Erste Erfahrungen der Schule Knonau
Jörg Berger
Was wird uns in vier Jahren beschäftigen? Welche konkreten Ziele für die Unterrichts- und Schulentwicklung werden dann aktuell sein? Ist es sinnvoll, diese bereits heute zu definieren, wenn die Zukunft in Szenarien vorhergesagt wird? Welche Alternativen bieten sich zur Erarbeitung eines Schulprogramms an? Die Schule Knonau hat eine Möglichkeit gefunden, wie sie den gestiegenen Ansprüchen an eine solide Schulentwicklung und den sich immerfort verändernden Umständen konstruktiv und zukunftsorientiert begegnen will: Mit dem Kanban-Schulprogramm.
Er hätte es richten sollen, unser schulinterner Weiterbildungstag. Fernab der Schule in den Seminarräumen eines ehemaligen Klosters wollten wir unser Schulprogramm für die kommenden vier Jahre schreiben. Das gesamte Lehrer*innenteam, Vertreter*innen der Schulbehörde und der Vorstand des Elternforums sollten anhand einer gemeinsamen Stossrichtung Entwicklungs- und Sicherungsziele zu folgenden Bereichen definieren:
- Lehr- und Lernarrangements
- Schule als Lebensraum
- Führung und Organisation
- Aussenbeziehungen
- Zusammenarbeit
Wenn alles anders kommt
Doch dann kam Corona und wir befanden uns jäh im Notfall-Fernunterricht. An physische Konferenzen oder gar an groß aufgezogene Weiterbildungstage war nicht zu denken. Stattdessen nutzten wir diese einmalige Gelegenheit der Schulschließung für unsere Unterrichts- und Schulentwicklung. Bereits am ersten Tag erstellte eine Gruppe Lehrpersonen ein Lernvideo zur Gestaltung des eigenen Home-Office für unsere Schüler*innen vom Kindergarten bis zur 6. Klasse, während sich eine zweite Gruppe mit Lernportfolios auseinandersetzte und alle Kids mit einem Lerntagebuch samt Video bediente. Eine Gruppe entwickelte eine Art Tagesplan – einen für Frühaufsteher*innen und einen für die Langschläfer*innen. Eine vierte Gruppe setzte die bereits an einigen Klassen bestehenden Klassenwebsites für alle Klassen auf und schulen ihre Kolleg*innen in deren Programmierung.
Wenn Distanz auch Nähe schafft
Seitens der Schulleitung war ich stark mit den pädagogischen Grundsätzen unserer Schule beschäftigt, kam aber häufig mit meinen guten Ratschlägen zu spät. Immerhin konnten wir ein paar Pflöcke für den Fernunterricht einschlagen:
- Offene und kompetenzorientierte Aufgabenstellungen stehen im Mittelpunkt
- Wir bieten ein breites fächerübergreifendes Angebot an
- Wir verstehen uns als Lernberater*innen
- Es gibt keine Kontrollen
- Es kommt kein Drucker zum Einsatz
Unser schulinterner Weiterbildungstag kam näher und mit ihm die Gewissheit, dass wir diesen nie und nimmer wie geplant durchführen können. Statt Begrüssungskaffee eröffneten wir mit einem Check-In die Zoom-Videokonferenz, statt Gruppentische im Seminarraum gab’s Breakout-Rooms und statt Vorlagen für Ziele, Indikatoren und Massnahmen für ein zehnseitiges Schulprogramm erstellte ich ein Erklärvideo zu Microsoft Planner.
Kanban mittels Microsoft Planner
Inspiriert durch Philipp Wampflers Youtube-Serie „Digi-Fernunterricht“ zeigte ich darin, wie aus Ideen neue Aufgaben mit smarten Zielen entstehen. Ich führte aus, dass die Kommission Schulentwicklung mit ihren Vertreter*innen aller Unterrichtsstufen gemeinsam bestimmen werden, an welchen Zielen aktuell gearbeitet wird. Und es wurde in einer weiteren Spalte ersichtlich, dass erreichte Ziele weiterhin sichtbar sind. Kurzum: Ich erklärte in eigenen Worten das Kanban-Prinzip.
