Organisationsentwicklung nach dem Vier-Gewinnt-Modell
Myrle Dziak-Mahler und Maria Boos
Am Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln arbeiten ca. 100 Kolleg:innen01 agil und partizipativ, um die rund 14.000 Lehramtsstudierenden optimal während ihres Studiums zu begleiten. Das ZfL versteht sich als eine Einrichtung, deren Zusammenarbeitsstruktur und -kultur (auch mit Partner:innen innerhalb der Universität) eng am Diskurs um „New Work“02 orientiert ist. Zentrales Anliegen ist die bestmögliche Vorbereitung aller Lehramtsstudierenden der Universität zu Köln für die Schule morgen und übermorgen. Dies ist unserer Auffassung nach nur möglich, indem wir uns aktiv mit den Veränderungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt beschäftigen.
Dabei leiten uns die folgenden Thesen:
Digitalisierung ist nicht in erster Linie ein Technik-Thema, sondern vor allem eine Herausforderung für das Mindset und die Haltung.
Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo die Kompetenz liegt – nicht mehr (allein) von den Führungskräften.
Innovationsfähigkeit ist der Skill der Zukunft: Um innovativ zu sein, braucht es vielfältige Perspektiven.
Der Wandel wird Normalfall und Veränderung(sbereitschaft) ist eine Chance.
Organisations- und Personalentwicklung können nur gemeinsam gedacht werden.
Organisationsentwicklung wird im ZfL im Sinne von Schiersmann & Thiel (2018) als ein kontinuierlicher Veränderungsprozess unter Beteiligung aller Kolleg:innen verstanden. Organisations- und Personalentwicklung gehören eng zusammen, bedingen einander und werden daher im ZfL konsequent gemeinsam gedacht.
Unser Leitmotiv lautet dabei „Wir wollen, dass Menschen bei uns größer werden“. Um diese Art der Zusammenarbeit und die daraus resultierenden speziellen Anforderungen abzubilden, haben wir ein Empowermentmodell entwickelt – das Vier-Gewinnt-Organisationsmodell03. Dieses Modell wird im Folgenden beschrieben:
Fünf Leitbegriffe bestimmen die Art und Weise, wie im ZfL miteinander gearbeitet wird:Eigenverantwortung, Augenhöhe, Partizipation, Transparenz und Vertrauen.
Die Basis von allem ist Vertrauen. Wie Reinhard Sprenger gehen auch wir davon aus, dass „Vertrauen führt“04. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen vertrauen. Damit geht die Leitung in Vorleistung und in Führung. Auf diese Weise lernen die Mitarbeiter:innen ihren Vorgesetzen und ihren Kolleg:innen zu vertrauen. Es handelt sich dabei also um eine voraussetzungslose Vorschussleistung. Diese kann wachsen, wenn die folgenden Komponenten berücksichtigt werden:

Stufe 1: Transparenz
Die erste Stufe – und damit die Grundvoraussetzung für alle weiteren – ist Transparenz.
Transparenz ermöglicht gleichberechtigte Kommunikation, fördert Verständnis und sorgt dafür, dass alle mitsprechen und mitentscheiden können. Funktionierende Transparenz bedeutet, dass a) Wissen geteilt wird und b) sichtbar ist, woran gerade gearbeitet wird.
Denn gelebte Transparenz bedeutet eine Fehlerkultur zu schaffen, deren Ziel es ist, Innovationen durch Fehler überhaupt erst möglich zu machen.
Bei der Einführung und Durchsetzung transparenten Handelns sind die Führungskräfte besonders gefordert. Zum einen gilt es durch transparentes Handeln Vorbild zu sein und zum anderen setzt Transparenz voraus, dass es keine Kultur der Bestrafung bei Fehlern gibt. Denn gelebte Transparenz bedeutet eine Fehlerkultur zu schaffen, deren Ziel es ist, Innovationen durch Fehler überhaupt erst möglich zu machen. Die Suche nach Schuldigen, Vorwürfe und kontrollierendes Mikromanagement darf es dabei nicht geben. Eine positive Fehlerkultur kann hingegen durch das Zulassen von Fehlern sowie das Fördern und Vorleben von Fehleranalyse (mit dem Ziel besser zu werden) geschaffen werden.
