Wenn Lernmaterialien sich an Lernende anpassen
Karin Reber
Übersicht
![]() | ZABULO | ![]() | ZA01 |
![]() | Nein (Grundversion), Ja (Lizenz) | ![]() | Nein (Grundversion) |
Kurzbeschreibung
ZABULO (Reber & Steidl 2016/2020) ist eine Software, mit der man sehr schnell individuelle und differenzierte Lernmaterialien selbst erstellen kann. Das können Arbeitsblätter, Spiele oder Screenings zum Ausdrucken sein, aber auch Computerspiele zum Üben für Schüler:innen oder mit der App auch Lernspiele/Mini-Apps direkt für das iPad. Mit der intelligenten Bildersammlung können somit analoge bzw. digitale Medien für Unterricht, Diagnostik und Therapie in den Bereichen Sprache (Aussprache, Wortschatz, Grammatik) oder Schriftsprache (phonologische Bewusstheit, Lesen und Schreiben v.a. auf Wortebene) gestaltet werden.
Motivation
In Lerngruppen verfügen Kinder oft über sehr unterschiedliche Kompetenzen in den einzelnen Lernbereichen (vgl. Reber 2017). Aus Individualperspektive kann man auch sagen: Jede/r Lernende hat andere Kompetenzen und einen individuellen Lernfokus. Das gilt z.B.
- für den Schriftspracherwerb: Während manche Kinder schon lesen und schreiben können, fällt es anderen äußerst schwer, Laute abzuhören, sich Buchstaben zu merken oder das Synthetisieren zu verstehen.
- für den Lernbereich Rechtschreiben: Manche Kinder benötigen vertiefte Unterstützung beim Erwerb der Rechtschreibstrategien, eines individuellen Grundwortschatzes bzw. allgemeinen Häufigkeitsgrundwortschatzes sowie teilweise auch neue, motivierende und spielerische Zugänge.
- für den Spracherwerb: Gerade mehrsprachige Kinder oder Schüler:Innen mit Sprachentwicklungsstörungen benötigen zusätzliche Lernangebote für den Erwerb phonetisch-phonologischer (Aussprache), semantisch-lexikalischer (Wortschatz) und syntaktisch-morphologischer (Grammatik) Fähigkeiten sowie zur Unterstützung im Sprachverstehen.
Will man allen Bedarfen entsprechen, ist es unabdingbar, differenzierte Lernangebote anzubieten. Diese sollten eine individuelle Passung haben, in der Zone der nächsten Entwicklung (vgl. Wygotski 1988) ansetzen und Erfolgserlebnisse möglich machen, im Sinne eines individuellen Flow-Erlebens (vgl. Csikszentmihalyi 1995).
Statt lange nach bestehenden, passenden Fördermaterialien zu recherchieren, ist es mit geeigneten Tools zeitsparender, schnell und gezielt eigene zu erstellen. Man könnte sogar sagen: Sehr gezielt adaptierte Lernmaterialien sind vielmehr nur mit digitalen Tools überhaupt mit realistischen Zeitressourcen durch die Lehrkraft erstellbar. Wie das mit ZABULO geht, wird im Folgenden zunächst allgemein in der Handhabung, dann im Speziellen in oben genannten drei Bereichen gezeigt.
Prinzipielles Vorgehen bei der Materialerstellung
Mit ZABULO kann man verschiedene Arten von analogen und digitalen Lernmaterialien erstellen (vgl. Abb. 7.5.1): Arbeitsblätter, Spiele, curriculumbasierte Screenings (CBM), Computerspiele für das Üben am Computer sowie mit der App auch für das Üben am iPad.

Das Computerprogramm ist dabei umfangreicher als die App, denn damit lassen sich auch Materialien zum Ausdrucken erstellen:
- Material-Werkstatt: Bild- und Wortkarten in verschiedenen Größen, Arbeitsblätter, Karteikarten, Arbeitsblätter und einfache Spiele zum Ausdrucken.
- Spiel-Werkstatt: Würfel-, Karten- und Geschicklichkeitsspiele zum Ausdrucken, auch inkl. Aktionskarten, Blankovorlagen und Spielanleitungen in einfacher Sprache.
- Screening-Werkstatt: Informelle, qualitative Screenings mit Auswertungsbögen zum Ausdrucken.
