Der Escape-Room für jede Klasse
Stefan Schwarz
Kurzbeschreibung
Escape-Rooms im schulischen Kontext – sogenannte Edubreakouts – erfreuen sich einer stetig wachsenden Beliebtheit in Klassenzimmern. Insbesondere im sonderpädagogischen und inklusiven Bildungskontext bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten in allen Klassenstufen an. Insbesondere die Förderung sozialer und kommunikative Kompetenzen in einem spielerischen Rahmen bilden dabei einen großen Schwerpunkt. Der Artikel zeigt außerdem, wie unterschiedlich diese Methode im Unterricht eingesetzt werden kann und welche Formen der Differenzierung zum Tragen kommen können.
Es wird zusehends unruhiger und lauter im Klassenraum. Die Anspannung bei allen Teilnehmenden steigt. Eine Gruppe von Schüler:innen steht um einen Tisch und versucht das letzte Schloss der Schatzkiste zu öffnen, um noch rechtzeitig das Gegengift zu bekommen. Der Timer zeigt nur noch zwei Minuten an. Welcher verborgene Zahlencode verbirgt sich hinter der mysteriösen Nachricht –
„Hast du schon das Gegengift zurückgebracht?“
Plötzlich fällt einer Schülerin beim genaueren Hinsehen auf, dass einige Buchstaben kursiv geschrieben sind und das Wort Hundert zu lesen ist. Das muss doch der dreistellige Zahlencode für das letzte Schloss sein! Die letzte Minute läuft. Mit etwas zittrigen Händen wird der Zahlencode eingegeben. Es macht klick. Die Schatzkiste lässt sich öffnen. Jubel bricht bei den Schüler:innen aus. Das Gegengift wurde noch knapp vor Ablauf der Zeit gefunden.
Dieses Unterrichtsbeispiel ist mittlerweile auch in deutschen Klassenzimmern in sämtlichen Schulformen und Klassenstufen keine Fiktion mehr. Die Grundidee der Unterrichtsmethode Edubreakout ist angelehnt an Escape-Rooms, die sich in vielen Großstädten weltweit einer sehr großen Popularität erfreuen. In einem Escape-Room soll ein Team innerhalb einer bestimmten Zeit verschiedene Rätsel lösen, um die Mission rechtzeitig zu erfüllen. Dabei wird die Gruppe beispielsweise in einen Raum eingesperrt und muss sich befreien, wobei auch weitere Räume gefunden werden können.
Bei einem Edubreakout hingegen bekommen die Schüler:innen zu Beginn der Unterrichtsstunde eine (Schatz-)Kiste präsentiert, die mit mehreren Schlössern gesichert ist. Außerdem bekommen sie bereits zu Beginn eine Auswahl an Rätseln und sonstigen Gegenständen. Nach dem Vorlesen der Einstiegsgeschichte läuft die Zeit. Nun gilt es in einer oder mehreren Kleingruppen versteckte Gegenstände zu finden, Rätsel zu lösen, Codes zu knacken und rechtzeitig alle Schlösser der (Schatz-)Kiste zu öffnen. Je besser die Schüler:innen miteinander kommunizieren, sich helfen und als Team arbeiten, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie erfolgreich sein werden.
Aller Anfang ist schwer
Um die Schüler:innen auf diese besondere Unterrichtsstunde einzustimmen, ist eine motivierende Einstiegsgeschichte zugleich der Ausgangspunkt und die Rahmenhandlung für das Edubreakout. Die Einstiegsgeschichte kann passend zur Thematik unter anderem als einfacher Text, Brief, Audio- oder Videodatei präsentiert werden. Gleichzeitig wird erklärt, warum die Schüler:innen bestimmte Rätsel lösen und die Schatzkiste in der vorgegebenen Zeit öffnen sollen.