Konkretes Beispiel: Ergebnisse von Meetings
Direkt nach dem Meeting des sogenannten ZfL-Leitungsteams (dort treffen sich die Geschäftsführung und die Teamleiter:innen alle zwei Wochen für drei Stunden) werden die Ergebnisse über den internen Newsletter an alle Kolleg:innen geschickt.
Stufe 2: Partizipation
Partizipation ist nur dann möglich, wenn hinreichend aufbereitete Informationen zur Verfügung gestellt werden. Von gelingender Partizipation kann gesprochen werden, wenn a) Entscheidungen gemeinsam getroffen werden und b) die Entscheidungen Wirkungen zeigen. Dazu ist es hilfreich Arbeitsformen zu etablieren, mittels derer die Kolleg:innen in der Lage sind, Ideen zu generieren und zu bewerten, Vorschläge auszuarbeiten, über diese zu entscheiden und sie auch umzusetzen. Durch solche Arbeitsformen legen die Kolleg:innen selbstständig ihre Aufgaben sowie die Vorgehensweisen fest und können autonom die erforderlichen Entscheidungen treffen.
Konkretes Beispiel: Der Business Circle
Das Meeting-Format Business Circle05 ermöglicht eine neue Gesprächskultur und tatsächliche Partizipation. Der Kreis lässt Hierarchien und Machtgefüge verschwinden. Jeder hat eine Stimme und jede Stimme ist es wert, gehört zu werden. „A Leader in every chair“, so beschreiben die amerikanischen Wiederentdeckerinnen der Kreisarbeit, C. Baldwin und A. Linnea, das Andere der Arbeit im Kreis gegenüber klassischer Besprechungsformate wie z.B. die U-Form.

Merkmale des Business Circle:
- Geteilte Verantwortung für den (Gesprächs-)Prozess
- Rotierende Rollen
- Transparenz Instant Dokumentation
(keine klassischen Protokolle mehr) - Intentionales Sprechen
- Aufmerksameres Zuhören
- Beitragen zum Wohl der Gruppe
Um einen Business Circle durchzuführen, sind die folgenden neun Schritte hilfreich:
- Vorbereitung des Raumes durch Gastgeber:in (Sitzkreis stellen, Mitte gestalten, Themenwand vorbereiten)
- Ankommen (mit Musik)
- Check-In (etwa eine Frage vorbereiten, die alle beantworten)
- Verteilen der Rollen: Hüter:in des Prozesses (achtet auf wertschätzende Kommunikation und darauf, dass alle zu Wort kommen) und Zeitwächter:in (achtet darauf, dass die Zeit eingehalten wird)
- Agendasetting:Themensammlung reihum (mit realistischer Zeiteinschätzung) auf einer Metaplanwand und Brown Paper. Gastgeber:in schreibt auf dem Brownpaper mit.
Jedes Thema hat eine:n Themeneigner:in und eine:n Schreiber:in. Wenn alle Themen aufgeschrieben sind, wird gemeinsam die Reihenfolge der Themen bestimmt und überprüft, ob alle Themen zeitlich in die heutige Agenda passen. Bei jedem besprochenen Thema wird darauf geachtet, dass die gefassten Beschlüsse klar und verständlich mitgeschrieben werden. Wichtig ist zudem konkret festzuhalten, wer für die Durchführung des Beschlossenen verantwortlich ist und bis wann die Umsetzung erfolgen soll. - Durchführung des Business Circles
- Gastgeber:in der nächsten Sitzung festlegen
- Check-Out (etwa eine Frage vorbereiten, die alle beantworten)
- Versenden der Dokumentation durch Gastgeber:in
Wichtig ist bei dieser und allen anderen Methoden, die wir im ZfL nutzen, dass die Kolleg:innen eine Einführung in die Methode erhalten und diese ein paar Wochen ausprobieren. Danach können sie die Methoden weiter nutzen oder so modifizieren, dass diese optimal zu den jeweiligen Anforderungen in den Teams passen.
