Individualisiertes Lernen am Beispiel des Themas Feuer im Sachunterricht
Traugott Böttinger
Übersicht
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Zusätzliche Information: H5P kann in verschiedene Lernmanagement-Systeme (z. B. Moodle, Canvas) eingebunden werden. Alternativ kann mit der App Lumi (HP02) eine H5P-Datei erstellt werden, die dann als HTML-Datei gespeichert und so mit jedem beliebigen Browser geöffnet werden kann. Ein Wirt wie z. B. Moodle ist dann nicht mehr notwendig. Auch können die mit Lumi erstellten H5P-Dateien in der App Documents von Readdle genutzt werden. Zum langfristigen Speichern kann man sich auch auf der Homepage registrieren.
Kurzbeschreibung
Bei H5P handelt es sich um ein webbasiertes Open-Source-Tool, das mit fast allen gängigen Browsern genutzt werden kann. Mit H5P können interaktive Lerninhalte einfach und komfortabel erstellt und in bestehenden Lernmanagement-Systemen wie Moodle oder Canvas genutzt werden. Interaktiv meint in diesem Zusammenhang das Ermöglichen von Eigenaktivität: Ein Text wird nicht nur gelesen oder ein Video nicht nur betrachtet. Es können z. B. mit Links oder QR-Codes weiterführende Informationen zur Verfügung gestellt, Timelines und verschiedene Fragearten eingebaut oder ein Quiz oder spielerische Aufgaben hinzugefügt werden. H5P hält (Stand: April 2021) über 40 verschiedene Inhaltstypen bereit, woraus sich erhebliche Potenziale für individuelles und selbstgesteuertes Lernen ergeben.
Potenziale interaktiver Lerninhalte am Beispiel interaktiver Videos
Was können interaktive Videos zum selbstgesteuerten, interaktiven Lernen beitragen? (vgl. Bieberstein 2019)
Individuelle Lernwege ermöglichen:
Über Bookmarks können gezielt bestimmte Abschnitte eines Videos angesteuert werden, ohne dass das ganze Video abgespielt werden muss. Ebenso kann ein Inhaltsverzeichnis des Videos zur leichteren Navigation erstellt werden. Damit ist es möglich, Schüler:innen gezielt zu bestimmten Abschnitten des Videos zu lenken (z. B. auf Basis der Ergebnisse von eingebauten Testfragen). Über Overlay-Einblendungen von Hinweisen, Links oder QR-Codes können weiterführende Informationen oder auch Hilfestellungen/Erklärungen verlinkt werden.
Auf einzelne Inhalte fokussieren:
Beim bloßen, passiven Betrachten von Videos kann bei Schüler:innen der vorschnelle Eindruck entstehen, alle Inhalte verstanden zu haben. Durch das Einbinden von Testfragen oder spielerischen Inhaltsabfragen kann nicht nur eine Selbstüberprüfung, sondern auch eine Anregung, sich erneut mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen, stattfinden. Gleichzeitig kann deutlich gemacht werden, welche Inhalte von besonderer Bedeutung sind.
Ein interaktives Lernvideo als Beispiel
Die Möglichkeiten von H5P sollen anhand eines Videos gezeigt werden, das in einer 3./4. Klasse für eine Unterrichtssequenz zum Thema Feuer im Sachunterricht produziert und genutzt wurde. Inhaltlich geht es um Experimente rund um den Einfluss von Sauerstoff als Grundbedingung für die Entstehung von Feuer. In einem der Experimente werden verschieden große Gläser über drei Teelichter gestülpt und die Schüler:innen sollen herausfinden und begründen, in welcher Reihenfolge die Teelichter ausgehen.
Einbindung von H5P-Inhalten bei Moodle
Grundlegend kann H5P in verschiedene Lernmanagement-Systeme eingebunden werden, hier wird exemplarisch Moodle genutzt: Im entsprechenden Moodle-Kurs kann H5P bei aktiviertem Bearbeitungsmodus direkt über die Funktion Aktivität oder Material anlegen eingebunden werden, indem interaktiver Inhalt ausgewählt wird. Im sich öffnenden Fenster können dann die unterschiedlichen Inhaltstypen von H5P durch Scrollen ausgewählt werden (vgl. Abb. 5.1.4.1). Für die Bearbeitung eines Videos ist Interactive Video zu wählen.

