Marion Mohnhaupt
„Agilität und Mathe-Unterricht? Das passt ja gar nicht zusammen!“, reagierte Einer, der dann ausführte, dass Mathe doch nur Regeln und Formeln seien, dass man auswendig lernen müsse, dass es letztlich entweder richtig oder falsch sei. Ich dachte dabei an den Zweitklässler Toni, der „weiß“ – er könne Mathe sowieso nicht.
Genau hier liegt die immense Krux. Bestenfalls kann „Agilität“ im Mathe-Unterricht dafür sorgen, dass unsere Mathe-Schüler die „kreative und schöne Mathematik“ erfahren, ihre Ideen einbringen und ausprobieren dürfen und ihren eigenen Zugang entwickeln dürfen. Dieser Beitrag greift das Prinzip „Agilität“ auf und beschreibt, wie agiler Mathe-Unterricht aussehen könnte. Eine Auswahl bewährter Konzepte wird aufgeführt, denn sie tragen für sich bereits eine agile Note. Wohlweislich ist es letztlich die Lehrkraft, die einen agilen Mathe-Unterricht orchestriert. Zum Abschluss wird deutlich, welche gesellschaftliche Reichweite mathematische Bildung hat. So gedacht, brächte agiler Mathe-Unterricht eine Revolution in Gang, die helfen könnte, diverse aktuelle Bildungs-Herausforderungen zu meistern.
„Agilität in Bildung“ schafft einen öffnenden, ermutigenden und inspirierenden Raum
„Agilität“ ist in diesem Buch bereits aus diversen Perspektiven beschrieben worden. Im Kern steht dabei jeweils der unbedingte Fokus auf definierte Ziele und die flexible, oft situative Steuerung in Richtung Zielerreichung.
Die Lehre setzt so immer beim Lernenden an, Interventionen sind mal geplanter, mal spontaner, und schlagen immer eine Brücke zu anvisierten Lernzielen.
Sehen wir Agilität in Bildung, so ergibt sich ein lebendiges, anregendes Setting aus aktiven Lernenden, sichtbaren Lernzielen und hilfreichen Aktionen. Schon Hatti1 sah die Macht wirksamer Lehre in gezielten und sinnvollen Interventionen. Die Lehre setzt so immer beim Lernenden an, Interventionen sind mal geplanter, mal spontaner, und schlagen immer eine Brücke zu anvisierten Lernzielen. Die zentralen Anliegen von Agilität in Bildung sind also:
Das leitende Ziel ist Bildung, also gebildete, befähigte Mitmenschen. Daraus leiten sich fachliche und zeitlich strukturierte Unterziele ab, die schließlich als Teilziele in die sichtbare Nähe des Lernenden rücken.
Die Lehre aktiviert zum Lernen und setzt bei Lernenden an, die mit individuellen Lernständen und Lernbedürfnissen als „Baumeister der eigenen Erkenntnis“2 in und mit der Lerngruppe lernen (gemeinsame Lerninhalte im Austausch).
Lernen und Lehren sind Co-Faktoren in einem flexiblen, interaktiven Bildungsprozess: Lernende verfolgen (im Team) selbstorganisiert ihre Lernaufträge, Lehrkräfte begleiten wohldosiert und situativ.
Prozessbegleitende Beobachtungen, Gespräche, Anpassungen sind alltäglicher Hebel für individuelle Lernfortschritte (Lerndialoge, Lernentwicklungsgespräche) sowie für die Steuerung des Unterrichts (Reflexion der Lerngruppe)
„Agilität in Bildung“ beansprucht nicht etwas grundsätzlich Neues zu bringen. Vielmehr erkennen wir hier diverse bekannte pädagogische Strömungen und Ansätze wie bspw. das erfahrungsbasierte Lernen des Konstruktivismus, Maria Montessori‘s „Hilf mir, es selbst zu tun!“, Lerner-zentrierter Unterricht, formative Feedbacks, uvm.
Ein Raum, der ermutigt und inspiriert. Ein Rahmen, in dem wir ein förderliches Mathe-Image prägen, Kompetenz- und Lernziele anvisieren und bewährte Methoden für Mathe-Lernen bedarfsgerecht einweben können.