Stufe 3: Augenhöhe
Die Begegnung in partizipativen Settings allein ist noch kein Garant für Augenhöhe. Erst wenn darüber nachgedacht und reflektiert wird, welche Rolle jede Person im ZfL einnimmt, kann Augenhöhe gelingen. Zu dieser Rollenklarheit gehört es, neben der formalen (Macht-)Position auch die informellen Faktoren zu beachten.
Erst wenn darüber nachgedacht und reflektiert wird, welche Rolle jede Person im ZfL einnimmt, kann Augenhöhe gelingen.
Dazu gehören u.a. Alter, Geschlecht, Dienstzugehörigkeit und Herkunft.06
Das Prinzip Augenhöhe ist bei der Einführung der Arbeitsstruktur nach dem Vier-Gewinnt-Modell eine erste Hürde, die es zu nehmen gilt. Das Wahrnehmen des Begriffs als „Worthülse“ oder „Buzzword“ verstellt den Blick auf die Wirkungsmacht, die das Prinzip freisetzen kann. Denn in dem Moment, in dem es gelingt, sich in der Kommunikation fachlich gleichberechtigt zu begegnen, wird jeder Perspektive derselbe Wert und die gleiche Bedeutung beigemessen.
Augenhöhe ist also ein über Hierarchiegrenzen nicht leicht herzustellendes Verfahren, das eine sehr hohe Rollenklarheit von allen Beteiligten erfordert.
Augenhöhe ist also ein über Hierarchiegrenzen nicht leicht herzustellendes Verfahren, das eine sehr hohe Rollenklarheit von allen Beteiligten erfordert. Sie kann immer nur von den in der Organisationshierarchie höher angesiedelten Kolleg:innen hergestellt werden.
Augenhöhe gelingt, wenn eingedenk der (hierarchischen) Unterschiede bewusst und gesteuert gleichberechtigte fachliche Kommunikation herbeigeführt wird.
Konkretes Beispiel: Ideen einbringen und umsetzen
Am ZfL arbeiten wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter:innen, abgeordnete Lehrkräfte sowie Verwaltungsangestellte und -beamte. Wir versuchen in allen Arbeits- und Projektgruppen Mitglieder aus allen Gruppen zu haben, da wir davon ausgehen, dass in divers zusammengesetzten Gruppen bessere und vielfältigere Ideen generiert werden. Wichtig ist dabei, dass beispielsweise in Diskussionen die Ideen von studentischen Kolleg:innen genauso viel Gewicht haben wie die Ideen der Geschäftsführung und dass die Gruppe gemeinsam und auf Augenhöhe entscheidet, welche Idee umgesetzt wird, und alle an der Umsetzung beteiligt sind.
Stufe 4: Eigenverantwortung
Wer eigenverantwortlich agiert, übernimmt für sein eigenes Handeln und die selbst getroffenen Entscheidungen vollumfänglich Verantwortung. Die Konsequenzen werden akzeptiert, ohne dass ein anderer „Schuldiger“ gesucht wird. Das Prinzip Eigenverantwortung ist bei der Einführung der Arbeitsstruktur nach dem Vier-Gewinnt-Modell die mit Abstand größte Hürde. In vielen beruflichen Kontexten – nicht nur im System Schule – wird auf die Entscheidungen der nächsthöheren Instanz im Top-Down-System gewartet ohne selbst Entscheidungen zu treffen. Eine Identifikation mit Entscheidungen, die so vorgegeben werden, ist meistens nicht möglich und damit auch kein eigenverantwortliches Handeln. Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, ist nur dann möglich, wenn die Entscheidungen von einem selbst bzw. unter angemessener Beteiligung der eigenen Person getroffen werden. Folglich ist die Voraussetzung für Eigenverantwortung, dass partizipative Formate geschaffen werden, in denen ein gemeinschaftlicher Entscheid möglich ist. Zweite Voraussetzung ist, dass die Führungskraft die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass die Kolleg:innen Entscheidungen alleine treffen und umsetzen zu können.