An dieser Stelle können nicht alle verfügbaren Inhaltstypen in Bezug auf die oben genannten Potenziale vorgestellt werden. Es werden insgesamt sieben Möglichkeiten dargestellt, die geeignet sind, um in Videos individuelles Lernen sowie eine Fokussierung auf einzelne Inhalte zu ermöglichen.
Wie kann H5P bei Videos individuelle Lernwege ermöglichen?
Bereits beim Hochladen des Videos können unter dem Menüpunkt Verhaltenseinstellungen erste Anzeigeentscheidungen getroffen werden (vgl. Abb. 5.1.4.2): Das Video kann von Beginn an oder ab einem bestimmten Zeitpunkt gestartet werden, ebenso kann zwischen Auto-Play und Loop-Play gewählt werden. Schüler:innen kann die Möglichkeit gegeben werden per Klick 10 Sekunden im Video zurückzuspringen, um z. B. nicht verstandene Inhalte direkt noch einmal anzuschauen. Werden Fragen in das Video eingebaut, kann außerdem für alle Fragen oder für jede Frage einzeln differenziert werden, ob die Buttons zum Anzeigen der Lösung und zur Wiederholung der Frage angezeigt werden oder nicht.
Als individuelle Hilfestellung für z. B. Kinder mit Deutsch als Zweitsprache oder mit Hörbeeinträchtigungen ist es möglich, Textspuren zum Video hinzuzufügen. Hier kann zwischen Untertiteln (subtitles), Untertitel für Hörgeschädigte (captions) und Beschreibungen für Vorlesewerkzeuge (descriptions) gewählt werden. Die Textspuren müssen jeweils einzeln erstellt und als WEB Video Text Track-Dateien (WEBVTT) eingebunden werden.

Über Bookmarks können im Video Lesezeichen gesetzt werden. Durch diese ist es möglich, einzelne Kapitel (Segmente) des Videos per Klick anzusteuern. Es muss also nicht das ganze Video angesehen werden, wenn nur eine bestimmte Information benötigt wird oder ein Abschnitt noch einmal wiederholt werden soll. In Moodle erfolgt die Einbindung über den Schritt Interaktionen hinzufügen (vgl. Abb. 5.1.4.3), woraufhin das Video mit Interaktionsleisten eingeblendet wird.

An der gewünschten Stelle des Videos genügt ein Klick auf das Bookmark-Symbol (vgl. 5.1.4.4), um ein Lesezeichen einzufügen und zu benennen. Die Lesezeichen erscheinen als gestrichelte senkrechte Linie in der Zeitschiene des Videos.

Es kann auch ein Inhaltsverzeichnis für die Lesezeichen erstellt und eingeblendet werden (vgl. Abb. 5.1.4.5). Die Überlegung, ob das Inhaltsverzeichnis sofort sichtbar sein soll oder nicht, kann dabei je nach didaktischem Verwendungszweck variieren. Sinnvoll erscheint es, da so eine größtmögliche Transparenz erreicht wird, welche Inhalte die Schüler:innen erwarten. Zudem können diese selbst entscheiden, mit welchem Inhalt begonnen werden soll. Allerdings kann es didaktisch auch sinnvoll sein, dass die Lernenden zunächst das gesamte Video betrachten und eine Kapitelauswahl zur Vertiefung erst nachträglich ermöglicht wird. Die entsprechende Einstellung findet sich bei den bereits erwähnten Verhaltenseinstellungen unter dem Punkt Mit geöffnetem Lesezeichen-Menü starten.

Overlay-Einbindungen im Video können genutzt werden, um zusätzliche Inhalte oder Hilfestellungen zur Verfügung zu stellen. Denkbar ist die Einbindung von ergänzenden Texthinweisen, Bildern, QR-Codes oder Links zu weiterführenden Websites. Zudem kann eingestellt werden, ob die Overlay-Einbindungen als Popup automatisch eingeblendet oder per Klick aktiviert werden müssen (als Button anzeigen).
Soll beispielsweise ein Hinweistext eingeblendet werden, muss in der Interaktionsleiste auf das Symbol für Text (ein großes T) geklickt werden, woraufhin sich ein neues Fenster öffnet (vgl. Abb. 5.1.4.6). Dort kann der Text eingegeben, formatiert und weitere Einstellungen vorgenommen werden. Damit die Zusatzinformation beispielsweise nicht das gesamte Video über eingeblendet bleibt, können Anzeigestart und -dauer eingestellt werden. Das Ergebnis sieht man in Abbildung 5.1.4.7. Die Einbindungen erscheinen als weiße Punkte auf der Zeitleiste des Videos.


