Ich und UK – mein Alltag mit dem Talker
Luisa Székely
Hallo, ich bin Luisa und bin 15 Jahre alt. Seit meiner Geburt lebe ich mit einer Infantilen Cerebralparese mit Tetraspastik (ICP). Ich kann nicht sprechen und wegen meiner Körperbehinderung mit meinen Händen keinen Computer bedienen. Die technischen Möglichkeiten eines augengesteuerten Computers und der Unterstützten Kommunikation (UK), welche ich seit vielen Jahren nutze, sind aber eine gute Möglichkeit, meine Einschränkungen teilweise auszugleichen, auch wenn ich lieber keine Behinderung hätte.
Ich benutze einen Sprachcomputer (Talker) mit Augensteuerung. Mein Talker ist ein Tobii Dynavox I-16 mit Augensteuerung und Communicator 5 Software, auf Basis eines Win10 Computers, welchen ich im vollen Umfang als normalen Computer nutze. Diesen Computer steuere ich ausschließlich mit meinen Augen. Das heißt, ich rede mit den Augen und benutze den Computer mit all seinen Möglichkeiten.
Ich nutze meinen Talker den ganzen Tag, vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen. Ich nutze ihn in der Schule, in meiner Freizeit, im Schulbus und im Bett. In erster Linie nutze ich den Talker zum Reden, Quatsch machen und Spaß haben mit anderen Menschen und um meine Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken.
Darüber hinaus benutze ich meinen Talker auch als Computer und Handyersatz, welchen ich mit Hilfe der Augensteuerung selbständig bedienen kann. Ich arbeite und lerne mit Hilfe meines Talkers für die Schule, ich höre Musik, lese Bücher und schaue Videos und nutze mittlerweile das Internet mit all seinen Möglichkeiten. Ich chatte, mache Videokonferenzen und benutze viele Programme, z.B. zum Bilder Malen, Gestalten oder Bearbeiten, Bücher und Geschichten Lesen und Schreiben, Puzzeln, Spiele Spielen, z.B. Siedler von Catan, Mensch ärgere dich nicht oder Vier gewinnt, zum Zocken oder Bau- und Gestaltungsprogramme, wie Lego Creator, zum dreidimensionalen Gestalten von Legobauwerken oder Legomosaiken.
Für mich als körperbehindertes Mädchen ist es ein Traum, endlich Lego bauen zu können. Seit einiger Zeit habe ich sogar ein Programm zur Android Simulation auf meinem Talker, der es mir ermöglicht, fast alle Möglichkeiten eines Smartphones über meinen Computer zu nutzen. Mit Whatsapp oder Skype kann ich nun einfacher mit meinen Freunden kommunizieren. Auch sind die Spielemöglichkeiten in der Androidsimulation umfangreicher, für mich einfacher bedienbar und kostengünstiger in der Anschaffung. Über Bluetooth an meinem Talker kann ich zudem selbständig Bilder, Briefe oder erledigte Hausaufgaben ausdrucken und in Zukunft vielleicht eigenständig mein Umfeld steuern, z.B. zum Türen Öffnen, Heizung Regulieren oder um einen Assistenzroboter zu steuern. Das wäre cool.
Mit Hilfe meiner Eltern betreibe ich zudem seit meiner Kindheit einen Blog bei Facebook unter dem Namen Luisas Leben und unter meinem Namen Luisa Székely einen YouTube Kanal. Auf diesen Seiten zeige ich Interessierten verschiedene Einblicke in mein Leben als körperbehinderte, Sprachcomputer nutzende Jugendliche.
Während der Coronazeit fiel der tägliche Gang zur Schule von jetzt auf nachher weg und verlagerte sich auf ein ständiges zuhause Sein. Die Versorgung mit den Aufgaben für die Schule lief langsam an. Es war eine große Umstellung für alle Beteiligten, das verstehe ich. Für mich aber ist es bis heute ein Rätsel, warum es nicht möglich ist, mir meine Aufgaben ausschließlich in elektronischer Form als PDF-Dateien o.ä. zukommen zu lassen.
Ich habe für jede Homeoffice-Woche einen Umschlag mit unzähligen Arbeitsblättern zugeschickt bekommen. Mit ausgedruckten Blättern kann ich aber alleine nichts anfangen. Ich kann diese nicht mal mehr alleine aus dem Postumschlag nehmen, geschweige denn beschriften, während ich elektronische Dateien eigenständig aus meinem E-Mailpostfach öffnen, gleich selbständig bearbeiten und erledigt zurücksenden kann, was zudem ein kleiner Beitrag zum Umweltschutz wäre, da die Papierflut somit reduziert werden könnte.
Daher brauchte ich immer jemanden, der mir diese ausgedruckten Schulmaterialen zum Bearbeiten digitalisierte und bereitstellte. Meine Eltern oder Assistentinnen mussten für eine Schulwoche oft 30 und mehr Seiten Schulmaterial einscannen und es mir auf meinen Talker übertragen, um es mir zum Bearbeiten zur Verfügung stellen zu können. Alle Schulbücher in E-Book- oder PDF-Variante sind leider ebenso noch selten, so bleibt mir auch hier nur das Einscannen per Hand, möchte ich diese eigenständig nutzen. Hier wünsche ich mir künftig mehr digitale Arbeitsmaterialien seitens der Schule, aber auch seitens der Schulbuchverlage für Schüler:innen, welche behinderungsbedingt (ausschließlich) mit einem Computer lernen. Alles andere macht ja auch wenig Sinn.