Das Fly Yourself-Modell als Grundlage für Personalentwicklung am ZfL der Uni Köln
Die grundlegende Frage im Hinblick auf das Vier-Gewinnt-Modell lautet: Was benötigen die Mitarbeiter:innen, um erfolgreich und eigenverantwortlich agieren zu können? Diese Frage geht davon aus, dass jeder Mensch sein Bestes gibt, sofern die Voraussetzungen geschaffen sind, dass ein jeder und eine jede sich entfalten kann.
Damit alle Kolleg:innen im ZfL die notwendigen Rahmenbedingungen vorfinden, um eigenverantwortlich arbeiten zu können, haben wir ein weiteres Modell entwickelt – das Fly-Yourself-Modell:

Personalentwicklung findet bei uns stärkenorientiert statt, das bedeutet: Wir setzen bei den Stärken der einzelnen Personen an und wollen Bedingungen schaffen, durch die Kolleg:innen ihre Stärken immer weiter ausbauen können. Damit Kolleg:innen dies können, müssen sie eigenverantwortlich handeln können. Deshalb haben wir das Modell „Fly yourself“ genannt.
Durch die verschiedenen Bausteine in unserer Personalentwicklung sollen die Kolleg:innen lernen selbst zu fliegen.
Der Prozess beginnt mit der Rekrutierung neuer Kolleg:innen und durchläuft den kompletten Arbeitslebenszyklus. Bereits beim
Recruiting geht es darum, dass sich beide Seiten aktiv füreinander entscheiden. Es wird ein mehrstufiges assessment-orientiertes Auswahlverfahren durchgeführt, an dem Kolleg:innen aus unterschiedlichen Teams beteiligt sind. Wichtig ist uns, dass die Bewerber:innen einen transparenten Einblick in die Unternehmensphilosophie und damit verbundene Erwartungen erhalten.
Wer dann neu startet, durchläuft einen begleiteten Onboardingprozess. Er oder sie bekommt eine Patin bzw. einen Paten an die Hand. Das ist eine erfahrene Kollegin oder ein Kollege, die bzw. der für Fragen aller Art zur Verfügung steht, über Prozesse, Informations- und Austauschmöglichkeiten informiert und auch mal für ein gemeinsames Mittagessen Zeit hat. Außerdem hat das ZfL eine Knowledge-Base aufgebaut, in der neue Kolleg:innen alle relevanten Informationen finden können.
Von Beginn an spielen entwicklungsbezogene Feedbackgespräche eine große Rolle im ZfL – nach zwei Wochen, sechs Wochen, drei Monaten und sechs Monaten finden die ersten strukturierten und wechselseitigen Feedbackgespräche statt.
Von Beginn an spielen entwicklungsbezogene Feedbackgespräche eine große Rolle im ZfL – nach zwei Wochen, sechs Wochen, drei Monaten und sechs Monaten finden die ersten strukturierten und wechselseitigen Feedbackgespräche statt. Auch danach gibt es regelmäßige Feedbackgespräche mit der Teamleitung und auch mit den Peers, weil wir Feedback für ein entscheidendes Reflexionsinstrument halten. Wichtig ist, dass Feedbackgespräche immer konstruktiv sind. Sie sollen dabei helfen, dass sich eine Person weiterentwickeln kann und dass sie einen anderen Blick auf Dinge angeboten bekommt. So angewendet können Feedbackgespräche Menschen und Unternehmen sehr voranbringen (vgl. Hofert & Thonet 2019, S. 208).
Neben Feedback ist Coaching ein weiteres zentrales Instrument in unserer Personalentwicklung. Das ZfL verfolgt generell eine coachende (= reflexiv-unterstützende) Grundhaltung. Führungskräfte sollen in erster Linie ermöglichen; sie sollen den Boden dafür bereiten, dass Mitarbeiter:innen auf Augenhöhe einbezogen sind, eigenverantwortlich handeln, Verantwortung tragen, Innovationen einbringen und sich weiterentwickeln können. Dabei hat das ZfL auch für Führungskräfte Formate zur Weiterbildung, zum Austausch und zur Selbstreflexion ins Leben gerufen. Neben der Möglichkeit zu (externen) Coachings haben die Teamleiter:innen z.B. Gelegenheit zum direkten Austausch in einem begleiteten Leitungsteam-Peer-Mentoring und in einem regelmäßigen Leadership Coffee.