Durch gemeinsames Verständnis zu gegenseitigem Vertrauen
Inspiration für unsere Unterrichts- und Schulentwicklung, ein möglichst gemeinsames Verständnis für die Lehr-, Lern- und Arbeitsformen der Zukunft und das Bewusstsein für gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen erwiesen sich als entscheidende Voraussetzungen für den gemeinsamen Prozess. Dies zeigte sich einerseits in der grossen Fülle an Ideen und Absichten für unsere Weiterentwicklung, andererseits durch eine vertrauensvolle Basis und bestätigen uns, dass wir das Richtige tun. Nur so war es möglich, dass spontan gebildete Gruppen von Lehrpersonen die Legitimität erhielten, innerhalb von Breakout-Sessions Ideen und Absichten weiterzudenken und als Ziel für die gemeinsame Schulentwicklung festzuhalten.
Was uns aktuell beschäftigt
Gemeinsam wählten wir zu Beginn des Schuljahres erste drei Ziele aus:
- Freiräume für die Unterrichtsentwicklung schaffen
- Erstmals ein Schulfest organisieren, das am 25.06.2021 stattfindet
- In und mit der Natur lernen
Diese erscheinen nun in der dritten Spalte „Das beschäftigt uns aktuell“. In jeder Sitzung der Kommission Schulentwicklung werden die Umsetzungsschritte der einzelnen Ziele überprüft und besprochen. Wird ein Ziel als umgesetzt erachtet, erfolgt eine Begutachtung über dessen Wirkung. Ebenso wird beraten, wie die Entwicklung nachhaltig gesichert werden kann, um die Organisationskultur nachhaltig positiv zu beeinflussen. Die entsprechende Auftragskarte wird mit diesen Aspekten ergänzt und in die vierte Spalte „Das haben wir erreicht“ verschoben.
Welchen Gewinn wir uns versprechen
Im bisherigen Schulprogramm war es weder vorgesehen noch möglich, die erreichten Ziele abzubilden, geschweige denn, eine Aussage über die Qualität des Erreichten festzuhalten. Die vielen, über 12 Seiten verteilten Ziele und Massnahmen verunmöglichten einen guten Überblick über die aktuellen Bestrebungen. Oftmals entpuppten sich die Indikatoren und Massnahmen als zusätzliche, heimliche Ziele. Dies führte dazu, dass unser Schulprogramm überladen wirkte. Im Kanban-Schulprogramm zeigt sich diese Schwierigkeit ansatzweise in der ersten Spalte des Planners, wo die Absichten, Ideen und Fragen gesammelt werden.
Ihre Durchsicht nimmt auch Zeit in Anspruch. Gleichzeitig ist jeder und jede eingeladen, ihren Vorschlag zur Entwicklung und zur Verbesserung unserer Schule einzubringen. Dass diese Spalte also wächst, ist durchaus gewünscht. Übersichtlich wird es bereits ab dem nächsten Bearbeitungsschritt, wenn aus einzelnen Absichten gemeinsam eine Aufgabe mit entsprechendem Ziel formuliert wird. Und weil alle Mitarbeitenden jederzeit auf den Microsoft Planner zugreifen, auf ihn verweisen oder ihn bearbeiten können, messen wir diesem einfachen digitalen Tool ein grosses Potential an weiteren positiven Effekten für unsere gemeinsame Schul- und Unterrichtsentwicklung bei. Einige davon haben wir bereits erleben dürfen und sie sind in diesen Erfahrungsbericht eingeflossen. Viele weitere werden wir erst noch kennenlernen. Dies ist mit ein Grund, weshalb wir uns von der agilen Form des Kanban-Schulprogramms viel versprechen.

Das Buch zum Beitrag
Dieser Beitrag stammt aus unserem Buch “Agilität und Bildung” – ein Gemeinschaftswerk von 34 Autor:innen aus der Bildungsbranche.
Das Thema „Agilität und Bildung“ lässt sich nicht einfach zwischen zwei Buchdeckel packen. Vielmehr zeigt sich, dass Agilität in Bildung ein schon bekanntes, und zugleich stetig wachsendes Feld ist. Agilität ist KEIN Buzzword, sondern steht für eine wohlüberlegte Herangehensweise. Dieses Buch ist der Versuch, viele Elemente der Agilität sichtbar zu machen: Grundgedanken über Agilität genauso wie Praxisbeispiele aus dem Bildungsalltag. Ein kundiger Reiseführer sozusagen.
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