Tipps, Tricks und ein wenig Theorie für eine – meist digitale – Umsetzung
Tobias Rumohr
Der Elternsprechtag naht – die Laune sinkt
Elterngespräche werden von vielen professionellen Kräften als Belastung angesehen. Gründe dafür liegen bei vielen Kolleg:innen in mangelnden Zeitfenstern zur Planung, Durchführung und Nachbereitung der Gespräche. Auch sogenannte Tür-und-Angel-Gespräche sowie Gespräche, bei denen schon vorab absehbar ist, dass als problematisch erlebte Situationen auftreten können, zählen zu diesen Faktoren.
Kontaktbeschränkungen – und nun?
In Folge der Coronavirus-Pandemie entstand die Notwendigkeit, Elterngespräche auf Distanz durchzuführen. Doch auch abseits pandemischer Lagen bestehen Argumente für Distanztreffen mit Eltern, beispielsweise wegen Einschränkungen in der Mobilität oder eng getakteter Tagesabläufe.
Im Rahmen unterschiedlicher Fortbildungsformate wurden durch die Teilnehmer:innen sowie durch den Autor Ideen für gelungene Elterngespräche auf Distanz entwickelt. Die Grundlagen dafür liegen in Gelingensbedingungen für Elterngespräche in Präsenz (vgl. Ahl, S. 34 ff.). Alle Handlungsmöglichkeiten basieren auf einer systemischen Grundhaltung (vgl. ebd., S. 26ff.).
„Some things do work, sometimes!” (Lane, 1994)
Die in diesem Artikel aufgeführten Tipps und Tricks wurden von Kolleg:innen als hilfreich in Elterngesprächen auf Distanz empfunden. Eine Evidenz für deren Wirksamkeit ist damit natürlich nicht gegeben. Mit Blick auf ein systemisch-konstruktivistisches Menschenbild sollen sie vielmehr als Anregungen dienen, den eigenen professionellen Methodenkoffer um individuell passende Werkzeuge zu erweitern – stets orientiert an den konkreten Gesprächssituationen, die sich mit den unterschiedlichen Eltern und Erziehungsberechtigten der eigenen Schüler:innen ergeben.
Gespräche mit Eltern auf Distanz: digitale Möglichkeiten und Beachtenswertes
Gespräche vor den Gesprächen, oder: mal miteinander schnacken
„schnacken“: norddeutsch, umgangssprachlich: schwatzen, plaudern, sich unterhalten
Schon im Schulalltag unter Präsenzbedingungen fällt Lehrkräften das Herstellen und Aufrechterhalten von Beziehungen zu den Eltern und Erziehungsberechtigten ihrer Schüler:innen nicht immer leicht. Zu selten besteht die Gelegenheit, zwanglosen Smalltalk zu betreiben. Dabei ist Sprechen über vermeintlich Belangloses eine gute Gelegenheit, einander kennenzulernen. Gerade Eltern, die selbst schlechte Erfahrungen mit der Schule gesammelt haben, bringen eventuell Vorurteile aus der eigenen Schulzeit mit in die Beziehung zur Lehrkraft ihres eigenen Kindes. Und auch Lehrkräfte sind nicht davor gewappnet, Eltern und Erziehungsberechtigte vorschnell in Typen-Schubladen verschwinden zu lassen. Der Schnack – oder auch: Smalltalk – bietet die Gelegenheit, einander mit Neugier zu begegnen, um sich im Idealfall vom Gegenüber positiv bestätigen oder überraschen zu lassen. Hierfür eignen sich in Präsenz die sonst so gefürchteten Gespräche zwischen Tür und Angel, da hier keine konkreten Anliegen besprochen werden.
Eine Idee für den „Schnack auf Distanz“: Der digitale Elternstammtisch!
Der digitale Elternstammtisch ist ein regelmäßiger, ungezwungener Online-Treff, auf dem Eltern untereinander und mit der Lehrkraft ins Gespräch kommen. Da es sich hier um ein schulisches Angebot handelt, liegt die Nutzung des schuleigenen Videokonferenz-Dienstes nahe.
Was gilt es zu beachten?
