Ist das noch musizieren oder schon programmieren?
Stefan Grabowski
Übersicht
![]() | Garageband | ![]() | iPadOS (MU01) |
![]() | Nein | ![]() | Nein |
Zubehör:
- Gaming-Headset (Kopfhörer mit Mikrofon)
- ggf. Verlängerungskabel für Headset (TRRS Verlängerung)
- Aktivbox (z.B. Computerlautsprecher)
- ggf. Beamer und Adapter für die Verbindung des iPad
Kurzbeschreibung
Mit der App GarageBand bietet Apple für das iPad eine umfangreiche, kostenlose DAW (= Digital Audio Workstation). Die Besonderheit bei dieser App liegt darin, dass diverse Spielhilfen für die verschiedenen Instrumente integriert wurden. So können Schüler:innen auch ohne musiktheoretische Vorkenntnisse oder Fähigkeiten an einem Instrument schnell musikalisch ansprechende Ergebnisse erzielen. Dies wird genutzt, um mit Schüler:innen einen eigenen elektronischen Song am iPad zu produzieren.
Gemeinsames Singen verboten – die Ausgangslage
Ein Proberaum im Keller der Schule ohne wirkliche Möglichkeit zum Lüften, teilweise drei Kinder oder Jugendliche zeitgleich singend am Mikrofon und Bandmitglieder aus verschiedenen Klassen und Stufen – ein Grund hätte gereicht, aber unsere Schulband muss mit Beginn der Pandemie gleich aus mehreren Gründen erst einmal pausieren.
Auf der Suche nach alternativen Formen der musikalischen Betätigung entsteht der Gedanke, analog zu digitalen Lernangeboten auch musikalisch in digitale Gefilde zu wechseln und zu ergründen, inwiefern sich elektronische Musikproduktion mit Schüler:innen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung realisieren lässt. Die Möglichkeiten und Spielhilfen der touch-basierten DAW GarageBand auf dem iPad sollen hierfür einen niedrigschwelligen Zugang bieten.
Drums, Bass und Melodien
Der erste Schritt unserer musikalischen Reise ist die Erstellung eines Instrumentals. Über einen am iPad angeschlossenen Beamer und eine Aktivbox zur akustischen Verstärkung können alle Schüler:innen dem Geschehen durchgängig folgen, auch wenn sie gerade nicht an der Reihe sind. Denn ein großer Nachteil der digitalen Musikproduktion (im Vergleich zur analogen Schulband mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard) ist, dass in der Regel nur eine Person zeitgleich am Bildschirm aktiv sein kann. Durch Teilen des Bildschirms über den Beamer ist es aber allen Schüler:innen möglich, dem Geschehen durchgehend zu folgen, auch wenn sie selbst gerade keinen aktiven Part einnehmen.

Für den Rhythmus nutzen wir den Step-Sequencer in GarageBand (vgl. Abb. 5.2.8.1), mit dessen Hilfe man Grooves durch Markieren von Schaltflächen programmieren kann. Gibt man eine bestimmte Anzahl an Steps pro Instrument vor, die frei im Raster verteilt werden dürfen, entgeht man der Gefahr eines Schlagzeuggewitters und ermöglicht es den Schüler:innen, schnell gut klingende Ergebnisse zu erzielen.

Der Bass wird über ein On-Screen-Keyboard mit voreingestellter Skala eingespielt (vgl. Abb. 5.2.8.2). Dies hat den Effekt, dass man keine falschen Töne spielen kann, da nur die zur jeweiligen Tonart passenden Töne vorhanden sind.
Für die Akkorde steht eine ähnliche Funktion bereit, bei der durch Drücken einer Taste gleich ein ganzer Akkord erklingt. Es können nur die Akkorde gespielt werden, die zur gewählten Tonart passen. Dennoch muss die Akkordlinie zur zuvor eingespielten Basslinie passen, so dass wir hier in mehreren Schritten und mit etwas mehr Anleitung arbeiten.
Als zusätzliche Spielhilfe besteht die Möglichkeit, einen Arpeggiator zu aktivieren, der bei gehaltenen Tönen passend zum Takt rhythmische Muster aus einer oder mehreren Noten generiert. Durch einen Wechsel von Halten und Loslassen ergeben sich so spannende Melodien und die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, ganz ohne Musiktheorie über ein bestehendes Instrumental frei zu improvisieren.
Gesangsaufnahmen
Ein klarer Vorteil elektronischer Musik: Texte müssen nicht sehr elaboriert sein und können dennoch große Wirkung erzielen (Hyper, Hyper). Es genügen oft schon einige prägnante Wörter oder Sätze, um dem Song eine Message mit auf den Weg zu geben. Nach einem Brainstorming zum Thema Liebe, auf das sich die Schüler:innen zuvor geeinigt haben, wurden einige Schlagwörter gefunden. Damit sind die Schülerinnen und Schüler bereit für die Gesangsaufnahmen. Den Gesang für unser Stück nehmen wir über ein Gaming-Headset mit integriertem Mikrofon auf. So können die Schüler:innen gleichzeitig die Musik hören und ihren Part einsprechen/einsingen. Die Sänger:innen stehen dabei in einem separaten Raum, das Headset ist durch ein Verlängerungskabel mit dem Kopfhörereingang des iPads verbunden. Lernende, die unterstützt kommunizieren (UK) können hier beispielsweise über die Sprachausgabe eines Talkers eigene Strophen aufnehmen.
In GarageBand stehen im Anschluss an die Aufnahme verschiedene Hall- und Verfremdungseffekte für die Bearbeitung der Stimme bereit.
Arrangement, Mix und Export