Die Auswahl der Rätsel und Aufgaben kann sehr flexibel umgesetzt werden. So können Rätsel und benötige Gegenstände auch im Klassenraum, im Schulgebäude oder auch auf dem Schulhof versteckt werden. Rätselformen, die sich für ein Edubreakout eignen, sind unter anderem Multiple-Choice-Aufgaben, Zuordnungsaufgaben, Sortieraufgaben, die Reihenfolge bestimmen, Wahr-Falsch-Aussagen, Spiegelschrift, Schlangentext, Anagramme (Schüttelwörter), Puzzle, Buchstaben- und Zahlencodes und versteckte Nachrichten. Insbesondere die Verwendung einer UV-Lampe, um eine Geheimschrift lesen zu können, ist ebenfalls eine empfehlenswerte Rätselform.
Neben den beschriebenen analogen Rätseln, die beliebig ausgedruckt und auch versteckt werden können, ist die Verwendung von digitalen Rätseln und Tools möglich. So bieten QR-Codes eine Vielzahl an Möglichkeiten für digitale Rätsel, die einfach erstellt werden können. Des Weiteren bietet es sich an, dass die QR-Codes im Klassenraum oder auf dem Schulflur versteckt werden und erst von den Schüler:innen gefunden werden müssen, bevor sie mit einer entsprechenden App auf dem Smartphone oder Tablet decodiert werden können. Hinter einem QR-Code können sich zum Beispiel Anagramme, Hinweise, Fragen oder auch digitale Rätsel verstecken. Die Webanwendung LearningApps (ED01) eignet sich besonders gut für die schnelle und einfache Erstellung von unterschiedlichen digitalen Rätseln. Diese können nach der Fertigstellung in Form eines QR-Codes dargestellt werden. Wird der QR-Code beim Edubreakout mit einer App eingescannt, so können die Schüler:innen ohne vorherige Registrierung und Anmeldung das digitale Rätsel lösen und haben am Ende den gesuchten dreistelligen Zahlencode für ein Schloss.
Für die Erstellung eines Edubreakouts ist ausreichend Zeit einzuplanen, da diese sehr umfangreich ausfallen kann und man unter Zeitdruck erfahrungsgemäß beim Finden und Erstellen von neuen und thematisch passenden Rätseln weniger kreativ ist. Das gemeinsame Erstellen im Team kann eine große zeitliche Entlastung und Bereicherung sein. So können zusammen Rätselideen gesammelt und bei der Rätselerstellung die Aufgaben aufgeteilt werden. Das erste selbst erstellte Edubreakout sollte einen Umfang von maximal – vier bis fünf Rätseln nicht übersteigen und bei der Durchführung nicht länger als 20 bis 25 Minuten dauern.
Durchführung eines Edubreakouts
Plant man regelmäßig die Methode Edubreakout mit seinen Schüler:innen durchzuführen, so empfiehlt es sich folgende Materialien zu besitzen: ein oder mehrere (Schatz-)kisten, Zahlenschlösser (zurückstellbar), UV-Stifte, UV-Lampen, Pattafix, z.B. zum Befestigen von QR-Codes im Schulflur, für jede Gruppe mindestens ein Smartphone oder Tablet mit einer App zum Scannen von QR-Codes sowie mindestens eine Haspe. Bei einer Haspe handelt es sich um eine mechanische Vorrichtung mit sechs Löchern, an der die Schlösser befestigt werden (vgl. Abb. 6.3.1). Die Schatzkiste kann dann auch erst geöffnet werden, wenn das letzte Schloss vom Haspe geöffnet wurde.

Zur besseren Übersicht bei der Vorbereitung und Durchführung eines Edubreakouts sollte eine tabellarische Übersicht auf einer Din A4-Seite erstellt werden, auf der die Rätsel kurz beschrieben, die Schlösser mit dem richtigen Zahlencode notiert und sonstige benötigte Materialien bzw. Vorbereitungen aufgelistet sind (vgl. 6.3.2). Außerdem sollte auf der Übersicht auch die Einstiegsgeschichte zu finden sein.