Für die mathematische Bildung haben diese Ansätze alle eines gemeinsam: sie bauen auf eigene Erfahrungen und Erkenntnisse und fördern damit nachgewiesenermaßen wirksames Mathe Lernen.
So gesehen können wir das Prinzip „Agilität“ für die mathematische Bildung annehmen als einen öffnenden Raum. Ein Raum, der ermutigt und inspiriert. Ein Raum, in dem wir ein förderliches Mathe-Image prägen, Kompetenz- und Lernziele anvisieren und bewährte Methoden für Mathe-Lernen bedarfsgerecht einweben können. Auf diese Weise finden sich Wege für jeden Lernenden, persönliche, etappenweise und gemeinschaftliche Lernwege.
Agiler Mathe-Unterricht bietet Lernenden den persönlichen Zugang zur „kreativen und schönen Mathematik“ und bildet Kompetenzen
Agiler Mathe-Unterricht heißt, die Lehrkraft ist einerseits gut vorbereitet mittels Kenntnis von Lernzielen, Lernstand, bewährten Methoden/Materialien und andererseits knüpft sie flexibel, ad-hoc an Lernmomente und Lernbedürfnisse an. Wie genau kann das aussehen?
Mathe-Lehrkräfte kennen Lernende und bauen Brücken zur Mathematik:
- Sie bejahen mathematische Individualität und individuelle Zugänge zur Mathematik.
- Sie diagnostizieren den individuellen Lernstand früh, rhythmisch und systematisch.
- Sie geben Zeit und Raum für mathematische Erfahrungen, Leistungen und Reflexion.
- Sie sind im kontinuierlichen Gespräch mit Lernenden und Lerngruppen.
- Sie nutzen die Lerngruppe für das von- und miteinander Lernen sowie für das Erleben von Vielseitigkeit, Sprachbildung, Kooperation und Kreativität.
- Sie bieten Gelegenheiten zur Selbstbestimmung und Selbstorganisation.
Mathe-Lehrkräfte sind zielbewusst:
- Sie kennen die übergeordneten Kompetenzziele und die abgeleiteten, näheren Lernziele.
- Sie besprechen diese Ziele mit den Lernenden, reflektieren sie mit ihnen und formulieren sie gemeinsam und individuell aus. Hatti’s1 Studien zeigen, transparente Ziele und zielorientiertes, formatives Feedback fördern die Wirksamkeit des Unterrichts.
- Sie wissen, welche Wege zu diesen Zielen führen können und wie sie die Ausprägung der Kompetenzen des Lernenden erkennen.
- Sie wählen passgenaue Methoden und Materialien für eine sinnvolle, hilfreiche Lernumgebung.
- Sie fordern und fördern gezielt und ihrerseits im agilen Lehrerteam.
Mathe-Lehrkräfte steuern den Bildungsprozess und sind Teil dessen:
- Sie beobachten Lernende beim mathematischen Entdecken, Beschreiben, Lösen sowie ihre Einstellung zur Mathematik und ihr sich entwickelndes Selbstbild.
- Sie nutzen wertvolle Lernmomente zur mathematischen Stärkung und Vertiefung, indem sie situativ fragend Anregung, Herausforderung und Hilfe bieten.
- Aus Beobachtungen, Gesprächen und Lernstands-Erhebungen leiten sie systematisch Ansatzpunkte für weitere Lernschritte und Interventionen ab.
- Sie begleiten die Reflexion des Lernenden, um den eigenen Lernstand und Lernbedarf transparent zu machen und über nächste Schritte zu entscheiden. Auch hier sei auf Hatti1 verwiesen, der erkannte, dass transparente Lernwege und Lernfortschritte den Erfolg des Unterrichts bzw. des Lernens mitbestimmen.
- Sie fördern die gemeinsame Reflexion des Lernweges und helfen Vorgehen, Methoden, Medien, etc. bedarfsgerecht und zielorientiert anzupassen.