Führungskräfte und ein Großteil der Mitarbeiter:innen am ZfL werden außerdem zu „Fachcoaches LehrerInnenbildung“ ausgebildet, damit sichergestellt ist, dass die coachende Grundhaltung innerhalb der Organisation wie in unseren Services (wie z.B. Beratung und Lehre) flächendeckend gelebt werden kann. Für Führungskräfte wie Mitarbeiter:innen hält das ZfL zudem Beratungsmöglichkeiten, Coachings, Mediationen für einzelne, aber auch Teambegleitungsprozesse vor. Hierzu haben wir einen internen professionell ausgebildeten Coach, zwei zertifizierte Mediator:innen und arbeiten zudem mit externen Berater:innen, Trainer:innen und Coaches zusammen.
Und weil auch der informelle Austausch neben der eigentlichen Arbeit wichtig ist, haben wir mit dem „Brownbag-Lunch“ eine innovative Mittagspause ins Lebens gerufen, in der man von Kolleg:innen etwas über interessante Themen erfahren kann, die sie neben der Arbeit beschäftigen – vom Umweltschutz über Helene Fischer bis zum Yoga.
Der ständige Austausch untereinander begleitet auch die tagtägliche aufgabenorientierte Arbeit am ZfL. Deshalb wird viel Wert auf die – bereits mehrfach erwähnten – partizipativen Formate gelegt: Teamsitzungen finden im Business Circle-Format statt, Austausch im täglichen Arbeiten wird über Teamboards geschaffen und einmal im Jahr gibt es für jedes Team und für das gesamte ZfL einen Teamtag im Open-Space-Format. Auch das Open-Space-Format, ein Format zur Moderation großer Gruppen ist darauf ausgelegt, den Austausch aller über Hierarchiegrenzen hinweg zu fördern und stellt sicher, dass die Themen besprochen werden, die in der Gesamtorganisation (und nicht nur unter den Führungskräften) relevant sind. Und weil auch der informelle Austausch neben der eigentlichen Arbeit wichtig ist, haben wir mit dem „Brownbag-Lunch“ eine innovative Mittagspause ins Lebens gerufen, in der man von Kolleg:innen etwas über interessante Themen erfahren kann, die sie neben der Arbeit beschäftigen – vom Umweltschutz über Helene Fischer bis zum Yoga.
Wenn Menschen irgendwann das ZfL verlassen, findet ein umfangreicher Offboardingprozess statt und auch danach ist uns aktive Alumniarbeit wichtig, in dem wir beispielsweise auch ehemalige Kolleg:innen zu verschiedenen ZfL-Veranstaltungen einladen und manchmal auch weiterhin in Projekten kooperieren.
Wir haben in den letzten Jahren viel dazu gelernt, deshalb möchten wir unseren Artikel mit zehn ganz praktischen Hacks beenden.
Zehn Hacks: Was hätten wir gerne schon vor zehn Jahren bei Gründung des ZfL Köln über agiles Arbeiten gewusst?
Als die Universität zu Köln vor gut zehn Jahren das Zentrum für LehrerInnenbildung ins Leben rief, hatten wir eine Vision. Wir wollten den bestmöglichen Service bieten für unsere Zielgruppen: Studierende, Lehrende und die Schulen in der Region. Das ist gewissermaßen zu unserer Corporate Identity geworden.
Dabei bewegt sich das Zentrum für LehrerInnenbildung nicht in einem freien Raum, sondern ist in etablierte Strukturen der Universität eingebunden.