Alternativ zu den zurückstellbaren Schlössern können auch digitale Schlösser zum Einsatz kommen. Dafür gibt es verschiedene digitale Tools, wie zum Beispiel Google Formulare oder auch LearningApps. In einem Video (ED02) wird exemplarisch gezeigt, wie man mit dem zuletzt genannten Tool dies selber erstellen kann.
In größeren Klassen kann auch ein Ticketsystem verwendet werden. Dabei sollen die Schüler:innen in ihren jeweiligen Gruppen zunächst alle Rätsel lösen und die Zahlencodes auf einem Ticket notieren. Mit diesem gehen sie dann zur/m Lehrer:in und können an einer Schatzkiste überprüfen, ob die Zahlencodes richtig sind, um das Schloss zu öffnen. Anschließend kann die/der Lehrer:in die Schatzkiste wieder verschließen, sodass die nächsten Gruppen nach der gleichen Vorgehensweise ihre Zahlencodes überprüfen können.
Förderung und Differenzierung
Der Einsatz der Unterrichtsmethode Edubreakout eignet sich besonders, um die sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Schüler:innen zu fördern. Aus diesem Grund sind die Rahmenhandlung und die Rätsel so zu erstellen, dass die Schüler:innen als Team zusammenarbeiten müssen, um innerhalb der Zeit erfolgreich zu sein. Durch die individuelle Erstellung sowie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in allen Schulformen, Klassenstufen und Unterrichtsfächern ist diese motivierende Unterrichtsmethode auch bei Schüler:innen mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen sehr gut geeignet.
Selbst erstellte Edubreakouts setzte ich bereits mehrere Jahre im Unterricht bei Schüler:innen mit Unterstützungsbedarfen in den Bereichen körperliche und motorische Entwicklung, Autismus, Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung in den Klassenstufen fünf bis zehn an einer Förderschule ein. Dabei konnte ich beobachten, dass die Schüler:innen bei keiner anderen Unterrichtsmethode in dieser ausgeprägten Form intrinsisch motiviert waren, als Team zusammengearbeitet, sich gegenseitig geholfen, aus Fehlern gelernt haben und besser mit Misserfolgen umgehen konnten.
Als Lehrkraft habe- ich zudem die Möglichkeit verschiedene Formen der Differenzierung bzw. Anpassung vorzunehmen. Man kann als Spielleiter:in die Gruppen – maximal drei bis fünf Schüler:innen – einteilen oder diese Aufgabe der Klasse übergeben. In einigen Klassen – z. B. bei Schüler:innen mit Unterstützungsbedarfen in den Bereichen Autismus oder soziale und emotionale Entwicklung kann es auch hilfreich sein, dass keine feste Zeit für das Lösen der Rätsel vorgegeben ist. So wird ihnen der Zeitdruck genommen und sie können besser im Team zusammenarbeiten.
Während eines Breakouts wird es Situationen geben, bei denen die Schüler:innen vermutlich ohne Hilfestellung nicht weiterkommen werden. Hierbei bietet sich der Einsatz von Hinweiskarten an. Diese werden zu Beginn in einer bestimmten Anzahl an die einzelnen Gruppen verteilt und können bei Bedarf genutzt werden. Die/der Lehrer:in gibt dann einen Hinweis, der zum entsprechenden Rätsel passt. Es ist auch möglich, dass die Durchführung ohne Hinweiskarten umgesetzt werden kann. Dann bekommt die entsprechende Gruppe für jeden eingeforderten Hinweis eine Minute ihrer Spielzeit abgezogen.
In der Schatzkiste sollten vorzugsweise keine Süßigkeiten als Belohnung sein, da die Schüler:innen intrinsisch durch die Methode und das gemeinsame Lösen der Rätsel motiviert sein sollen und nicht durch extrinsische Verstärker. Die Belohnungen sind im Idealfall passend zum Thema und der Einstiegsgeschichte des Edubreakouts. Dafür können auch thematische Sammelkarten (vgl. Abb. 6.3.3) erstellt oder Gutscheine für bestimmte Aktivitäten eingelöst werden.