Mathe-Lehrkräfte leben Mathe-Lernen vor:
- Sie zeigen Offenheit, Interesse, Neugier und Zuversicht.
- Sie ermutigen zu Ideen und Versuchen.
- Sie nutzen schwierige Lernmomente für Lernende, um Fehler, Misserfolge, Durchhaltekraft und Anstrengung als Teile des Lernens zu erfahren.
- Sie machen Lernen sichtbar (vgl. Hatti1).
- Diese Merkmale „agilen“ Mathe-Unterrichts kann und muss die Lehrkraft mit Blick auf das Entdecken und Erarbeiten der Schüler einweben in den Bildungsprozess, so wird agile Lehre zur hohen Kunst.
Lehransätze und Materialien, die ein anregendes, entdeckendes, verstehendes Mathe-Lernen anstreben und die Entsagung des Zeitdrucks, sind hier der erste wichtige Schritt.
Lehransätze und Materialien, die ein anregendes, entdeckendes, verstehendes Mathe-Lernen anstreben und die Entsagung des Zeitdrucks, sind hier der erste wichtige Schritt: die Aufgabenstellungen richten sich nach dem Lernenden und laden zur Exploration ein, in die sich die engagierte Lehrkraft logischerweise flexibel, situativ einbringen muss. Dies ist bereits markant agiler als Mathe-Unterricht, der auf Besprechungen von Beispielaufgaben und Formeln sowie auf Abarbeiten mehr oder weniger ähnlichen Aufgaben beruht. Derart gewappnet kann eine Lehrkraft den Grad an Offenheit, Flexibilität sowie fachlicher, didaktischer und sozialer Gewandtheit austarieren. Hier gilt „Übung macht den Meister“ einer zunehmend agilen Lehre.
Es gibt Ansätze für die Mathe-Lehre, die mit einer inhärenten Prise „Agilität by Design“ sozusagen nur auf agil orchestrierende Mathe-Lehrkräfte warten
Die folgenden Ansätze bieten alle einen bereichernden Blick auf Mathe-Lernen. Sie umfassen grundsätzliche Leitideen und hilfreiche Materialien, und sie sind alle sehr praxisnah entwickelt und gestaltet:
(1) Das Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik3 an der Technischen Universität Dortmund beschreibt guten Mathe-Unterricht so: er „fordert Schüler jeden Leistungsniveaus gleichermaßen und fördert ein Lernen am gemeinsamen Gegenstand“. Die im PIKAS-Projekt und mit Partnerprojekten entwickelten Grundzüge für gute Mathe-Lehre und „forschungsbasierten, praxiserprobten“ Materialien streben weit in Richtung „agiler Unterricht“. Die zehn Module – Häuser genannt – nehmen wichtige Kompetenzziele des Mathe-Unterrichts ins Visier und setzen bei Lernenden bzw. typischen Lernschritten und Schwierigkeiten an. Die reichhaltigen Module umfassen zielführende, hilfreiche Aufgaben und Vorgehensleitfäden für systematische Konzeptentwicklung, Sprachbildung, Beobachtungen und Rückmeldungen. Sie können unmittelbar eingesetzt werden, um den Mathe-Unterricht differenzierter, anregender, inaktiver und sogar agiler zu gestalten und Kompetenzen wirksam zu bilden. Agile Lehre ist natürlich deutlich mehr als diese Beispiele abzuarbeiten.
Grundschule eine immense Chance für tiefgehendes mathematisches Verstehen und für die Entwicklung fundamentaler Kompetenzen liegt.
(2) In ihrem Werk „Rechnen lernen und Flexibilität entwickeln“4 zeigen die Autoren Elisabeth Rathgeb-Schnierer und Charlotte Rechtsteiner, dass im entdeckenden, interaktiven Rechnen Lernen in der Grundschule eine immense Chance für tiefgehendes mathematisches Verstehen und für die Entwicklung fundamentaler Kompetenzen liegt. Dazu muss der Lernende mit seinem sogenannte Zahlenblick im Mittelpunkt stehen, der „mechanische Rechendrang“ muss gezügelt werden. Gezielt anregende Aufgaben und erforschende Lerndialoge sprechen den natürlichen Zahlensinn der Schüler an und helfen, diesen schrittweise zu stärken und zu verfeinern.
