#wasgehtsopaed
Martin Lüneberger
Der Vorbereitungsdienst (Referendariat) angehender Lehrer:innen im Lehramt sonderpädagogische Förderung war im Jahr 2020 geprägt von Corona und Distanzlernen. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, welche Tools und Apps sich aus Sicht der jungen Kolleg:innen in der schulischen Praxis bewährt haben.
Ausgangslage
Als Seminarausbilder (SAB) an einem Zentrum für schulpraktische Lehrer:innenausbildung (ZfsL) in Nordrhein-Westfalen begleitete der Autor dieses Beitrags als Kernseminarleitung die Lehramtsanwärter:innen (LAA) im Herbst 2019 – Beginn des Vorbereitungsdiensts (VD) war der 01.11.2019. Auf den pädagogischen Tagen, wir hatten gemeinsam für drei Tage ein Tagungshaus gebucht, nutzten wir diese Zeit für ein erstes Kennenlernen und inhaltliches Arbeiten. Die Abende waren geprägt von geselligem Beisammensein und wie in den Durchgängen davor hatte ich nach diesen Tagen das Gefühl, dass die jungen Kolleg:innen als Gruppe zusammengewachsen sind. Wenige Wochen später tauchten in den Nachrichten die ersten Berichte über das Corona-Virus aus China auf. Wozu das dann Ende März 2020 führte, ist allseits bekannt: der erste Lockdown und die Schließung der Schulen.
Diese Rahmenbedingungen für Schule – und somit auch für Ausbildung angehender Lehrer:innen in Schule – hält mit Unterbrechungen und Modifikationen bis heute an. Ein Großteil ihres VD haben die LAA deshalb im so genannten Distanzunterricht verbracht, d.h. ihre Lerngruppen i.d.R. per Video und/oder mittels eines LMS unterrichtet. Als Ausbilder im überfachlichen Bereich (Kernseminar) hatte ich Einblick in verschiedene Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernen (inklusiver Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf). Speziell die Rückmeldungen bezogen auf den Einsatz von Tools und Apps im Distanzlernen waren sehr unterschiedlich. Es gab sowohl positive Rückmeldungen als auch Berichte über Schwierigkeiten und Hindernisse. Deshalb habe ich zum Ende des VD die LAA gebeten, freiwillig ihre Eindrücke zum Einsatz von Tools und Apps im (Distanz-)unterricht zu schildern. Die Aussagen wurden anonym in einem beschreibbaren Online-Dokument gesammelt und werden hier nach leichten Modifikationen fast wörtlich wiedergegeben.
App | Einsatz im Fach | Pro & Contra |
Kahoot | Mathe Englisch | Die Lernenden sind sehr motiviert, arbeiten gut zusammen und zeigen einen gesunden Ehrgeiz (im Präsenzunterricht). Das Tool wurde zur Abfrage des gelernten Vokabulars im Distanzunterricht genutzt. Durch die Möglichkeit der kurzen Zeitvorgabe bietet Kahoot eine gute Methode zur Erhebung des Lernstandes, zur Übersicht über Kompetenzen und mögliche Schwierigkeiten. |
Socrative | Englisch | Die App Socrative bietet eine gute Möglichkeit der Wissensabfrage und gibt eine schnelle Übersicht über die erbrachten Leistungen/über das Wissen. Es eignet sich insbesondere im Lernen auf Distanz. Es ergab sich die Problematik, dass einige Lernende nicht darauf zugreifen konnten. |
Liveworksheet | Mathe | Die Lernenden können Aufgaben direkt ohne zu drucken auf ihren digitalen Endgeräten ausfüllen und Dokumente können sofort an die Lehrkraft geschickt werden. Die Lernenden erhalten Rückmeldungen über Fehler. Schwierigkeiten: Die Lernenden hatten z.T. Probleme, das Dokument zu schicken, da die auszufüllenden Felder auf Englisch benannt sind (Senden per Screenshot aber auch möglich). Es sind keine Mehrfachnennungen möglich, daher ist es schnell fehleranfällig, z.B. wenn eine Leertaste fehlt, o.ä.. |
Plickers | Im Präsenzunterricht ist Plickers als digitales Quiz anwendbar. Ein Smartphone o.ä. ist notwendig, um QR Codes mit entsprechender Antwort zu scannen. Das Erstellen des Quiz geht schnell und ist mit Bildern zur Gestaltung erweiterbar. Es wurde an der Schule über mobile Daten der LAA genutzt, als noch kein WLAN da war. Plickers stellt eine gute Alternative zu Kahoot dar, wenn dessen Einsatz nicht möglich ist, z.B. aufgrund fehlender Geräte. Die Aufzeichnungen der Antworten der Lernenden können als öffentlich einsehbar oder als versteckt eingestellt werden. Im Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung haben die Lernenden das Prinzip schnell verstanden, es gab teilweise Unruhe wegen der Antwortkarten. Die Lerngruppe war immer neugierig. Die Schüler:innen wollten herausfinden, wer was gesagt hat. Diese Information wurde „versteckt“, um Bloßstellung zu vermeiden. Es wurde als Ziffer lediglich angezeigt, wie viele Antworten richtig bzw. falsch waren. Es war ein wenig Geduld erforderlich, bis alles über ein Smartphone mit mobilen Daten geladen wird, aber die Lernenden haben es gerne als Einstieg in den Unterricht verwendet. | |
