Die Webplattform Reise nach Narrativa digital – eine Welt voller Geschichten
Lea Schröder & Marie-Christine Vierbuchen
Übersicht
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Zusätzliche Informationen: Web-Software für alle digitalen Endgeräte, Reise nach Narrativa digital – eine Welt voller Geschichten ist eine Alternative zum analogen Programm Reise nach Narrativa – eine Welt voller Geschichten des Oldenburger Teams, das bereits evaluiert wurde. Die Förderanwendung ist eine Webanwendung und damit im Internet über jedes beliebige Endgerät aufrufbar.
Kurzbeschreibung
Schreiben als das Verfassen von Texten ist nicht nur in der Schule und dort fachübergreifend, sondern auch für das alltägliche Leben unabdingbar. Schüler:innen sind jedoch häufig mit der Komplexität des Schreibprozesses überfordert und benötigen eine spezifische Förderung (vgl. Eidman-Aadahl, 2019). Die digitale Anwendung Reise nach Narrativa digital – eine Welt voller Geschichten unterstützt die Schüler:innen in der Verbesserung der narrativen Schreibfähigkeiten. Sie leitet anhand eines strukturierten Aufbaus von einer ersten Stichwortsammlung systematisch und motivierend durch den komplexen Schreibprozess bis zu einem fertigen narrativen Text.
Dargestellt als Flugreise in Begleitung von zwei Avataren wird der Prozess zur angeleiteten Schreibreise über verschiedene Inseln mit aufeinander aufbauenden Instruktionen: Auf sieben Leveln (plus Vorbereitungsphase) planen, formulieren und überarbeiten (vgl. Hayes & Flower, 1980) die Schüler:innen ihre Geschichte. Auch für die Lehrkraft stellt diese digitale Anwendung eine Unterstützung der Durchführung ihres Unterrichts dar, da die Anwendung als innovatives digitales Förderprogramm den gesamten Schreibprozess abdeckt. Die Lehrkraft kann nach einer didaktischen Einbettung und Absprachen zum Einsatz der Anwendung das Vorankommen der Schüler:innen in der Anwendung beobachten und, falls notwendig, zusätzlich als Ansprechperson zur Verfügung stehen.
Das Programm enthält verschiedene Aspekte, um einer heterogenen Schülerschaft im inklusiven Unterricht gerecht zu werden. Insgesamt stehen ein möglichst barrierefreier Zugang (visuelle und auditive Darstellung, Zoomen von Texten), eine Phase des Peerfeedbacks, teilweise unterschiedliche Differenzierungsniveaus, digitale Pausenzeiten, strukturierte Hilfsangebote und ein motivierendes Belohnungssystem im Vordergrund. Drei dieser Funktionen sowie das Rahmenkonzept werden hier beispielhaft mithilfe von Visualisierungen (Screenshots aus der Anwendung) vorgestellt.
Vorstellung des Rahmenkonzepts und drei relevanter Bestandteile
Das Rahmenkonzept stellt sowohl die inhaltliche Strukturierung des Schreibprozesses als auch den Aufbau der Anwendung dar und ist somit der wichtigste Aspekt der Anwendung. Drei relevante Bestandteile der Anwendung wurden zusätzlich ausgewählt. Sie bieten Orientierung, Unterstützungsmöglichkeiten und Differenzierung. Dabei handelt es sich um die Pauseninsel, die Warteinsel und das Ersatzteillager.
Das Rahmenkonzept
Die in Abbildung 5.2.3.1 zu sehende Weltkugel stellt das Rahmenkonzept der Anwendung dar. Es dient der Orientierung; die Schüler:innen werden, angeleitet von zwei Avataren, durch den Schreibprozess geführt. In Tabelle 1 ist dargestellt, welche Schritte auf den Leveln absolviert werden müssen. Jedes Level ist durch eine Insel symbolisiert, die in der Anwendung jeweils ausgestaltet und mit Instruktionen und Hilfestellungen versehen ist. Die Phasen dieses Prozesses stützen sich auf belegte wirksame Strukturierungen des Schreibprozesses.


Die Pauseninsel
Die Besonderheit von Reise nach Narrativa digital – eine Welt voller Geschichten ist die Umsetzung des gesamten Schreibprozesses in einer Anwendung. Dieser Prozess kann gemeinsam im Unterricht mit anderen Schüler:innen in der Schule stattfinden oder alleine zu Hause. Im Unterricht kann die Lehrkraft Pausenzeiten festlegen und die einzelnen Level zeitlich so bearbeiten lassen, dass alle Schüler:innen zielführend folgen können. Zuhause fällt das schwerer, daher gibt es eine digitale Pausenzeit mithilfe einer Pauseninsel (vgl. Abb. 5.2.3.2), die zwischen dem Level 4 und dem Level 5 als Angebot genutzt werden kann. Aus didaktischer Sicht ist diese Phase wichtig: Zwischen der Formulierungs- und Überarbeitungsphase soll Zeit vergehen, damit eine gewisse Distanz zur geschriebenen Geschichte aufgebaut und sie anschließend effizienter überarbeitet werden kann.