Dieser mathematische Lernprozess läuft über Hinschauen, Vergleichen, Entdecken, Erkennen und Besprechen in Richtung der Kompetenzziele „Zahl- und Aufgabenmerkmale und -beziehungen erkennen und nutzen“. Die Kommunikation nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein: sie erlaubt es Gedanken zu ordnen und zu schärfen, sie schafft Zugang zum eigenen Denken, sie bildet die Basis der Verständigung. Die Autoren zeigen, dass mittels Anregung, Austausch, Steuerung das Rechnen Lernen gelingen kann, Schwierigkeiten überwunden werden können, und vor allem, dass Mathe-Schwierigkeiten eines Schülers nichts darüber aussagen, was dieser Schüler mit guter Lehre in Mathe erreichen kann.
Konsequenterweise ergeben sich zwei Seiten der Medaille: zum einen bereitet die Lehrkraft passende Mathe-Lernumgebungen entsprechend vor, zum anderen wird sie Lernbegleiter und so selbst auch Teilnehmer der Lernumgebung, der immer wieder beobachtet, hinterfragt, anregt, herausfordert, unterstützt und ergänzt.
(3) Michael Gaidoschik5 arbeitet als Professor für Didaktik der Mathematik und Gründer des Recheninstituts zur Förderung mathematischen Denkens in Österreich seit vielen Jahren vor allem mit Schülern, die (noch) Schwierigkeiten mit den Grundlagen der Arithmetik haben. Dabei geht es auch immer um Herausforderungen namens Rechenschwäche und Rechenstörung. Er weist darauf hin, dass es oft hartnäckige oder unerkannte Missverständnisse oder Verständnislücken im Bereich Zahl-, Stellenwert- und/oder Operationsverständnis sind, die es diesen Kindern schwer oder sogar unmöglich machen im Rechnen erfolgreich weiterzukommen. Seine Erfahrungen zeigen, dass es die wichtigste Aufgabe der Mathe-Lehrkraft ist, gut und möglichst früh zu erkennen, inwieweit Schüler verstanden haben bzw. inwieweit noch Lernhindernisse vorliegen. Seine Ansätze streben danach, den Mathe-Unterricht so aufzubereiten, dass möglichst viele Kinder möglichst gute Lernchancen vorfinden. Hier spiegelt sich der Fokus auf den Lernenden, den „Agilität in Bildung“ hochhält. Konsequenterweise ergeben sich zwei Seiten der Medaille: zum einen bereitet die Lehrkraft passende Mathe-Lernumgebungen entsprechend vor, zum anderen wird sie Lernbegleiter und so selbst auch Teilnehmer der Lernumgebung, der immer wieder beobachtet, hinterfragt, anregt, herausfordert, unterstützt und ergänzt.
Last but not least ist folgender Ansatz eine wertvolle Ergänzung:
(4) Als Mathe-Pädagogin und Professorin gründete Jo Boaler6 die Initiative Youcubed an der Stanford Universität. Sie greift hier wichtige Erkenntnisse der Lern-/ Hirnforschung sowie Erfolge aus der pädagogischen Praxis auf und entwickelt richtungsweisende Ansätze für eine wirksame Mathe-Lehre. Ihre Empfehlungen reichen sehr weit in Richtung agile Mathe-Lehre und glücklicherweise haben sie in den letzten fünf Jahren eine große pädagogische Anhängerschaft gewonnen:
- Jeder Lernende hat natürlicherweise einen individuellen Zugang zur Mathematik. Dies bringt Vielfalt und Kreativität mit sich, die inhärenter Teil des Mathematisierens ist.
- Offene Aufgabenstellungen und Lerndialoge fördern eine einladende Lernatmosphäre und integrieren Lernende in mathematische Entdeckungen und Auseinandersetzungen.
- Kein Zeitdruck, da er die für Mathe wichtigen Hirnareale blockiert und überholte Mythen bedient: langsamere Schüler werden zu oft vorschnell als mathe-schwach abgestempelt.