- Themenwahl: Der Elternstammtisch ist kein Elternabend! Entsprechend sollte die Themenwahl möglichst frei von Organisatorischem, Fachlichem und Pädagogischem sein.
- Schaffung einer freundlichen Umgebung: Wahl eines freundlichen Hintergrundbildes, z.B. per Greenscreen oder Bildschirmfreigabe.
- Datenschutz: Der gewählte Konferenzdienst sollte den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Der Zugang zum Raum sollte z.B. durch eine Lobby abgesichert sein.
- Chancengleichheit: Ist es allen Eltern aus technischer Sicht möglich, teilzunehmen? Lösungen:
- Ausgabe von Leihgeräten und ggf. SIM-Karten (Bildungsflatrates),
- Nutzung von benachbartem WLAN (natürlich nach Absprache),
- Angebot eines Technik-Checks für unsichere Teilnehmer:innen vor Beginn des Stammtisches.
Ein Elterngespräch vorbereiten? Muss das sein?
Die vorbereitenden Überlegungen bilden die Grundlagen für ein wertschätzendes, ergiebiges Gespräch auf Augenhöhe. Wie kann das auf Distanz gelingen? Hier einige Tipps, angelehnt an Richtlinien für Präsenzgespräche (vgl. Plagmann, o. J.).
- Klärung der technischen Rahmenbedingungen:
- Gibt es Endgeräte/Netzzugang bei den Eltern? Falls nein: Lösung s. oben unter Chancengleichheit.
- Ist eine technische Einweisung der Eltern, z. B. über ein Erklärvideo oder eine Anleitung, möglich?
- Gibt es eine Notfallnummer, falls während des Gesprächs technische Probleme auftauchen?
- Kommunikationskärtchen – z.B. von Lea Schulz (2020) – an die Eltern ausgeben, um gegebenenfalls bei Tonausfall kommunizieren zu können.
- Sollte das Gespräch per Videokonferenz nicht möglich sein, bietet sich bei mehreren Teilnehmer:innen die Nutzung eines Telefonkonferenz-Dienstes an.
- Die häufig auf Gesprächen in Präsenz angebotenen Snacks kann ich durch ein im Vorfeld an die Eltern per Post versendetes Päckchen Kekse ersetzen.
- Für eine freundliche, datenschutzkonforme Umgebung sorgen:
- Welches Tool will ich nutzen, z.B. den schuleigenen Videokonferenzdienst?
- Ich sichere den Konferenzraum mit einem Passwort und/oder der Lobbyfunktion.
- Den Hintergrund des virtuellen Gesprächsraums kann ich – z.B. per Bildschirmfreigabe – mit einem freundlichen Bild gestalten.
- Inhaltliche Vorbereitung:
- Ich halte „positive Spuren“ des/der Schüler:in bereit, die ich den Eltern zeigen kann, z.B. Arbeitsergebnisse. Dies kann über die Kamera oder die Bildschirmfreigabe geschehen.
- Ich halte Fotos aus der Klasse bereit, z.B. dem Sitzplatz der/des Schüler:in.
- Ich erstelle eine Ressourcen-Liste mit Dingen, die mich an der/dem Schüler:in freuen.
- Bei zu erwartenden Sprachbarrieren sorge ich für eine vorbereitete Visualisierung, z.B. mit Piktogrammen.
Und… Action! Das Gespräch
- Der lockere Start:
- Um die Eltern angemessen zu begrüßen, betrete ich den virtuellen Raum mit zeitlichem Vorlauf.
- Ich achte auf Mimik und Gestik und beachte dabei die Distanz zwischen Kamera (Bildausschnitt) und mir.
- Ich achte darauf, dass ich gut verständlich bin (Lautstärke, Tempo).
- Nun wird zunächst „geschnackt“, z.B. zum Wetter oder den zugesendeten Keksen.
- In die Vollen – das eigentliche Gespräch:
- Ich beginne das Gespräch mit einem Kompliment an den/die Schüler:in bzw. an die Eltern.
- Ich zeige den Eltern die vorbereiteten „positiven Spuren“.