Die neue Möglichkeit, Unterricht über Videokonferenzen zu machen, finde ich toll, auch wenn es oft Übertragungsschwierigkeiten, z.B. Bild weg oder starr, Ton weg, zu laut oder durcheinander, Internetverbindung nicht aufbaubar etc. gab. Schön wäre es, wenn die technischen Bedingungen sich hierfür künftig positiv entwickeln würden.
Bereits vor der Pandemie wurde ich immer wieder als Gesprächspartnerin und Referentin zu Hochschul- sowie Universitätsveranstaltungen eingeladen, um über meine Sicht- und Arbeitsweise vor allem zum Thema Unterstützte Kommunikation zu erzählen. Während der Pandemie hat sich dieser Bereich ausschließlich in den Onlinebetrieb verlagert. Mit Hilfe der gängigen Videokonferenzsysteme hatte ich die Möglichkeit bekommen, an zahlreichen Seminar- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Talks teilzunehmen und hier zu referieren. Diese vielen virtuellen Teilnahmen an UK- und Technik-Workshops haben mir ermöglicht, viel Erfahrung als Co-Referentin und Interviewpartnerin sowie im selbständigen Bedienen entsprechender Programme zu sammeln. Hierfür bin ich sehr dankbar und hoffe, dies auch weiterhin so machen zu können.
Die ganze Zeit coronabedingt zuhause sein zu müssen war trotz meiner vielen Geschwister oft anstrengend, da ich den Kontakt zu meinen Freunden vermisst habe. Interessanterweise hatte ich, nachdem sich die Nutzung von Chat- und Videoprogrammen bei allen eingespielt hatte, später und bis heute sogar mehr Kontakt zu meinen Freunden als vor der Coronazeit, da vorher Treffen immer schwierig waren. Entweder weil die Wohnungen meiner Freunde nicht für mich zugänglich oder weil Treffen irgendwo immer nur mit Hilfe meiner Eltern möglich waren.
Auf diese neue Weise kann ich mich virtuell, wann ich will, mit wem ich will, treffen. Auch mit Bekannten, die weiter weg leben. Die Treffen müssen weder organisiert noch abgesprochen werden und ich bin diesbezüglich von meinen Eltern unabhängig. Das ist super. Irgendwann habe ich aber auch entsprechend der jeweiligen Bestimmungen gelegentlich bei mir zuhause ausgewählte Freunde persönlich treffen dürfen. Das war auch sehr schön und sollte künftig auch ruhig wieder so werden dürfen. Aber die virtuellen Treffen sind trotzdem großartig, weil sie andere, weitere Möglichkeiten eröffnen.
Fazit
Die Coronazeit hat, auch wenn sie oft schwer und anstrengend war, für mich viel Gutes gebracht. In meinem Leben hat sich meine mediale Kompetenz mit Hilfe meines Talkers enorm erweitert und deutlich verbessert. Meine technischen Möglichkeiten, auf welche ich sehr angewiesen bin, haben sich für mich deutlich vergrößert und mir so mehr Möglichkeiten der Kommunikation mit meinen Freunden auf Distanz, sowie mehr Interaktions- und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, worüber ich sehr froh bin.
Die neue Möglichkeit, von zuhause aus an Veranstaltungen und Seminaren teilnehmen zu können, ist ebenso ein großer Zugewinn, da ich nicht wöchentlich durch das Land gefahren werden muss, was bisher mit viel organisatorischem Aufwand zu Lasten meiner Eltern verbunden war, auch weil an den Seminarstandorten nicht immer komplette Barrierefreiheit gewährleistet gewesen ist.
Diese umfangreichen technischen Möglichkeiten, welche sich mir heutzutage bieten, schenken mir ein hohes Maß an eigenständigen, selbstbestimmten und selbst organisierbaren Handlungsmöglichkeiten, was ich sehr genieße. Eigenständig lernen, chatten, spielen und sich unterhalten lassen zu können, empfinde ich als großen Zugewinn für mein Leben. Wünschen möchte ich mir für die Zukunft dennoch, dass die Computerbedienung über die Augensteuerung feiner, genauer und schneller, Konferenz- und Videochatprogramme für den Computer optisch wie akustisch besser, Internetverbindungen stabiler und leistungsfähiger, Schulmaterialien digitaler und Spielmöglichkeiten augensteuerungsfreundlicher werden.
Und ich wünsche mir, dass sowohl die Mitarbeiter:innen in den Schulen, als auch die Schulbuchverlage mehr Ahnung von UK, Computer, Talker (mit Augensteuerung) und der digitalen Aufbereitung und zur Verfügungstellung von Schulmaterialien bekommen, um unseren Nutzerkreis künftig noch optimaler sowie kompetenter begleiten zu können und uns eine selbstständigere, unabhängigere Arbeitsweise zu ermöglichen. Auf eine zunehmende Digitalisierung unserer Lebenswelt freue ich mich daher für alle Menschen, welche auf Computer als Verbindung zur Welt so angewiesen sind, wie ich.
Es grüßt euch, eure Luisa
Weiterführende Hinweise
Mehr von Luisa bei:
- Facebook Luisas Leben, URL: LS01
- YouTube-Kanal von Luisa Székely, URL: LS02
- Instagram von luisaszekely, URL: LS03
Anmerkung der Redaktion
Dieser Beitrag der Autorin ist erschienen als Artikel Meine mediale Kompetenz hat sich enorm erweitert in: Zeitschrift für Unterstützte Kommunikation 3/2021, 16-18.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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