- Visualisierungen sind ein hilfreiches Instrument für die Besprechung mathematischer Sachverhalte und die Bildung tragender Vorstellungen von Ideen und Zusammenhängen.
- Eine versuchs- und fehlerfreundliche Lernkultur respektiert, dass wir aus Knobeleien und Fehlern lernen und Schüler damit ausdauernder und erfolgreicher in Mathe arbeiten.
Boaler‘s zentraler Punkt ist, dass Mathe-Lehrkräfte ein „growth mindset“ leben, vorleben und bei Schüler stärken: „ich kann lernen“. Sie überträgt damit die Erkenntnisse der Psychologin Carol Dweck7 für wirksames Mathe Lernen: Schüler, die um ihre Möglichkeiten zu Lernen wissen und nicht in der Falle des Talent-Glaubens stecken, zeigen eine markant bessere mathematische Lernentwicklung(dies gilt übrigens auch für gute Mathe-Schüler) und stellen sich selbstbewusst auch großen Herausforderungen.
Es gibt diverse hilfreiche und bereichernde Ansätze und Materialien, die nur auf Agilität im Mathe-Unterricht warten, um ihren Zauber für Mathe-Lernen mitzubringen.
Hier liegt der Fluch des in Deutschland weit verbreiteten und nachgewiesenermaßen unhaltbaren Mythos von Mathe-Talent bzw. Zahlenmensch. Carol Dweck7 spricht von „fixed mindset“ und hat in ihren Projekten und Studien erkannt, dass eine solche auf Talent oder nicht-Talent reduzierte Lerneinstellung viele Lernende regelrecht in ihrer Lernentwicklung und ihrer Leistung behindert. Dies gilt für junge sowie ältere Lernende, für schnell sowie weniger schnell Lernende. Bei ihnen blockieren wesentliche emotionale Regelkreise, die oft unbewusst ablaufen, wichtige Areale im Gehirn, die für Lernen und Leisten eigentlich aktiviert werden und sein müssen.
Summa summarum, es gibt diverse hilfreiche und bereichernde Ansätze und Materialien, die nur auf Agilität im Mathe-Unterricht warten, um ihren Zauber für Mathe-Lernen mitzubringen. Es braucht agil eingestellte und handelnde Lehrkräfte, die von einem agilen Lehrsystem Schule gelassen, unterstützt und geführt werden. Agilität im Kleinen wie im Großen. Vor allem muss das „TZ-Syndrom im Mathe-Unterricht“ – „T“ wie Talentglaube und „Z“ wie Zeitdruck – aus dem Weg geräumt werden.
Agiler Mathe-Unterricht inspiriert und inkludiert. Er könnte damit einen Beitrag zu mehr Erfolg in der Mathe-Bildung leisten und gehört so zu Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts
Abschließend schauen wir in die Weite … Ja, mathematische Kompetenzen sind entscheidend für unser modernes Leben. Ja, die aktuellen Herausforderungen im Bildungssystem und besonders in Mathe sind immens. Kann „Agilität“ hier helfen?
Damit ist eine gelingende mathematische Bildung wichtig für das eigene private und berufliche sowie für das gesellschaftliche Leben in unserer modernen Zeit.
Bleiben wir kurz hier: Viele Schüler seufzen oder erstarren gar sobald sie das Wort „Mathe“ hören oder ein Aufgabenblatt mit Rechenaufgaben sehen. Es sind Schüler, die schon früh oder anhaltend in Schule erleben mussten, dass für sie gilt „Mathe ist anders“, dass sie Zahlen und Rechnen irgendwie nicht verstehen, nicht schnell genug sind bzw. nicht gut sind, dass sie nicht zu diesen besonderen, angeblichen Mathe-Menschen gehören (ein längst überholter Mythos). Es sind Schüler, deren Mathe-Unterricht sie lediglich lehrte, schnell zu rechnen, Prozeduren zu folgen und Formeln einzusetzen, die Zahlenkolonnen durchrattern und schnell 1×1-Aufgaben nennen mussten. Nicht zuletzt Schüler, die von Erwachsenen ihres Lernumfeldes oft genug auch dieses angespannte Mathe-Seufzen gehört haben. Diese Erwachsenen waren natürlich auch einmal eben solche Schüler, in einer derartigen Lernsituation. Sie waren auch nicht in die Welt der Zahlen abgeholt worden, sie hatten auch keine Chance gehabt, die Mathematik tief zu erkunden und einen passionierten Mathe-Könner zu erleben, der hinführte zu sinnstiftenden Zusammenhängen.