- Computerspiel-Werkstatt/App ZABULO: Kleine Lernprogramme bzw. Apps zum Üben direkt am Computer bzw. Tablet (Weitergabe per Datei und/oder QR-Code).

Ein Lernmaterial erstellt man generell in vier Schritten (vgl. Abb. 7.5.2):
- Layout oder Spielform wählen: Je nach Werkstatt wählt man ein Layout aus, das man gestalten möchte, z.B. hier ein Wort-Bild-Paare-Spiel.
- Nach Begriffen suchen: Mit verschiedenen Suchfunktionen findet man schnell geeignete Wörter, z.B. mit einem Klick nur lautgetreue Wörter, zu einem Wortfeld, mit einem bestimmten Artikel, mit einer maximalen Silbenzahl, mit nur bekannten Buchstaben (z.B. maeiourstln), mit einer bestimmten Rechtschreibbesonderheit (z.B. ah), mit einer bestimmten Auslautschreibweise (z.B. *d für Wörter mit d am Wortende), …
- Begriffe wählen: Aus den gefundenen Begriffen wählt man alle oder nur bestimmte für das eigene Lernmaterial aus.
- Seiten festlegen: Nochmal individuelle Hilfestellungen festlegen, z.B. Artikel einblenden, Lineatur konfigurieren, Hervorhebungen einstellen (z.B. Silbe, Rechtschreibbesonderheit, Morphem), Wortarten visualisieren, …
Am Ende kann man das Material gleich verwenden (ausdrucken oder Lernspiel/App starten) oder speichern bzw. teilen (als Datei bzw. in der App auch als QR-Code).
Das Besondere ist, dass
- das Erstellen sehr schnell geht und man dadurch teilweise in der Unterrichts- oder Therapiesituation spontan und passgenau ein Material erstellen kann, wenn eine Lernbarriere auftritt.
- die einmal ausgewählten Begriffe per Klick/Tipp sofort in verschiedensten Layouts zur Verfügung stehen (Abb. 7.5.3): Binnen Sekunden kann man somit zu einem Begriffs-Set ein Arbeitsblatt für die Einführungsphase, Karteikarten für die Sicherung und verschiedene analoge und digitale Spielformen für offene Übungsphasen generieren. Die Inhalte werden dann multimodal, vielfältig und hochfrequent elaboriert – was gerade für Kinder mit Lern- oder Sprachschwierigkeiten wichtig ist.
- sowohl analoge als auch digitale Lernmedien entstehen (vgl. Reber & Wildegger-Lack 2020), genauso wie spielerische Übungsformen, was die Motivation der Schüler:innen erhöht.

Im Folgenden werden beispielhaft einzelne Anwendungsfälle für Schriftspracherwerb, Rechtschreiben sowie Spracherwerb gezeigt:
Individualisierung im Schriftspracherwerb
Während des Schriftspracherwerbs in Klasse 1 besteht häufig das Problem, dass für Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf ergänzende Materialien genau zum aktuellen Schreiblehrgang und damit passend zur dort genutzten Graphemfolge benötigt werden: Gerade diese Kinder verwirren unbekannte Buchstaben oft sehr. Außerdem benötigt man häufig individuelle Materialien zu spezifischen Schwierigkeiten (z.B. b-d-Verwechslung, Kinder mit Ausspracheproblemen bei sch oder s), die man so speziell meist nirgends finden kann und die man schneller selbst passend erstellt hat.