Die Gestaltung der Pausenzeit wird visuell und auditiv umgesetzt. Es wird ein Bild des Avatars während einer Flugpause am Strand gezeigt und es besteht die Möglichkeit, sich für zwei bis drei Minuten Wellenrauschen anzuhören. Dafür ist unten rechts ein kleines Fenster angelegt, in dem das Wellenrauschen angeschaltet werden kann. Diese Umsetzung der Pauseninsel soll den Schüler:innen das Gefühl vermitteln, selber am Strand zu sein und eine kurze Pause zu machen, bevor es mit dem Überarbeiten des eigenen Textes und der peergestützten Phase weitergeht. Falls keine Pause gebraucht wird, kann auf Weiter geklickt werden und eine Bearbeitung des nächsten Levels ist möglich.
Die Warteinsel mit vierfacher Differenzierung

Die Warteinsel dient der sinnvollen Überbrückung der Zeit, bis die peergestützte Phase des strukturierten Feedbackgebens gestartet werden kann, bis also ein/e weitere/r Schüler:in mit seiner Geschichte am gleichen Punkt angekommen ist und die digitale Anwendung die Geschichten für einen gegenseitigen Bewertungsprozess austauschen kann. Auf der Startseite der Warteinsel (vgl. Abb. 5.2.3.3) kann einer aus drei Bereichen des Schreibens (Rechtschreibung, Grammatik und Texte) von den Schüler:innen ausgewählt werden. Mit Hilfe von Regulatoren wird selbstständig der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben eingestellt. Es werden zu jeder Niveaustufe Beispielaufgaben angezeigt, die der Orientierung dienen. Die Regulatoren der Schwierigkeitsgrade bilden folgende Motive ab: Muschel (1. Niveaustufe), Palme (2. Niveaustufe), Welle (3. Niveaustufe) und Sonne (4. Niveaustufe).
Die Differenzierung der Aufgaben in den Niveaustufen erfolgt kompetenzorientiert (drei Kompetenzbereiche) und entsprechend der heterogenen Zielgruppe nach den verschiedenen curricularen Vorgaben für das Bundesland Niedersachsen (Grundschule, Ende Klasse 4 bis Gymnasium Ende Klasse 6). Auf niedrigerem Niveau werden entweder andere Inhalte angeboten als auf höherem Niveau, oder es werden ähnliche Aufgaben angeboten, bei denen sich der Schwierigkeitsgrad verändert. Auf der niedrigeren Niveaustufe stehen häufig Hilfen zur Verfügung.
Alle Aufgaben wurden mit Blick auf das Hauptthema der Anwendung Förderung der narrativen Schreibkompetenzen konzipiert. Zudem besteht ein inhaltlicher Bezug zu den Avataren und zum Oberthema Reisen. Dies dient der schnellen Orientierung auf der Warteinsel.
Die Aufgaben beschränken sich auf die folgenden drei digitalen Formate: (1) Multiple Choice/Single Choice, (2) Zuordnungsaufgaben, (3) Lückentext. Entsprechend der Aufgabentypen werden die folgenden digitalen Operatoren verwendet: kreuze an, ordne zu und ergänze. Diese Beschränkung der digitalen Aufgabentypen bieten eine feste Struktur und einen verlässlichen Aufbau. Insgesamt passen die Aufgaben damit optimal in das Gesamtkonzept der Anwendung.
Das Hilfsangebot „Ersatzteillager“

Das Ersatzteillager (vgl. Abb. 5.2.3.4) bietet innerhalb der Schreibprozessphasen Formulieren und Überarbeiten eine besondere Unterstützung. Die Bezeichnung wurde entsprechend des Kontextes Flugreise der Anwendung gewählt. Das Ersatzteillager folgt dem Aufbau eines Wortbausteinkastens im analogen Unterricht. Für bestimmte Verben und Adjektive sind Synonyme hinterlegt, die in der eigenen Geschichte verwendet werden können, um den Text anschaulicher zu gestalten. Zudem gibt es die Möglichkeit der Online-Suche auf einer Synonyme-Seite. Dafür muss in die Zeile „Gib hier dein Wort ein! Klicke danach auf die Lupe“ das Wort eingegeben werden, für das ein Synonym gefunden werden soll. Mit Klick auf die Lupe öffnet sich ein neues Fenster und es werden automatisch Synonyme für das eingegebene Wort gefunden.
Ausblick
Die Anwendung wurde Mitte April 2021 fertiggestellt und wird nach einer Pilotierung und Modifizierung umfassend in der Praxis evaluiert. Ende des Jahres 2021 kann sie dann kostenlos und breit genutzt werden. Da es bisher kaum Webanwendungen gibt, die sich mit dem gesamten Schreibprozess auseinandersetzen und sich systematisch an bisherigen Forschungsergebnissen zur Förderung des Schreibprozesses orientieren, sind wir optimistisch, mit diesem digitalen Förderprogramm eine strukturierte, motivierende und vor allem wirksame Unterstützung für den inklusiven Deutschunterricht zur Verfügung stellen zu können.
Literatur
Eidman-Aadahl, E. (2019): Getting better at getting better: Lessons from the National Writing Project. In: Journal of Adolescent & Adult Literacy 63(3), 342-346.
Hayes, J. R. & Flower, L.S. (1980): Identifying the organization of writing processes. In: L. W. Gregg & E. R. Steinberg (Eds.): Cognitive processes in writing. Lawrence Erlbaum, 3-30.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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