Jede und jeder von uns hat dieses Ziel verinnerlicht. Es geht nicht so sehr darum, wie wir dieses Ziel erreichen, sondern dass wir es erreichen. Als Team. Wir haben uns deshalb viel mit der New Work-Bewegung auseinandergesetzt. Und damit wie man „Wandel als Normalfall“ als Kultur in einer Einrichtung festigen kann. Dabei bewegt sich das Zentrum für LehrerInnenbildung nicht in einem freien Raum, sondern ist in etablierte Strukturen der Universität eingebunden. Vieles probieren wir gemeinsam aus. Dabei haben wir die folgenden Dinge gelernt:
Hack 1 #immerwieder
Bei den meisten Themen reicht es nicht aus sie ein- oder zweimal zu besprechen. Wenn Themen wirklich wichtig sind, müssen sie regelmäßig besprochen werden, damit sie bei allen Mitarbeiter:innen ankommen. Deshalb sollten sich alle Führungskräfte merken: Ein Hoch auf die Redundanz!
Hack 2 #konstruktivismus
Alle Menschen konstruieren ihre eigene Wirklichkeit. Um wirklich herauszufinden, wie das Gegenüber eine Information verstanden hat, muss diese Person schildern, wie sie die Information verstanden hat. Diese Form der Kommunikation ist sehr hilfreich, um ein gemeinsames Verständnis von Aufgaben zu entwickeln, aber sie kostet viel Zeit.
Wir können zudem nicht davon ausgehen, dass alle Mitarbeiter:innen genauso arbeiten möchten wie wir. Für uns waren es daher „Shocking news“ als wir verstanden haben, dass nicht alle Kolleg:innen selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten wollen und nicht alle regelmäßig reflektieren möchten.
Nur weil Führungskräfte denken, dass eine Veränderung für die Organisation hilfreich wäre, bedeutet es nicht, dass die Organisation bereits den Reifegrad für diese Veränderung hat.
Hack 3 #proaktivsein
Eigenverantwortlichen Handeln ist im ZfL sehr wichtig, deshalb stellen wir proaktive Menschen ein, die kritisch mitdenken, Lösungen vorschlagen, Veränderungen vorantreiben und bereit sind Neues zu lernen.
Hack 4 #camembert
Nur weil Führungskräfte denken, dass eine Veränderung für die Organisation hilfreich wäre, bedeutet es nicht, dass die Organisation bereits den Reifegrad für diese Veränderung hat. Damit die Veränderung von vielen Kolleg:innen in der Organisation mitgetragen wird, ist es deshalb bei manchen Ideen richtig diese als Führungskraft einzubringen und dann Geduld zu haben, bis die Organisation in der Lage ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Hack 5 #augenhöhe
Uns war von Anfang an klar, dass wir im ZfL gerne auf Augenhöge miteinander arbeiten möchten. Deshalb haben wir mit allen Kolleg:innen u.a Filme mit Beispielen⁰7 zu dem Thema geschaut und Texte dazu gelesen. Doch wir stellten fest, dass jede Organisation für sich selbst definieren muss, was „Arbeiten auf Augenhöhe“ konkret für sie bedeutet. In einem ersten Schritt haben alle Teams über ihr Verständnis gesprochen und in einem zweiten Schritt haben wir im Leitungsteam die Ergebnisse diskutiert. In Rahmen der Maßnahmen zu einer Mitarbeiter:innenbefragung wurde dann einige Jahre später deutlich, dass wir ein gemeinsames Verständnis entwickelt hatten.
Hack 6 #zahlensindsexy
Mitarbeiter:innenbefragungen gehören zu den Standardtools eines modernen und erfolgreichen Personalmanagements in der freien Wirtschaft und erhalten zunehmend auch Einzug in den Bereich der Öffentlichen Verwaltung (auch Hochschulen). Eine zeitgemäße Führungs- und Zusammenarbeit ist ohne diese wertvollen Impulse nicht mehr denkbar (vgl. Domch & Ladwig 2013, S. 11). Durch die Nutzung von Mitarbeiter:innenbefragungen als Interventions- und Feedbackinstrument wird es möglich, relevante Kennzahlen und Stimmungsbilder in einer Institution systematisch zu ermitteln (vgl. Linke 2018, S. 3). Deshalb führen wir regelmäßig Mitarbeiter:innenbefragungen durch0⁸. Da sich an den Befragungen bisher immer über 80 Prozent aller Kolleg:innen beteiligt haben, haben wir nachher ein klares Bild über die Themen, die für die Organisation gerade relevant sind. Das führt dazu, dass viele Diskussionen, die emotional beispielsweise in der Kaffeeküche von einzelnen Personen geführt werden, ganz schnell versachlicht werden, weil die Meinung zu diesen Themen von der Mehrheit der Kolleg:innen im ZfL bekannt ist.
