMS)
mit den Schüler:innen
Unabhängig davon, welches System an der Schule nun letztendlich benutzt wird – allen gemein ist die komplexe Struktur, die nicht unbedingt mit dem Unterstützungsbedarf der Schüler:innen korreliert.
Es folgt nun die Darstellung eines möglichen Einstiegs in das LMS. Zur zeitlichen Einordnung: der siebte und letzte Punkt auf der Liste war nach zwei Monaten täglichen Übens und konstanter Integration in den Unterricht erreicht. Abgeschlossen ist der Lernprozess damit noch lange nicht, aber ein guter und wichtiger Schritt hin zu selbständigem Arbeiten mit dem Lernmanagement-System war so gelegt. Zu Beginn der Implementierung war keine 1:1-Ausstattung vorhanden. Digitale Endgeräte und eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur an der Schule würden den Prozess sicherlich positiv beeinflussen, vor allem hinsichtlich der Zeit, die es braucht, bis die Schüler:innen im Umgang mit dem LMS eine entsprechende Sicherheit erlangen.
Jeder Schritt impliziert immer wieder neu die Auseinandersetzung mit dem System, mit den spezifischen Anforderungen und verlangt beiden Seiten, Lehrkraft wie Schüler:innen, Geduld, Kreativität, Innovationsfreude und Mut ab. Der Mehrwert, der aber am Ende eines erfolgreichen Prozesses den Unterricht bereichert, ist diese Mühe aber wert.
Die Schüler:innen lernen so viel mehr als nur die Funktionen des Systems kennen. Während der Einführung der Nachrichtenfunktion können gleichzeitig andere wichtige Punkte in den Fokus rücken wie zum Beispiel:
- Wie schreibe ich meiner Lehrkraft?
- Was darf ich schreiben ohne dass mein Gegenüber verletzt ist?
- Welche Alternativen habe ich, wenn ich nicht gut schreiben kann und wie kann ich mir selbst helfen? Könnte ich z.B. ein Video oder eine Sprachnachricht aufnehmen?
Ziel sollte sein, dass die Schüler:innen eine gute Handlungskompetenz entwickeln so dass sie nicht auf Dritte angewiesen sind, um das LMS nutzen zu können. Natürlich können und manchmal müssen auch die Eltern oder die Schulbegleiter:in einbezogen werden, aber die Schüler:innen sollten durch stetiges Üben und Einbindung des LMS in den Unterricht dazu befähigt werden, so selbstständig wie eben möglich zu sein.
Der Nutzen eines Lernmanagement-Systems
Die Selbstständigkeit der Schüler:innen wird ungemein gefördert durch die Integration eines LMS in den Unterricht. Die Schüler:innen lernen sich selbst zu helfen. Sie machen die Erfahrung, dass sie nicht immer auf Dritte angewiesen sind. Wenn sie Unterstützung bei einer Aufgabe benötigen, können sie dank des LMS erst einmal schauen, ob bei dem Unterrichtsfach evtl. ein Erklärvideo hinterlegt ist, welches sie sich anschauen können, um so die Aufgabe alleine zu bewältigen.
Das Prinzip Lernen, sich selbst zu helfen kann auch in Form eines Unterstützungskurses umgesetzt werden. Hier können die Schüler:innen spezielle Unterstützung bezüglich des LMS finden. Meistens gibt es bereits das ein oder andere Erklärvideo. Zumeist ist dies aber nicht auf die Bedürfnisse von Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf zugeschnitten. Hier sollte die Schule selbst aktiv werden, um die individuellen Bedürfnisse berücksichtigen zu können und ein angemessenes Angebot machen zu können.
Die Aufgabenbereitstellung in Form eines Wochenplans bedarf ggf. der Voraussetzung, dass den Schüler:innen dies bereits aus analogen Lernsettings bekannt ist. Um die Wiedererkennung zu erleichtern, kann die Struktur in Gänze oder eine ähnliche Struktur in das LMS übertragen werden. Die Schüler:innen finden alles an einem Ort und haben nicht z.B. ein Hausaufgabenheft und müssen sich dann Aufgaben/ Links/ Apps oder ähnliches gesondert noch einmal aufrufen. Dies kann ebenfalls innerhalb des LMS hinterlegt werden. Ein schönes Feature ist die Möglichkeit, Apps, wie z.B. die Worksheet Go!-App direkt aus dem LMS heraus zu öffnen. Man kann ein Bild mit dem entsprechenden Link hinterlegen. So wird es möglich, mit zwei einfachen Klicks das Arbeitsblatt in der App zu öffnen, ohne diese gesondert öffnen zu müssen oder den Code einzugeben bzw. den QR Code abzufotografieren, was auch wiederum verschiedene Handlungsschritte nötig machen würde und eine zusätzliche Barriere darstellen kann.
1. Nachrichtenfunktion kennenlernen
2. Aufgabenplan finden und damit arbeiten
3. Unterrichtsfach finden und Aufgabe bearbeiten
4. Mitteilungen lesen / ansehen / anhören und als Aufforderung verstehen
5. Aufgabenplan komplexer gestalten (Aufgaben innerhalb LMS / App)
6. Aufgaben direkt in dem LMS beantworten
7. Unterrichtsfächer und deren Inhalte erweitern