ie Einbindung von Bildern, Links oder QR-Codes erfolgt analog, indem auf der Interaktionsleiste die entsprechenden Funktionen genutzt werden.
Wie kann bei Videos mit H5P auf einzelne Inhalte fokussiert werden?
Es besteht die Möglichkeit, während des Videos kurze Wissensabfragen über Single Choice- oder Multiple Choice-Fragen einzubauen, z. B. als Wiederholung zur Vorstunde (vgl. Abb. 5.1.4.8). Neben der Frage und den wählbaren Antwortmöglichkeiten können auch hier Tipps gegeben und festgelegt werden, welcher Text auf eine bestimmte Antwort folgt (z. B. Schaue dir das erste Kapitel des Videos noch einmal an). Natürlich ist auch eine andere didaktische Funktion, z. B. als Vorwissensabfrage oder kognitive Aktivierung denkbar.

Eine weitere Variante ist das Erstellen eines Lückentextes, der sich z. B. auf ein Kapitel des Videos bezieht. Der Text kann frei eingegeben werden, Lücken werden mit einem Sternchen (*) vor und hinter dem richtigen Wort markiert. Alternativantworten können mit einem Schrägstrich (/) angefügt werden. Auch im Lückentext können Tipps und Hinweise gegeben werden, die mit einem Doppelpunkt an die Antwortmöglichkeiten angefügt werden. Abbildungen 5.1.4.9 und 5.1.4.10 zeigen die Editoransicht bzw. den Lückentext im Video.


Am Ende eines interaktiven Videos kann eine Zusammenfassung eingefügt werden. Dadurch können wichtige Inhalte nochmals betont und für die Schüler:innen zusammengefasst werden. Durch Auswahl von Schritt 3 Zusammenfassende Aufgabe wird die Zusammenfassung automatisch eingefügt (vgl. Abb. 5.1.4.11). Es kann aus einem frei formulierten Text und einer Eingabemaske gewählt werden, über die verschiedene Aussagen und Tipps eingearbeitet werden können.

Fazit
H5P ermöglicht es, verschiedene interaktive Lerninhalte zu erstellen. Im Artikel wurde exemplarisch erläutert, wie Videos interaktiv gestaltet werden können. Besonders hervorzuheben sind hier die Möglichkeiten, individuelle Lernwege für Schüler:innen zu gestalten. Über Bookmarks können einzelne Videoabschnitte gezielt angesteuert werden, ein Inhaltsverzeichnis erlaubt es, Startpunkte selbst festzulegen. Über Overlay-Einblendungen können zusätzliche Hilfestellungen, Tipps oder weiterführende Informationen eingebunden werden. Durch Zwischen- und Testfragen sowie spielerische Inhaltsabfragen kann das inhaltliche Verstehen unkompliziert überprüft und weitere Anreize zur vertieften Auseinandersetzung gegeben werden. Über Zusammenfassungen am Ende eines Videos können wichtige Lerninhalte noch einmal betont und wiederholt werden.
Gerade die Einbindung multimedialer und multicodaler Darstellungsformen unterstützt das Lernen in heterogenen Gruppen, indem z. B. Kindern mit Deutsch als Zweitsprache digitale Wörterbücher zur Verfügung gestellt werden oder Schüler:innen mit Sehbeeinträchtigungen oder Leseschwierigkeiten auf ergänzende Audiodateien zurückgreifen können. Insgesamt ist H5P ein geeignetes Instrument, um digitale Technologien und Medien dazu zu nutzen, Lernen durch multiple Formen der Informationsdarstellung sowie durch unterschiedliche Hilfestellungen bei der Informationsverarbeitung zu fördern.
Literatur
Bieberstein, A. (2019): Interaktive Videos mit H5P erstellen. URL: HP03 (abgerufen am 17.03.2021)

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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