An zu vielen Schulen herrscht Mathe-Notstand. Gute, bewährte Lehransätze und kompetente, engagierte Mathe-Lehrkräfte gibt es zum Glück. Allerdings sind überholte Mythen und Methoden hartnäckig, vor allem in Zeiten rarer Mathe-Lehrkräfte und großer Herausforderungen wie Inklusion, Digitalisierung, Thema „Rechenstörung“. Arbeitsblätter stehen zu hoch im Kurs, Mathe-Konferenzen und Mathe-Projekttage sind Lichtblicke.
Mit „Agilität“ im Mathe-Unterricht ginge es nicht mehr um Defizite, Störungen, Einstufung oder Selektion, sondern um den Lernenden und dessen Bildung, dessen Enablement.
Gerade solche Ansätze braucht es für wirksamen Mathe-Unterricht, der mathematische Kompetenzen bildet, und zwar ohne Mathe-Verwirrung oder sogar Mathe-Angst zu provozieren. Nun könnte man einen Schritt weiter gehen und nutzt dazu den von „Agilität in Bildung“ gebotenen Raum: Agilität in Bildung mathematischer Kompetenzen geht auf jeden Schüler ein und vollzieht sich nachvollziehbarerweise immer mit der gleichzeitigen Förderung von Denk- und Lebenskompetenzen: Wahrnehmung, Denken und Urteilen, Kommunikation, Kooperation, Arbeitshaltung, Selbstbild. Damit ist eine gelingende mathematische Bildung wichtig für das eigene private und berufliche sowie für das gesellschaftliche Leben in unserer modernen Zeit.
Mit „Agilität“ im Mathe-Unterricht ginge es nicht mehr um Defizite, Störungen, Einstufung oder Selektion, sondern um den Lernenden und dessen Bildung, dessen Enablement. Es fänden sich Wege für jeden Lernenden und auch Antworten auf die Bildungs-Herausforderungen unserer Zeit.
Quellen
1 John Hatti, Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Schneider Verlag, Hohengehren 2014
2 Hartmut Spiegel, Kinder in der Welt der Zahlen. In: Hans Brügelmann (Hrsg.), Kinder lernen anders. Libelle 1997
3 www.pikas.dzlm.de
4 Elisabeth Rathgeb-Schnierer, Charlotte Rechtsteiner, Rechnen lernen und Flexibilität entwickeln. Springer Spektrum 2018
5 Michael Gaidoschik, Wie Kinder rechnen lernen – oder auch nicht: Eine empirische Studie zur Entwicklung von Rechenstrategien im ersten Schuljahr und www.recheninstitut.at
6 Jo Boaler, Mathematical Mindsets. John Wiley & Sons 2015 und www.youcubed.org
7 Carol Dweck, Mindset – Changing the way you think to fulfil your potential. Robinson 2017

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Agilität und Bildung” – ein Gemeinschaftswerk von 34 Autor:innen aus der Bildungsbranche.
Das Thema „Agilität und Bildung“ lässt sich nicht einfach zwischen zwei Buchdeckel packen. Vielmehr zeigt sich, dass Agilität in Bildung ein schon bekanntes, und zugleich stetig wachsendes Feld ist. Agilität ist KEIN Buzzword, sondern steht für eine wohlüberlegte Herangehensweise. Dieses Buch ist der Versuch, viele Elemente der Agilität sichtbar zu machen: Grundgedanken über Agilität genauso wie Praxisbeispiele aus dem Bildungsalltag. Ein kundiger Reiseführer sozusagen.
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