Der bekannte Unterrichtsablauf kann in digitaler Form ähnlich abgebildet werden. Die Lehrkraft kann den Schüler:innen z.B. Tafelbilder, Aufbau eines Experiments, Unterrichtsergebnisse und vieles mehr zur Verfügung stellen. So kann all das, was zum Lernen nötig ist, individuell, zeit- und ortsunabhängig abgerufen werden. Davon profitieren vor allem diejenigen die viele Wiederholungen und unterschiedliche Zugänge zum Lerngegenstand benötigen. Die Lehrkraft selbst profitiert von der digitalen Bereitstellung, denn es ist eine Entlastung, den Unterricht dementsprechend organisieren zu können. So kann die Lehrkraft selbst jederzeit auf diese Dinge zurückgreifen, um einzelne Inhalte noch einmal zu wiederholen, sei es mit der ganzen Klasse oder in Einzelförderung. Außerdem ist es einfacher, den Unterricht individueller zu gestalten und dieses Material dann bereit zu stellen.
Interaktive Aufgabenformate
Interessant wird es auch bei der Möglichkeit, viele verschiedene Aufgabenformate direkt in das LMS einzubetten. LearningApps.org (IT03) oder auch h5p (IT04), um nur zwei zu nennen, bieten diese Möglichkeit. Auch können Videos/ Erklärvideos direkt hinterlegt und direkt in dem LMS angeschaut werden. Auch Miro (IT05) als Web-Whiteboard kann eingebettet werden. Die Schüler:innen haben so alles an einem Ort und müssen nicht viele verschiedene Schritte lernen und sich einprägen. Der Vorteil ist natürlich auch, dass so der Lerninhalt den Schüler:innen auf ganz unterschiedlichste Art und Weise differenziert, individuell dargeboten werden kann. In itslearning können Seiten fast beliebig gestaltet werden, so dass den individuellen Bedürfnissen von Schüler:innen Rechnung getragen werden kann. Auch können diese Seiten den Schülern:innen zugeteilt werden, so dass sie nur das einsehen können, was für sie selbst relevant ist. So werden sie nicht durch andere Aufgaben abgelenkt. Es ist gewährleistet, dass alle Lernenden das Material und die Unterstützung in ihrem Lernprozess bekommen, die er/sie benötigt. Diese Aufgaben können im Rahmen einer Lerntheke, Stationsarbeit oder ähnliches in den Unterricht integriert werden. Damit können die Schüler:innen den Unterrichtsinhalt auf vielfältige Art und Weise begreifen.

Fazit
Vor allem Schüler:innen, die auf unterschiedliche Zugänge zu Lerninhalten angewiesen sind oder viele Wiederholungen benötigen, können von der Implementierung eines Lernmanagement-Systems profitieren. Die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lernenden müssen bekannt sein und diesen muss bei der Gestaltung Rechnung getragen werden, um eine bestmögliche, barrierearme Lernumgebung schaffen zu können. Auch hat es sich als hilfreich herausgestellt, die Schüler:innen beim Arbeiten zu beobachten, um herauszufinden, welche Wege sie innerhalb des LMS bevorzugen oder welche Symbole am aussagekräftigsten sind.
Voneinander lernen und gemeinsam einen Weg der digitalen Gestaltung zu finden, ermöglicht es, Lernsituationen vielseitig und motivierend zu gestalten. Eine Implementierung erfordert Geduld, aber auch Mut, sich gemeinsam mit den Schüler:innen auf den Weg zu begeben. Ein allbekanntes Sprichwort „Geht nicht, gibt´s nicht“ trifft es hier wohl sehr gut. Die Umsetzung gelingt nicht von jetzt auf gleich, aber mit kleinen Schritten erst einmal zu beginnen, kann zu großem Erfolg führen. Digitalisierung und sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich vielleicht sogar weit mehr, als es auf den ersten Blick scheint.
Weiterführende Hinweise

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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