Hack 7 # feedbackundkonfliktkompetenz
Obwohl fast alle Mitarbeiter:innen irgendwann einmal Workshops zu diesen Themen besucht haben, brauchen sie regelmäßig Trainings zur Stärkung ihrer Feedback- und Konfliktkompetenz, damit sie konstant Feedback geben und annehmen können und zudem Konflikte so konstruktiv lösen können, dass sie gestärkt aus ihnen hervorgehen (vgl. auch Klein & Hughes 2019, S. 80).
Auch in Organisationen mit flachen Hierarchien, in denen agile Methoden genutzt werden, ist und bleibt Führung wichtig.
Hack 8 # führungbleibtwichtig
Auch in Organisationen mit flachen Hierarchien, in denen agile Methoden genutzt werden, ist und bleibt Führung wichtig. Personen, die Teams oder Projekte führen, müssen a) regelmäßig ihr Führungsverständnis reflektieren, b) sich Feedback einholen, c) aktuelle Literatur für Führungskräfte lesen und d) regelmäßig an Fortbildungsformaten zu Leadership-Themen teilnehmen.
Hack 9 #open-oe
Durch den Austausch mit Führungskräften und Organisations- und Personalentwickler:innen aus anderen Unternehmen und Organisationen bei u.a. New Work Meet Ups, bei Konferenzen oder bei Twitter erhalten wir fast täglich neue Impulse, die uns bei der Weiterentwicklung unserer eigenen Organisationsentwicklung helfen.
Hack 10 #agilgehtimmer
Wir führen viele Diskussionen darüber, wie wir zusammenarbeiten, weil wir in einem System angesiedelt sind, das erstmal per se nicht agil und auf Augenhöhe arbeitet. Manchmal fühlt es sich an, als würden wir ein Mammut schieben, aber zehn Jahre später können wir sagen: Agiles Arbeiten in der (Lehrer:innen-)Bildung und im öffentlichen Dienst ist möglich! Dafür sind unserer Meinung nach vier Dinge entscheidend: Haltung und Mut, aber auch Theorie und Methode.

Literatur
Baldwin, C. & Linnea, A. (2014): Circle – Die Kraft des Kreises. Weinheim: Beltz
Domsch, M. E. & Ladwig, D. (2013): Handbuch Mitarbeiterbefragung. 3. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag
Dziak-Mahler, M. (2020): Führen nach der Krise. In: Himmelrath, A. & Egbers, J. (Hrsg.): Das Schuljahr nach Corona – Was sich nun verändern muss. Bern: hep Verlag, S. 153-167
Grochowiak, K. (2002): Ordnungen der Macht. Online: https://docplayer.org/33400099-Ordnungen-der-macht-klaus-grochowiak.html (letzter Zugriff: 21.10.20)
Hofert, S. & Thonet, C. (2019): Der Agile Kulturwandel – 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen. Wiesbaden: Springer Gabler
Klein, S. & Hughes, B. (2019): Der Loop Approach. Frankfurt am Main: Campus
Linke, R. (2018): Mitarbeiterbefragungen optimieren – Von der Befragung zum wirksamen Management-Instrument. Wiesbaden: Springer Fachmedien
Schiersmann, C. & Thiel, H.-J. (2018): Organisationsentwicklung. 5. Auflage. Wiesbaden: Springer Verlag
Sprenger, R. (2007): Vertrauen führt – Worauf es im Unternehmen wirklich ankommt. Frankfurt a. M.: Campus Verlag