Potenziale für Schüler:innen im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung
Ulrich Theobald
Übersicht
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Zubehör: Fitness- bzw. Smartwatch mit Herzfrequenzsensor & ANT+, Geschwindigkeitssensoren; Sensoren: je ca. 30,- €
Kurzbeschreibung
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit und die Anbahnung körperbezogener Kompetenzen sind zentrale Ziele von Sportunterricht. Schüler:innen mit motorischen Beeinträchtigungen bringen abhängig von ihrer körperlichen Verfasstheit jedoch sehr heterogene Voraussetzungen mit, um leibliche Wahrnehmungs-kompetenz – definiert als die Fähigkeit „phänomenale, aus der sportlichen Bewegung entstehende sinnliche Eindrücke und Erlebnisse zu spüren, sie zuzulassen und ihre Bedeutung zu reflektieren“ (Döhring & Gissel 2018, S. 21) – erwerben zu können. In diesem Kontext sind sogenannte Wearables als didaktische Ergänzung geeignet: Geräte, die der digitalen Erfassung, Aufzeichnung und Darstellung von Bewegungen und körpereigenen Parametern dienen und dadurch eine Möglichkeit zur Reflektion von Sport und körperlicher Aktivität bieten.
In der Sporthalle

Erfahrungen in Bezug auf den eigenen Körper während körperlicher und sportlicher Aktivität sind eng verknüpft mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit, Geschwindig-keit sowie dem Empfinden von Anstrengung und Belastung. Sobald Kinder selbstreferenziell geprägte, frühkindliche Entwicklungsphasen hinter sich gelassen haben, spielt in diesem Zusammenhang auch stets der interindividuelle Vergleich eine Rolle (vgl. Fischer 1996, S. 17ff.): Gemeinsames Spielen und Sporttreiben ermöglichen Anhaltspunkte für den Austausch über die Fragen: „Was ist eigentlich eine schnelle Bewegung?“ oder „Wie fühlt sich anstrengend an?“
Will man Schüler:innen mit motorischen Beeinträchtigungen im Sportunterricht Bildungsangebote aus dem Bereich der belastungsbezogenen Körperwahrnehmung machen, so bedarf es didaktischer Lösungen, um Bewegungen und körperliche Parameter zielgruppenspezifisch thematisieren zu können, da ein Vergleich zwischen verschiedenen Personen aufgrund der großen körperlichen Heterogenität und verschiedener Formen der Fortbewegung nicht sinnvoll ist. Zu diesem Zweck können Sportstunden mit Wearables begleitet werden, um entsprechende Parameter aufzeichnen und im Nachhinein reflektieren zu können.

eispielhaft wurde in diesem Fall ein von Musik begleitetes Lauf- und Fahrspiel aufgezeichnet, das dem Aufwärmen zu Beginn einer Unterrichtseinheit diente. Dabei gab der Rhythmus der Musik Tempowechsel und Stopps vor, während sich die Gruppe im Kreis bewegte. Zur Aufzeichnung der Bewegung von Schüler:innen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, lässt sich ein magnetbasierter Geschwindigkeits-messer aus dem Radsport nutzen (vgl. Abb. 5.2.9.2). Diese Geräte können über das Übertragungsprotokoll ANT+ mit einer Vielzahl an kompatiblen Smart- und Fitnesswatches gekoppelt werden. Abbildung 5.2.9.1 zeigt eine mit ANT+ kompatible Uhr, die über eine Herzfrequenzmessung am Handgelenk sowie über einen Schrittzähler verfügt. Dieser kann für die Aufzeichnung des Tempos aller laufenden Schüler:innen verwendet werden.
Anschließende Auswertung
Das Open Source Programm Golden Cheetah eignet sich hervorragend, um die Aufzeichnung verschiedener Wearables auszulesen. Es kann im Gegensatz zu den meisten kommerziellen Programmen herstellerübergreifend mit einer Vielzahl von Geräten kommunizieren und erfordert keine individuelle Registrierung. Abbildung 5.2.9.3 zeigt die Auswertung des zuvor geschilderten Aufwärmspiels. Deutlich erkennbar ist der Anstieg der Herzfrequenz in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit. In Runden mit vielen Stopps (Runde 6) ist die die Belastung geringer und die Herzfrequenz daher niedriger als bei hoher und unregelmäßiger Geschwindigkeit (Runden 7 & 8).

Fazit
Der Einsatz von Wearables im Sportunterricht ermöglicht Schüler:innen im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Bewegung und Belastung auf den eigenen Körper. Durch die Möglichkeit, körper- und umweltbezogene Parameter erfassen, aufzeichnen und darstellen zu können, ergeben sich vielfältige Potenziale für Aufgaben mit reflexivem Charakter, ohne dass der aktive Sportunterricht unterbrochen werden müsste.
Literatur
Döhring, V. & Gissel, N. (2018): Sportunterricht planen und auswerten. Ein Praxisbuch für Lehrende und Studierende (4. korrigierte Auflage). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Fischer, K. (1996): Entwicklungstheoretische Perspektiven der Motologie des Kindesalters. Schorndorf: Hofmann.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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