Besonders aufschlussreich kann ein Edubreakout sein, wenn es in einer Klasse zu Schuljahresbeginn eingesetzt wird. Die/der Lehrer:in kann die Schüler:innen in ihrem Verhalten während der Unterrichtsstunde genau beobachten und sieht unter anderem, wer welche Rolle in der Gruppe übernimmt, welche Lernenden eher dominant oder zurückhaltend sind, wie sie einander zuhören, sich helfen und Hilfe annehmen können, wie geduldig sie sind, mit (Miss)Erfolgen umgehen und vieles mehr. In diesem Sinne kann ein Edubreakout auch als eine Art der informellen Diagnostik für alle Schüler:innen genutzt werden.
Ein Edubreakout sollte mit dem Öffnen der Schatzkiste nicht abgeschlossen sein. Zum Abschluss sollten etwa fünf bis zehn Minuten zur Reflexion eingeplant werden, die mündlich und schriftlich durchgeführt werden kann. Folgende Leitfragen können dabei verwendet werden:
- Warum seid ihr als Team (nicht) erfolgreich gewesen?
- Wie seid ihr beim Lösen der Rätsel und Aufgaben vorgegangen?
- Wie habt ihr die Aufgaben in eurer Gruppe aufgeteilt?
- Wie schwer schätzt ihr das Edubreakout auf einer Skala von 1–10 ein? Welches Rätsel ist euch besonders leicht oder schwer gefallen? Was sind die Gründe dafür?
- Warum möchtet ihr noch einmal ein Edubreakout durchführen oder nicht?
- Was hat euch besonders gefallen? Was hat euch gestört?
- Was ist für euch gute Teamarbeit?
- Was würdet ihr beim nächsten Edubreakout anders oder genauso machen?
- Welche Erfahrungen und Beobachtungen vom Edubreakout könnt ihr auf andere Situationen übertragen?
Fazit
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, um auf weitere Ideen für eigene Rätsel zu kommen. Der Besuch von Escape-Räumen und das Spielen von Escape-Games zu Hause kann eine große Fundgrube für neue Rätselideen sein. Darüber hinaus erfreuen sich auch Escape-Bücher für verschiedene Altersstufen und mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden einer besonderen Beliebtheit.
In sozialen Netzwerken wird man auch fündig, wenn man den Hashtag #edubreakout bzw. #breakoutedu auf Twitter und Instagram eingibt. In der deutschsprachigen Facebook-Gruppe Breakout Edu Germany tauschen sich Lehrer:innen zum Thema Edubreakout aus und teilen dort eigene Ideen und Materialien.
Inzwischen gibt es auch einige Bücher mit fertigen Edubreakouts, wie für die dritte und vierte Klasse der Grundschule (vgl. Knoblauch 2020) sowie für den Deutschunterricht (vgl. Schäfer 2020) und den Geschichtsunterricht (vgl. Schwarz 2020) der Klassenstufen fünf bis zehn.
Eine besondere Herausforderung kann auch das gemeinsame Erstellen eines Edubreakouts mit einer Klasse im Rahmen eines Unterrichtsprojektes oder einer Arbeitsgemeinschaft sein. Eigene Erfahrungen insbesondere mit Schüler:innen mit besonderem Unterstützungsbedarf zeigen, dass dies eine sehr schüler:innenaktivierende und -motivierende Aufgabe ist, die inhaltlich gut vorzubereiten und zu strukturieren ist.
Literatur
Knoblauch, V. (2020): Escape Rooms für die Grundschule – Klasse 3/4. Augsburg: Auer Verlag.
Schäfer, S. (2020): Escape Rooms für den Deutschunterricht 5 – 10. Augsburg: Auer Verlag.
Schwarz, S. (2020):Escape Rooms für den Geschichtsunterricht 5 – 10. Augsburg: Auer Verlag.
Anmerkung der Redaktion
Der Beitrag des Autors basiert auf dem Artikel „Edubreakout – der Escape-Room für jede Klasse”, der veröffentlicht wurde in: Mitteilungsheft des Landesverbands Brandenburg (VDS) 2021, 6-9.