- Per Bildschirmfreigabe oder per Link zu einem kollaborativen Dokument (z. B. bei Cryptpad – Datenschutz beachten!) visualisiere ich die vorbereitete Ressourcen-Liste.
- Ich einige mich mit den Eltern auf die thematischen Schwerpunkte.
- Einen Themenspeicher und weitere Visualisierungen kann ich in einem für alle Beteiligten offenen Dokument oder per Bildschirmfreigabe anbieten (vgl. oben). Es kann sich auch anbieten, ein/e Kolleg:in als Zuständige:n für Visualisierungen und Protokoll hinzuzubitten.
- Wenn ich ein Anliegen habe, formuliere ich dieses als Unterstützungsersuchen an die Eltern, die mich als „Expert:innen“ für ihr Kind unterstützen können.
- Null Problemo!?
- Problematischen Situationen kann ich auch in Distanz-Gesprächen mit einer Auswahl an systemischen Techniken begegnen. Hierzu zählen u.a. Wunderfragen, Paradoxe Interventionen, zirkuläre Fragen, Fragen nach einer erwünschten Zukunft, aktives Zuhören, Paraphrasieren, Dialogkonsens, WWW-Methode (vgl. Ahl 2019, S. 59ff.; Müller, Palzkill & Schute 2015, S. 69ff.).
- Gerade in solchen Situationen achte ich auf Mimik, Gestik und die Verständlichkeit meiner Sprache.
- Fast geschafft!
- Am Ende des Gespräches finde ich einen Konsens mit den Eltern zum weiteren Vorgehen.
- Ziele und Verantwortlichkeiten werden im Protokoll festgehalten.
- Ich vereinbare einen neuen Termin.
- Ich kündige die Zusendung des Protokolls, z.B. per Mail (Datenschutz beachten!) oder per Post an.
- Ich bedanke mich bei den Eltern für die sich genommene Zeit und die konstruktive Zusammenarbeit.
- Ich erkläre, wie sie den virtuellen Raum sicher verlassen können.
- Ich verlasse den Videokonferenzraum zuletzt.
Zeit für die Nachbereitung
- Ich sende den Eltern das Protokoll zu und bedanke mich in diesem Zuge nochmal für die Zusammenarbeit.
- Ich setze getroffene Vereinbarungen mit den Eltern möglichst zeitnah selbst um.
- Ich reflektiere:
- für mich und/oder mit der/dem ggf. ebenfalls anwesenden Kolleg:in: Was hatte ich vor? Wie lief es? Wie habe ich mich in Situation xy gefühlt? Was behalte ich bei? Was möchte ich beim nächsten Mal ändern?
- mit weiteren Kolleg:innen (online oder in Präsenz): Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Haben sie Tipps für mich? Kann ich mit Tipps weiterhelfen?
Fazit
Ein Gespräch mit Eltern online durchzuführen ist auch mit diesen Ideen manchmal eine Herausforderung, da technische Unwägbarkeiten oder Benachteiligungen in der digitalen Ausstattung auf Seiten der Eltern nicht immer ausbleiben. Ein baldiger Ausbau der digitalen Infrastruktur wäre auch unter diesem Aspekt sehr wünschenswert, bietet doch das Gespräch per Videokonferenzdienst eine gute Möglichkeit, Eltern schnell, hochfrequenter und ohne großen Organisationsaufwand zu treffen. Und so wäre dann auf einem weiteren Wege das möglich, was für eine ergiebige, vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne der Schüler:innen Voraussetzung ist: ein erfolgreicher Beziehungsaufbau mit deren Eltern und Erziehungsberechtigten.
Literatur
Ahl, K. (2019): Elterngespräche konstruktiv führen. Systemisches Handwerkszeug. Göttingen: Vandenhoeck + Ruprecht.
Müller, G.; Palzkill, B. & Schute, E. (2015): Erfolgreiche Gesprächsführung in der Schule. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor.
Plagmann, E. (o. J.): Leitfaden für ein erfolgreiches Elterngespräch. (unveröffentlichtes Seminarpapier ohne Jahresangabe)
Schulz, L. (2020): Kommunikationskärtchen. URL: EL01 (abgerufen am 06.09.21)

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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