Problem | Förderidee | Erstellte Beispiel-Materialien |
Kinder verwechseln Laute beim Abhören oder segmentieren die Lautkette ungenau. | Übungen zur phonologischen Bewusstheit wählen, z.B. „Wie viele Silben …?“, „Wo hörst du…?“, „Wie viele Laute hörst du …?“, Reimwörter finden, … Dabei individuelle Bedürfnisse berücksichtigen, z.B. über die Wortlänge, vorkommende Laute, Silbenstruktur der Wörter (Filterkriterien wählen) den Schwierigkeitsgrad anpassen. | Abb. 7.5.4: Arbeitsblätter der Material-Werkstatt: AB zur Analyse der Lautposition sowie Silbensegmentierung |
Die Kinder kennen nur bestimmte Buchstaben oder einzelne Kinder müssen bestimmte Buchstaben nochmal besonders üben. | Mit dem Suchfilter nur diese Buchstaben die Begriffe auf die gewünschten Buchstaben eingrenzen, evtl. zusätzlich lautgetreue Wörter bzw. maximale Silbenanzahl festlegen (bei Kindern mit Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb sehr kurze Wörter!)Im Beispiel hier: Nur lautgetreue Wörter, Buchstaben maeiourstln, maximal zwei Silben, hier als Computerübung mit den zwei Schritten 1. Lautanzahl markieren, 2. schreiben. | Abb. 7.5.5: Computerspiel Profi-Lautdetektiv: Zunächst werden die Laute gelegt, dann die Buchstaben geschrieben. Wörter mit Mehrgraphen werden automatisch in dieser Übung nicht verwendet. |
Rechtschreiben
Im Bereich Rechtschreiben eignen sich besonders die spielerischen Lernformate, da sie motivieren und dasWörter-schreiben-MÜSSEN zum Wörter-schreiben-DÜRFEN wird: Wer die meisten Wörter sammelt, ist Wörtersieger:in! Daneben lassen sich auch noch andere Sieger:innen ausloben, so dass jede/r Sieger:in sein wird (Würfel-, Schönschreib-, Selbstkorrektur- und/oder Korrigiersieger:in, …) (vgl. Miomind-Konzept: ZA02 bzw. Kirch & Reber 2014).
Problem | Förderidee | Erstellte Beispiel-Materialien |
Kinder schreiben kein ie und erkennen v.a. auch die Vokallänge nicht. | Materialien mit Wortbestandteil ie gestalten, dabei die Silbe fokussieren: Die Wörter sprechen, schwingen und schreiben. Dabei die Besonderheiten metasprachlich formulieren und die Vokallänge markieren lassen. Später durch Ablenker erweitern (kurzes i wie in Tisch oder gar Lernwörter mit langem i wie in Kino oder Tiger). | Abb. 7.5.6. Glückspilz mit ie-Wörtern in einer bunten Bild- und einer schwarz-weißen Wortvariante (abschreiben vs. aktiv aufschreiben) Anleitung in einfacher Sprache sowie Blankovorlage, um selbst ie-Wörter aus Büchern, eigenen Texten, … für ein eigenes Spiel zu sammeln |
Kinder lassen sich durch Arbeitsblätter nicht mehr fürs Rechtschreiben motivieren, besonders bei Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS). | Spielerische Lernformen der Spiel- oder Computerspiel-Werkstatt wählen, z.B. Flipper: Hier entscheidet nicht die Rechtschreibkompetenz über den Gewinn, sondern das Glück, so dass auch Kinder mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten gewinnen können. Sieger:in ist, wer die meisten Wörter schreiben DARF und am geschicktesten schnipst… Im Beispiel: Dehnungs-Merkwörter mit aa und oo | Abb. 7.5.7: Flipper als Wort- (nur Abschreiben) oder Bildvariante (aktiv abrufen), erstmal noch ohne Ablenker. Gespielt wird mit Flohchips in einem zugeschnittenen Kopierpapierkarton, allein oder zu zweit, mit jeweils adaptierten Regeln. Aktionsfelder bieten zusätzliche Individualisierungsmöglichkeiten über Aktionskarten. |
In der Spiel-Werkstatt gibt es außerdem nochmal vertiefte Differenzierungsmöglichkeiten:
- Blankovorlagengeben Lernenden die Möglichkeit, individuelle Wörtersammlungen zu erstellen, z.B. einen individuellen Schreibgrundwortschatz (für eigene Geschichten, zu häufigen Themen wie Fußball) oder eine Merkwörtersammlung zu einer Rechtschreibbesonderheit (Meine Wörter mit ah)
- Aktionsfelder(markiert mit ! auf den Spielplänen) bieten die Möglichkeit, ein für die Klasse erstelltes Spiel doch noch für einzelne Kinder ökonomisch zu adaptieren: Ein/e Schüler:in mit Bewegungsdrang erhält die Bewegungs-Aktionskarten („Hüpfe auf einem Bein um den Tisch!“), andere die Lese-Karten („Lies alle deine Wörter laut vor!”) oder die Aktionskarten („Setze einmal aus!“). Auch hier gibt es Blanko-Karten.