Nachdem alle Instrumente und der Gesang aufgenommen sind, wird unser Stück gemeinsam arrangiert. Wir folgen dabei dem bewährten Muster, die Instrumentierung in den Strophen etwas zurückzunehmen (indem wir einzelne Instrumente wegnehmen) und in den Refrains aufs Ganze zu gehen. Der Ablauf eines Stückes lässt sich bei GarageBand über Abschnitte festlegen, die jeweils gekürzt, verlängert, kopiert oder gelöscht werden können (vgl. Abb. 5.2.8.3).
Sollten einzelne Instrumente nicht gut hörbar sein oder sich überlagern, besteht die Möglichkeit, dies mittels Anpassung der Lautstärke oder Einsatz eines einfachen Equalizers zu beheben.
Das fertige Musikstück lässt sich dann als Audiodatei in verschiedenen Formaten (z.B. mp3, WAV, AIFF oder Apple Lossless) aus der App exportieren und teilen.
Mögliche Weiterarbeit
Nach Fertigstellung des Musikstückes ergeben sich einige Anknüpfungspunkte für eine mögliche Weiterarbeit in weiteren medienbezogenen Lernfeldern. So kann (nach Einholung eines entsprechenden Einverständnisses) das Musikstück auf der Homepage der Schule präsentiert werden. Für eine Vervielfältigung des Stückes auf CD oder auch rein digital muss ein Cover (mit passendem Bandfoto) gestaltet werden. Und nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, das Musikstück durch ein selbst gedrehtes Musikvideo in Szene zu setzen.
Fazit
Durch den Einbezug der vielfältigen Spielhilfen wie Step-Sequencer, festen Skalen und Arpeggiator ergeben sich für die Schüler:innen ganz neue Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks. Losgelöst von Musiktheorie und Fähigkeiten an einem bestimmten Instrument können sie sich so ganz auf die Entwicklung eigener musikalischer Ideen und die Einordnung ihrer Ergebnisse („dieser Beat gefällt mir nicht so“… „warum nicht?“) einlassen. Sehr motivierend für die Schüler:innen ist die Tatsache, dass das Ergebnis aufgrund der Produktionsweise relativ professionell klingt. Es entfallen spielerische Mängel am Instrument oder unzureichende Aufnahmetechnik, jedes eingespielte Instrument ist eine digitale perfekte Version eines echten Instrumentes und damit klingen auch die selbst kreierten Melodien entsprechend imposant.
Dieser Ansatz des Musik-Schaffens ist – im Gegensatz zu klassischen Band-Angeboten – deutlich näher an der Art, wie moderner Pop, Hip-Hop oder elektronische Musik produziert wird. Durch eine angeleitete Heranführung an diese Art der Musikproduktion wird so einerseits ein Beitrag zur Medienbildung geleistet, andererseits wird ein Zugang zum produktiven Umgang mit Tablet und Smartphone geschaffen.
Entgegen dem häufig geäußerten Vorbehalt, digitale Musikproduktion habe mehr mit Programmieren als mit Musizieren zu tun, ist das hier vorgestellte Vorgehen ganz klar dem Musizieren zuordnen: Hier wird gemeinsam neue Musik erfunden und aufgenommen. Das iPad und die App GarageBand sind quasi die moderne Form eines Instrumentes (oder vieler Instrumente gleichzeitig). Durch die Nutzung der Spielhilfen lassen sich einige Barrieren, denen Lernende am Instrument früher oder später begegnen, verringern oder beseitigen. Dadurch lernen die Schüler:innen zwar nicht, ein Instrument zu spielen. Sie bekommen aber die Möglichkeit, sich und ihre Gedanken auf künstlerisch-kreative Weise durch selbst erschaffene Musik auszudrücken.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
Zum nächsten Kapitel…