Anton | Mathe Deutsch | Die Lernenden arbeiten sehr motiviert und selbstständig. Das individuelle Anpinnen von Aufgaben für einzelne Lernende und/oder Gruppen ist praktisch. Die Lernenden gelangen zur Einsicht, wo (häufige) Fehler auftraten. Die App eignet sich gut zum Üben, auch für Zuhause, falls entsprechende Medien vorhanden sind. Ein Zugang ist aber auch über Internet-Browser möglich. |
Padlet | Alle Fächer | Padlet ist eine Plattform zum Austausch und um aktuelle Informationen weiterzugeben (nächste Video-Konferenz o.ä.). Der Klassenchat wurde errichtet und von den Lernenden inkl. des Chats genutzt. Mit Padlet können Videos und Sprachnachrichten aufgenommen werden, um Aufgaben für Nichtleser zu versprachlichen, es ist keine Anmeldung erforderlich (max. Passwort). Ein Zugang für Lernende kann ohne E-Mail-Adresse über einen QR-Code erfolgen. Leider werden keine Benachrichtigungen an die Nutzer:innen versendet, wenn etwas Neues auf dem Padlet erstellt wurde oder eine Nachricht hinterlassen wurde. Die Lernenden müssen deshalb selbst daran denken, da sie nicht erinnert werden. |
Book Creator | Mit dem Book Creator kann man einerseits Aufgaben erstellen und Arbeitsabläufe vorgeben (per Audio, Bild, Video, Text, …). Andererseits können die Lernenden selbst Bücher erstellen, die auch ausgedruckt werden können. Die Bücher können über Schüler:innen-Accounts auch im Bearbeitungsmodus weitergegeben werden. Die Lernenden arbeiten sehr motiviert mit der App und die Bedienung ist sehr einfach und intuitiv. Sie ist auch für Lernende, die nicht lesen können, verständlich. In der Gratisversion der App kann lediglich ein Buch erstellt werden. In der Web-Version können gratis bis zu 40 Bücher erstellt werden. | |
Learning Apps | Alle Fächer | Mit dieser App können individualisierte Aufgaben erstellt werden. Sie ermöglicht eine Leistungsrückmeldung. Der Zugang zu den Aufgaben kann per Link oder QR-Code erfolgen, was den Lernenden einen leichten Zugang ermöglichte. Bei der Arbeit mit der App waren die Lernenden motiviert und engagiert. Aufgrund der intuitiven Bedienbarkeit der App gab es keine Probleme bei der Bearbeitung der Aufgaben durch die Lerngruppe. |
Work Sheetcrafter, Worksheet Go! (vgl. Kap. 7.2) | Mathe | Die App eignet sich besonders gut für bestimmte Aufgabenformate wie zum Beispiel aus dem Fach Mathematik die “Zahlenmauern” oder “Entdeckungen auf der Hundertertafel”. Die Aufgaben können am eigenen Rechner erstellt werden und dann mit einem QR-Code auf iPads der Lernenden übertragen werden. So ist ein schnelles Verfügbarmachen der Aufgaben möglich. Mit der App ist die Erarbeitung gemeinsamer Inhalte auf unterschiedlichen Niveaustufen möglich. Allerdings sind nur die vom Worksheet Crafter vorgegebenen Aufgabenformate umsetzbar. In diesem Punkt ist die App nicht wirklich individualisierbar. |
Fazit
Der Text basiert wie oben erwähnt auf einem eigenen Blogbeitrag. Zum 30.04.2021 endete der Vorbereitungsdienst der LAA und ich habe – wie zum Ende der Ausbildung üblich – rückblickende Bilanzgespräche mit den jungen Kolleg:innen geführt. Zwei Punkte, die in diesen Gesprächen immer wieder genannt wurden, möchte ich hier im Sinne eines Fazits nennen:
Erstens: Lehrern und Lernen mit Tools, Apps und dem Internet ist selbstverständlich für Schüler:innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf möglich.
Zweitens: die jungen Kolleg:innen fühlen sich für die digitiale Transformation und den damit verbundenen Leitmedienwechsel Schule gut vorbereitet.
Ich habe jedenfalls keine Sorge, dass wir es im Sinne der Inklusion schaffen werden, zeitgemäßes Lernen in einer Kultur der Digitalität (Stalder 2016) für alle Schüler:innen zu ermöglichen.
Literatur
Stalder, F. (2016): Kultur der Digitalität. Berlin: suhrkamp
Anmerkung der Redaktion
Es handelt sich bei dem Text um eine Adaption eines Blogbeitrags aus dem April 2021.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Diklusive Lernwelten” – ein Gemeinschaftswerk von 51 Autor:innen, das zeigt, wie digitale Medien die Inklusion wirklich aller Schüler:innen im Unterricht fördern kann. Mit vielen Erfahrungsberichten und Tipps direkt aus der Praxis!
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