- Ausdruckbare Lösungsblätter erlauben Selbstkorrektur oder das Vertiefen zu Hause. Auch Konzepte wie Lernen durch Lehren oder selbstständiges Lernen werden unterstützt.
- Über schnell einstellbare Spielvarianten lässt sich jedes Spiel nochmal im Schwierigkeitsgrad variieren (z.B. Spielvorlage mit Bildern oder Wörtern, Artikel anzeigen oder nicht, Markieren von Silben, nur Großbuchstaben verwenden).
Individualisierung im Spracherwerb
Mehrsprachige Kinder sowie Kinder mit Spracherwerbsstörungen haben oft Schwierigkeiten in den Bereichen Aussprache, Wortschatz oder Grammatik. Im Sinne eines fächerübergreifenden Unterrichtsprinzips der Sprachförderung empfiehlt es sich, sprachfördernde Lernangebote in allen Fächern immer wieder in den Unterricht zu integrieren. Mit ZABULO sind passende Lernangebote schnell zusammengestellt (z.B. Wortschatz- oder Artikeltraining orientiert am Sachunterrichts-Thema, vgl. Reber 2021):
Problem | Förderidee | Erstellte Beispiel-Materialien |
Ein Kind kann sich Wortschatz nur schwer merken, und der Abruf von Wörtern fällt schwer. | Weniger ist mehr: Wenige sehr wichtige Wörter, idealerweise aus einem Wortfeld, auswählen und in verschiedenen Übungsformen hochfrequent anbieten. Hier z.B. Obst und Gemüse mit der Übungsform Wörterjagd. | |
Ein Kind verwechselt ständig die Artikel (Genus der Nomen) im Bereich Grammatik. | Im Sinne einer Genusförderung können z.B. erst einmal nur maskuline Begriffe gewählt werden (evtl. im Wortfeld der Klasse). Nach einer metasprachlichen Kick-Off-Phase zu den Artikeln wird ein weiteres Genus (z.B. femininum) dazugenommen. Materialien können mit oder ohne Artikel vorgegeben werden. Mit dem Filter Nomen maskulinum etc. kann die Begriffsauswahl reduziert werden. Je nach Layout werden die Artikel nur passiv rezipiert oder aktiv produziert. | Abb. 7.5.9: App Wort-Bild-Paare, nur mit maskulinen Tieren, um diesen Artikel häufig zu nutzen. Später werden dann Tiere anderer Genera hinzugenommen. Einstellbar: Anzeige mit oder ohne Artikel (Rezeption vs. Produktion), mit oder ohne Silbenmarkierung etc. |
Fazit
Mit ZABULO kann man schnell und einfach verschiedenste Lernmaterialien erstellen. Dadurch ist es auch im eng getakteten Unterrichts- und Therapiealltag zeitökonomisch möglich, für einzelne Schüler:innen ganz individuelle Angebote zu gestalten und erfolgreiche Lernwege zu ermöglichen.
Literatur
Csikszentmihalyi, M. (1995): Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta.
Kirch, M. & Reber, K. (2014): Mit allen Kindern spielerisch richtig schreiben lernen. Das Spiel als inklusive Methode. In: Sache Wort Zahl 42, 43-49.
Reber, K. (2017): Prävention von Lese- und Rechtschreibstörungen im Unterricht. Systematischer Schriftspracherwerb von Anfang an. München: Ernst Reinhardt.
Reber, K. (2021): Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie: Reale und digitale Lernwelten verknüpfen. In: mitSprache 2, 5-24.
Reber, K. & Steidl, M. (2016): Computerprogramm zabulo. Individuelle Lernmaterialien selbst erstellen. Paedalogis: Weiden. URL: ZA01 (abgerufen am 29.10.2021)
Reber, K. & Steidl, M. (2020): App zabulo. Paedalogis: Weiden. URL: ZA01 (abgerufen am 29.10.2021)
Reber, K. & Wildegger-Lack, E. (2020): Sprachförderung mit digitalen Medien: Von real bis digital. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag.
Wygotski, L.S. (1988): Denken und Sprechen. Frankfurt am Main: Fischer.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
Zum nächsten Kapitel…